Die Angst geht um! 

Die Angst hat mich.
Die Nachrichten des letzten Jahres seitden wieder Krieg herrrscht  sind so aufregend, so erschütternd, dass sie politische Einstellungen umwerfen, alte Sicherheiten durchbrechen, Chaos und Verwirrung auslösen, aber auch Politiker und Völker einen und zur Entschlossenheit
zwingen. Hinter allem steht die Angst so gewaltig wie kaum in den letzten Jahrzehnten. Allein schon, wenn das Wort „Atom" fällt, lässt es das Blut in den Adern stocken, ganz gleich ob damit ein brennendes Kraftwerk, Waffen oder Krieg verbunden sind.
Vor uns steht die Aufgabe „Wie mit der Angst umgehen?" Bevor wir uns um eine Antwort bemühen, müssen wir feststellen: Nicht wir gehen um, sondern die Angst geht um! Nicht ich habe die Angst, sondern die Angst hat mich! „Da geht es um!" sagte man in früheren Zeiten von einem Ort, wo es einem unheimlich wurde. Man dachte an Gespenster, die uns jetzt lächerlich vorkommen, die aber heute genauso ihre Wirkung tun, wenn man sie als Ausdruck der Angst sieht. Die Abschaffung des Teufels, womit sich renommierte Theologen große Mühen gaben, hat nicht das gebracht, was man erhoffte, hat die Angst nicht beseitigt. Sie kann nach wie vor wesentlich die Atmosphäre bestimmen, gerade in diesen Tagen des Krieges. Im kleinen Kreis und im Alltag kann man beobachten: Gesichter und Gespräche erstarren, nur noch das Nötigste wird gesagt, Gefühle sind wie eingefroren. Statt Vertrauen herrschen Vorsicht und Misstrauen. Man kann von einer Art Eiszeit sprechen in den Beziehungen, die scheitern, in den Familien, die zerbrechen, auch im kirchlichen Raum, wo Meinungen unversöhnt aufeinanderprallen, wo die Liebe erkaltet ist. Hinter finsteren Blicken sitzt die Angst. Gerade zu dem Menschen, der einem am nächsten steht, traut man sich nicht zu sagen, was einem auf der Seele brennt aus Angst, den anderen zu verletzen, ihn zu verlieren oder in einen Konflikt zu geraten, bei dem man immer den Kürzeren zieht. So ist man eingeschüchtert und sieht die Wirklichkeit verzerrt. Die Trennung wird oft zum einzigen Ausweg, Verbitterung und Zorn bleiben.
Zu sagen „Die Angst hat mich," statt „Ich habe Angst" heißt: Sie ist eine autonome Macht, welche ganz gewöhnliche Menschen, ebenso Politiker, selbst die mächtigsten, und ganze Völker gefangen nimmt. Mit dieser Einsicht haben wir uns ein Stück von der Gewalt distanziert und haben die Aufgabe, das eigene Ich zu stärken, wie immer es möglich ist, um der Macht zu widerstehen.
Schutzräume
Wie kann man sich gegen diese Macht schützen?
Es ist ähnlich wie bei den Angriffen im Krieg. Man muss sichere Räume aufsuchen. Gegen die Angst brauchen wir schützende Erlebnisräume. Gut ist es, wenn uns Menschen einfallen, zu denen wir Vertrauen haben, aus unserem Freundeskreis oder auch von anderswoher. Entscheidend ist, dass wir sagen können, was uns schlaflos macht, was niemand erwartet hat, womit man alle enttäuscht, was einer Niederlage gleicht. Ein solcher Fall ist, wenn es in der Ehe nicht mehr stimmt, gerade wenn man sich in einer vorbildhaften, (kirchlichen) Position befindet. Wem kann ich sagen, dass wir uns wahrscheinlich trennen müssen? Vertrauensvolle Gespräche fassen den treibenden Grund der Angst in konkrete Worte, decken Ursachen und Zusammenhänge auf, stärken das Selbstwertgefühl gegen verletzende Vorwürfe und entwertende und entwürdigende Angriffe. Sie bringen Erleichterung gegen den inneren Druck und rücken die Probleme etwas von einem weg. Die Angst bekommt einen fassbaren Namen und verliert etwas von ihrem Besitz ergreifenden Charakter. Sie hat uns nicht mehr so fest im Griff. Personen, bei denen solche Erfahrungen möglich sind, sind nicht in jedem Bekanntenkreis zu finden. Es wird auf die psychologische Beratungsstelle verwiesen. Von der langen Wartezeit abgesehen tauchen viele von Angst geschürte Widerstände auf. „Wer zum Psychologen geht, ist doch nicht mehr normal" denken die andern oder man glaubt, dass sie so denken. Die Angst selbst ist es, die sich ihrer Überwindung entgegenstellt. Weniger Hemmung herrscht gewöhnlich, wenn der/Ansprechpartner/in im Rahmen der Seelsorge zu finden ist, eine Person, der/die nicht unter dem Titel Psychologie agiert, aber doch therapeutisch gebildet ist. Es kann aber auch umgekehrt sein, dass man eher einen qualifizierten Psychotherapeuten in Anspruch nimmt selbst bei hohen Kosten, als dass man bei der kirchlichen Seelsorge sucht. Entscheidend sind bei allen Titeln des/des Beraters/in Einfühlung, Wertschätzung und Echtheit. Auf diesem Gebiet ist jede/r auf diesem Gebiet Tätige sein/ihr eigenes Instrument.
Ein fester Standpunkt
Nach einem gelungenen Gespräch gehen Hilfe Suchende anders weg. Sie haben für eine Auseinandersetzung und Entscheidung einen festen Standpunkt gefunden. Dies wird auch in der Körperhaltung sichtbar. Man sieht sie aufrechter, nicht mehr so bedrückt und gebeugt wie unter einer zentnerschweren Last. Die Überwindung der Angst kann auch mit der Körperhaltung beginnen, indem man sich einmal Zeit nimmt, sich bewusst hinstellt und sich fragt: Wie stehe ich da? Je mehr ich den Kontakt unter den Füßen spüre, je mehr ich mit der Erde verbunden bin, je mehr ich einen festen Standpunkt im wörtlichen Sinn habe, umso mehr richtet sich der Körper auf, werde ich aufgerichtet, stehe ich aufrecht und werde auch aufrichtiger. Dieselbe Wirkung hat auch das Sitzen. Es ist hilfreich für den Körper wie für die innere Einstellung, am Schreibtisch eine aufrechte Haltung einzunehmen und die Unterlage bewusst wahrzunehmen. Es ist weniger ermüdend, beugt gegen Rückenschmerzen vor und stärkt das seelische Immunsystem gegen die Angst.
Am intensivsten ist diese Erfahrung beim Sitzen im Stile des Zen. Weil diese Form der Meditation vom Buddhismus kommt, tauchen bei manchen massive Ängste auf. Man muss aber nicht an Buddha glauben, sondern nur mit untergeschlagenen Beinen aufrecht sitzen und seinen Atem wahrnehmen. Die Wirkung sieht man daran, dass Teilnehmer mit freudigen Gesichtern, gestärkt für den Alltag den Kurs verlassen.
Kinderängste
Auf Schutzräume gegen die Angst sind als allererste unsere Kinder angewiesen.
Entscheidend ist, wie weit die nächsten Bezugspersonen, Mutter, Vater, Oma selbst gegen die Angst gefestigt und wie tief sie mit dem Kind verbunden sind. Ganz wichtig ist dabei der körperliche Kontakt, der nur dann wirkt, wenn er aus dem Innersten kommt, mit Lust von beiden gewollt wird. Ein wesentlicher Punkt ist, ob Kinder über alles reden dürfen, was sie außen oder im Fernsehen gesehen und erlebt haben, ob dazu die nötige Zeit und das Verständnis gegeben ist und keine Sanktionen zu erwarten sind, wenn etwas schiefgelaufen ist. Ob dies alles möglich ist, hängt davon ab, inwieweit die Ausstrahlung von Bejahung und Sicherheit der Eltern reicht.
Ängste der Kinder sind die Ängste der Eltern, sie kommen hauptsächlich davon. Mutter und Vater sollten mit ihren ganz eigenen anfangen. Dies wird sich auf die Kinder auswirken. Für Konkrete Ratschläge für Sorgen und Ängste der Kinder gibt es die Nummer gegen Kummer- ein telefonisches Beratungsangebot 116 111.

Rosenkranz und Wallfahrt gegen die Angst
Für gläubige Menschen war und ist es immer noch das Gebet das Mittel gegen die Angst. In der Zeit, als Europa von den Türken bedroht wurde, hat man besonders das Rosenkranzgebet gepflegt. Man verehrte die Schutzmantelmadonna. Das Lied „Maria breit den Mantel aus" entstand damals. Man war überzeugt, dass der Sieg bei Lepanto 1571 dem Rosenkrangebet zu verdanken ist. Für die Kritischen unserer Zeit ist dies nicht mehr nachvollziehbar. Ganz gleich, wie man darüber denkt, das Rosenkranzgebet und die Vorstellung vom Schutzmantel haben die Angst verringert. Das gemeinsame Rezitieren beruhigt, schafft Konzentration und Sicherheit. Dieser Effekt machte das Rosenkrangebet so beliebt und es wurde als innerer Zufluchtsort bei Gefahren gepflegt. Keineswegs ist damit das Wirken einer höchsten Macht geleugnet. Sie führt uns in den inneren Prozessen, auch wenn wir in unseren Anliegen scheinbar nicht erhört werden.
Seit alten Zeiten unternehmen Gläubige eine Wallfahrt gegen Sorgen und Nöte. In den letzten Jahrzehnten wurde die Fußwallfahrt neu entdeckt und als äußerst bereichernd erfahren. Wer tagelang nur seine Füße auf der Erde spürt, weiß, was Bodenkontakt bedeutet. Er hat gelernt aufzutreten und einen festen Standpunkt einzunehmen im ganz wörtlichen und auch im übertragenen Sinn
Der Glaube gibt dem Gebet die Motivation, die Tiefe und den Ernst.
Wie ist es aber, wenn man dazu keinen Zugang hat? Wenn man nicht beten kann? Der Schauspieler Joachim Fuchs klagte, als er seinen Sohn auf tragische Weise verloren hatte: „Wenn ich doch jetzt an Gott glauben könnte, aber ich kann es nicht."
Man hätte ihm ein gelingendes Trauergespräch gewünscht. Darin geht es darum, in einer angstfreien, vertrauensvollen Atmosphäre den Verlust noch einmal zu würdigen, den Schmerz und die Tränen zuzulassen. Wie von selbst steigt von einer ganz anderen Seite heilende, tröstende Kraft auf. Personen, die mit verweintem Gesicht das Zimmer betraten, haben es mit entspanntem, gelöstem, oft sogar lächelndem Gesicht verlassen. Dies ist meine Erfahrung langer Jahre therapeutischer Seelsorge.
Der explizite Glaube an Gott ist nicht die Voraussetzung. Jede/r kann kommen oder bei der Telefonseelsorge anrufen. Die Trauer kann jedoch ein Weg zu Gott werden.
Besser ist es deshalb mit dem zu beginnen, was Menschen bedrückt und sie zu dem zu führen, worin sie Gewissheit haben. Dies ist in den meisten Fällen im Augenblick nur der Schmerz. Ihn bewusst auszuhalten und anzunehmen, schafft Sicherheit. Andererseits ist es gerade die Schmerzvermeidung und die Abwehr tieferes Gefühl, welche die Angst am Leben erhält. Wer jedoch den Problemen bewusst ins Auge schaut, sich davon treffen lässt und sich damit auseinandersetzt, wird die Energie und Dynamik erfahren, welche die Angst vertreibt. Es sei darauf hingewiesen. Die beiden Begriffe kommen von den altgriechischen Wörtern energeia und dynamis.
Sie sind Bezeichnungen für das Wirken des Heiligen Geistes. ( Eph.1,19-20); Apg.1,8) Energie und Dynamik sind damit Urworte des Christentums und genau das, was uns fehlt.

 

Array