6.Sonntag der Osterzeit C
Liturgische Texte: erzabtei-beuron.de/schott/
1.Lesung Apg 15,1 - 2.22 - 29
2.Lesung Offb 21.10 - 14.22 - 23
Evangelium Joh 14, 23 - 29
Der Heilige Geist wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
23 Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.
24 Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.
25 Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin.
26 Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
27 Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.
28 Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. Wenn ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.
29 Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
Die Seele entdecken
Die Abschiedsreden Jesu, zu denen der heutige Text gehört, waren für die Jünger einmal ein wirksamer Trost, sodass sie die Worte weitergaben und weiterformten. Den Hörern und Lesern von heute jedoch klingen sie wie eine Fremdsprache. Auch kluge Erklärungen bringen nicht viel weiter. Wir kommen dem Verstehen erst dann näher, wenn wir darin die Sprache des Herzens, der Gefühle, der Tiefe unserer Seele entdecken. Dabei spielt der Abstand der Zeit keine Rolle. Es gibt in unserem Herzen einen Raum, der nicht an Raum und Zeit gebunden ist, der die Brücke schlägt zu geliebten Wesen auch über tausend Kilometer hinweg und in dem ein schönes Erlebnis auch nach Jahren Gegenwart wird. Wollen wir diese Sprache lernen, müssen wir in uns selbst ganz tief hinabsteigen. Die Worte Jesu entstammen dieser Tiefe; sie sind der Niederschlag einer Erfahrung, welche Jesus selbst und seine Jünger einmal bewegt hat. Wir haben die Freiheit, einmal die Worte Jesu ganz offen auf uns wirken zu lassen.
Beginnen wir mit dem ersten Satz der Rede Jesu: „Wenn jemand mich liebt“ (14,23). Wir dürfen uns sogar fragen, was es heißt: Ich liebe dich? Wer immer sich an ein solches Ereignis in seinem Leben erinnert, wird sagen: es ist etwas ungemein Kostbares und Schönes, das mich ganz aufwühlt. Es ist, als ob da etwas erwacht sei, was bisher geschlummert hat, als ob das Leben neu beginnen würde, als ob es sich erst jetzt lohnen würde, es zu riskieren. Liebe ist wie ein Aufblühen in der Sonne, wie verwurzelt und angeschlossen sein an eine immerzu sprudelnde Quelle. Man wird sagen: Aber die Liebe, die Jesus meint, ist doch etwas ganz anderes! Allzu oft hören wir: diese Liebe ist kein Gefühl, dem man sich hingibt, sondern ist Tat! Ist bei den Armen und Bedürftigen sein, heißt im Dienste anderer stehen und darin aufgehen! Es wäre verkehrt, den edlen und heroischen Einsatz für andere zu vergessen oder gar zu entwerten. Man muss alles dafür tun, um die Not, unter welcher heute Menschen in unserem Land leiden, vor allem, die welche zu uns kommen, zu lindern. Dies muss eine gute Politik leisten.
Noch wichtiger ist die Atmosphäre, in der man sich geborgen und beheimatet fühlt, wo man willkommen ist, wo man frei und offen aufeinander zugeht und gerne mit einander ins Gespräch kommt, wo Vertrauen und Verstehen wie selbstverständlich spürbar sind. Daran sollen die, welche nicht unseren Glauben haben, erkennen, dass wir Christen sind. Eine solche Atmosphäre kann nicht durch Verordnung, nicht durch Ermahnung und nicht mit gutem Willen allein hergestellt werden. Es braucht vielmehr die sprudelnde Quelle, die zum Fließen kommen sollte, und die Sonne, welche die Herzen heller macht.
Als Menschen, die an Christus glauben, sagen wir, es ist sein Geist, der in uns als eigentätige Macht wirkt, die unsere Stimmung verändert und uns antreibt. Am Anfang steht eine Erfahrung, ein Einbruch in ein sonst normal ablaufendes Leben, dann erst kommen die bewundernswerten Taten. So war es bei den großen Gestalten der christlichen Geschichte, so ist es wenn sich zwei Menschen verlieben. Vom heiligen Franziskus heißt es: „Nachdem ihn einmal die machtvolle innere Süße durchströmt hatte, lockte sie ihn weiter und weiter und verließ ihn das ganze Leben nicht mehr“. Alles, was man an dem Heiligen bewundert, kommt aus dieser Quelle, die mit dem Wort „Süße“ übersetzt wird. Eher könnte man sagen: Es war die Freude, die ansteckte, die Grundstimmung, die Menschen mit herein nahm und verwandelte. Es war wie ein Funke, der übersprang. Diese Vorgänge waren möglich, weil die Seele des Heiligen von der Nähe Gottes durchdrungen war. Er hat es gespürt, was Jesus als Wohnen Gottes bezeichnet hat. „Mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“ (Joh 14, 23).
Wir dürfen auch an den Text der Geheimen Offenbarung denken. Es ist die Rede vom Neuen Jerusalem als Bild der erlösten und vollendeten Welt. Noch mehr dürfen wir in den Edelsteinen, Kristall und Jaspis, im Leuchten Gottes in der Mitte der Stadt uns selbst sehen, wenn wir einmal von der absoluten Liebe durchdrungen sind. Es ist die große Kostbarkeit, ein Licht, das von innen her strahlt. Was wir in diesen Tagen von Gott erbitten: dass die Quellen der Seele wieder fließen, dass sie wieder ihre heilende und erfüllende Kraft spenden, dass es uns gelingt, die Schätze der Tiefe wieder zu entdecken.