1.Sonntag nach Weihnachten C
Fest der Heiligen Familie


1.Lesung Sir 3, 2-6.12-14 (3-7.14-17a)

Lesung aus dem Buch Jesus Sirach
2 Denn der Herr hat den Kindern befohlen, ihren Vater zu ehren, und die Söhne verpflichtet, das Recht ihrer Mutter zu achten.
3 Wer den Vater ehrt, erlangt Verzeihung der Sünden,
4 und wer seine Mutter achtet, gleicht einem Menschen, der Schätze sammelt.
5 Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den eigenen Kindern, und wenn er betet, wird er Erhörung finden.
6 Wer den Vater achtet, wird lange leben, und wer seiner Mutter Ehre erweist, der erweist sie dem Herrn.
12 Mein Sohn, wenn dein Vater alt ist, nimm dich seiner an, und betrübe ihn nicht, solange er lebt.
13 Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach, und beschäme ihn nicht in deiner Vollkraft!
14 Denn die Liebe zum Vater wird nicht vergessen, sie wird als Sühne für deine Sünden eingetragen.


2.Lesung Kol 3, 12 - 21

Die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Kolosser
12 Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld!
13 Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
14 Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht.
15 In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar!
16 Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade.
17 Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!
18 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt.
19 Ihr Männer, liebt eure Frauen, und seid nicht aufgebracht gegen sie!
20 Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem; denn so ist es gut und recht im Herrn.
21 Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden.


Evangelium Lk 2, 41 - 52

Sie fanden Jesus im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas                                           
41 Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem. 42 Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach.
43 Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der junge Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten.
44 Sie meinten, er sei irgendwo in der Pilgergruppe, und reisten eine Tagesstrecke weit; dann suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten.
45 Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn dort.
46 Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen.
47 Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten.
48 Als seine Eltern ihn sahen, waren sie sehr betroffen, und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.
49 Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?
50 Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte.
51 Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen.
52 Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.


Die Harmonie in der Tiefe

Auf den ersten Blick sieht die heilige Familie nicht gerade harmonisch aus. Da hat der heranwachsende Sohn einen nicht leicht zu nehmenden Konflikt verursacht. Wer eigene  Kinder hat, vermag leicht nachzufühlen, was es heißt, drei Tage in Sorge um das Liebste und  Wichtigste zu sein. Wir dürfen an die Eltern denken, deren Kind verschwunden ist. Erdrückende Angst, schlaflose Nächte, eine Anspannung zum Zerreißen, so dürfen wir beschreiben, was Eltern in einer solchen Situation mitmachen.                                                                             

Was die Familie von Nazareth anbelangt, ging es noch einmal gut aus, könnte man sagen. Aber es fällt auf, dass der, welcher die leidvolle Geschichte ausgelöst hat, kein Wort der Entschuldigung hervorbringt, seine Antwort sogar noch einen Vorwurf enthält. Hier fällt es schwer, den jungen Jesus als Vorbild zu sehen. Er war in dieser Situation alles andere als ein fügsames, braves Kind.
Hier beginnt eine Spur seines Lebens, die später zu einem großen Konflikt werden sollte. Sie ist in dem einen Satz ausgedrückt: „Sie verstanden nicht, was er sagen wollte“ (Lk 2,50). Er wurde nicht verstanden, nicht einmal von der eigenen Familie, nicht von den Leuten seines Dorfes, nicht von seinen Freunden und Bekannten, am wenigsten von der obersten religiösen Behörde. Die kurze Episode im Tempel ist eine Vorausnahme dessen, was später sein öffentliches Wirken und sein Ende ausmacht.

Um unser Verstehen zu wecken, ist folgende Überlegung wichtig. Es ist gar nicht so selten, dass Kinder in diesem Alter tiefgehende religiöse Erfahrungen, Ahnungen, Träume  sogar Visionen von ihrem zukünftigen Schicksal haben. Dazu liefert die Heilige Schrift einige Beispiele. Man denke an den kleinen Joseph, den Lieblingssohn des Stammvaters Jakob, der von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft, dort aber zum Herrscher und Retter des Landes und seiner Sippe wurde. Er hatte geträumt, dass Sonne und Mond und elf Sterne sich vor ihm verneigten. Ähnliches wird auch von manchen Heiligen berichtet. Es kommt auch in unseren Tagen vor, dass Kinder von völlig atheistischen Eltern in einer ganz außerordentlichen Weise zum Religiösen hingezogen sind und damit allgemeine Ratlosigkeit in der Familie auslösen.

Auf diesem Hintergrund dürfen wir durchaus annehmen, dass Jesus im Tempel, im Heiligtum Israels, von einer außergewöhnlichen Gottesnähe überwältigt wurde, dass in ihm die unmittelbare Einsicht erwachte, so mit Gott vertraut zu sein wie ein Kind mit einem  Vater. Dieses Erlebnis muss so stark gewesen sein, dass er alles um sich herum vergaß. Wir dürfen auch daran denken, dass bei Kindern, die ganz und gar in ein Spiel oder in eine Tätigkeit oder in eine Geschichte vertieft sind, die Welt um sie herum versinkt, gewiss nicht in diesem Ausmaß, wie es vom zwölfjährigen Jesus berichtet wird. Man wird mit Recht fragen: Was haben diese Erscheinungen mit dem Alltag einer ganz normalen Familie zu tun? Worin besteht das Heilige einer Familie?

Das Schlüsselwort ist Tiefe. Darin ist das Heilige verborgen und von dort geht die Wirkung aus. Damit ist gemeint: Ein Erlebnis geht einem so nahe und so tief, dass man es nicht mehr vergessen kann, dass es das Fühlen und Denken, sogar ein ganzes Lebenskonzept verändert. Was tief geht, hat Dauer. Von dieser Art war der Aufenthalt des jugendlichen Jesus im Tempel, das Ereignis bei seiner Taufe, als sich der Himmel öffnete, bei seinem Gebet auf dem Berg, als sein Gesicht wie die Sonne leuchtete. Es hat Dauer bis heute.

Übertragen wir dies auf die Liebe zweier Menschen, die zueinander gefunden haben und gemeinsam im Bund der Ehe ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder gestalten. Die Liebe ist die Macht aus der Tiefe, die größer ist als die normale Alltagsroutine, als denken in Schablonen, als eingesperrt sein in Zwängen; sie ist Gewalt von innen, die zwei überwältigt, so dass es ein Leichtes wird, miteinander denselben Weg zu gehen. Es geschieht mit ihnen etwas, das größer ist als sie selbst, stärker ist als Leere und Einsamkeit. Sie werden feinfühliger und behutsamer gegenüber allem, was sich im Hier und Jetzt ereignet, wie sie miteinander reden und umgehen. Dies geschieht genauso und noch mehr mit den  Kindern, die in dieser Atmosphäre aufwachsen. Die vorbildhafte, christliche Familie ist nicht die, welche unter dem Druck der hohen Ideale steht, dem dann die heranwachsenden Kinder zu entrinnen versuchen. Es ist vielmehr ein Klima der Nähe in Freiheit, wo die Eltern nicht voller Ängste über das Verhalten ihrer Nachkommen wachen und dafür Konflikte ernten. Wo Eltern aus innerer Sicherheit und Achtung die jungen Menschen in die Freiheit entlassen, wird so etwas wie ein innerer Kompass geweckt, der sie zum Richtigen führt. Es ist dies die alte Vorstellung vom Schutzengel, der sie begleitet.

Noch einmal: Das Heilige einer Familie äußert sich nicht in der ängstlichen Sorge um die religiösen Verpflichtungen oder um die Zukunft der Kinder. Es ist eher die Kraft, die aus der Tiefe der Verbundenheit kommt und ein Klima des Vertrauens schafft. Festigkeit und Dauer ergeben sich dann wie von selbst, weniger aufgrund des Treuschwurs vielmehr wegen der gegenseitigen Anziehung, Harmonie und Geborgenheit.            

Die Schilderung von Liebe dieser Art mag übertrieben, idealistisch und unrealistisch erscheinen. Sie ist möglich, wenn die Tiefe und Dynamik der geistigen Seele geöffnet wird. Es hat mit dem zu tun, was Jesus das Haus des Vaters nennt. Es ist die Quelle, aus der Jesus lebt und die auch uns offen steht