23.Sonntag C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

 

1.Lesung Weish 9,13-19

2.Lesung Phlm 9b-10.12-17

Evangelium Lk 14,25-33

 

Die Nachfolge Jesu - das überhörte Wort

Jesus fordert heute den vollen Verzicht auf unseren Besitz. Er scheint ein Maß anzulegen, das nur auf ganz wenige zugeschnitten ist. Kann das der Wille Gottes sein, dass wir es so machen wie Klaus von Flüe, der seinen Hof, Frau und Kinder verließ und seinen mystischen Erfahrungen nachging? Sollen wir von heut auf morgen unseren ganzen Besitz aufgeben, den wir uns mühsam erworben haben, den wir doch für unsere Familie brauchen?

Es wird der Eindruck erweckt, als ob die Nachfolge Jesu als erstes aus Opfer, Anstrengungen und Höchstleistungen bestünde. Es kam in der Geschichte der Kirche sogar soweit, dass man die Strenge als solche als Kennzeichen der Nachfolge ansah.

Noch dazu hören wir den Satz: „Erst wer Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern ja sich selbst gering achtet, kann mein Jünger sein"(Lk14,26). Dabei ist die Aussage durch die Übersetzung schon etwas abgemildert. Im Urtext heißt es sogar „wer Vater und Mutter nicht hasst."(Lk14,26). Es wird verständlich, dass die allermeisten um das Wort „Nachfolge" einen großen Bogen machen. Es gilt, einige Missverständnisse auszuräumen. 

Am Beginn des heutigen Textes lesen wir: „Viele Menschen begleiteten ihn"(Lk14,25). Der Grund war, dass sie von ihm zuinnerst angezogen waren und in ihnen eine große Hoffnung geweckt war. Wir dürfen an das Wort Jesu denken: „Kommt alle zu mir, die ihr voll Mühsal seid und unter Lasten stöhnt. Ich will euch aufatmen lassen."(Mt 11,28). Menschen, die Jesus begegneten, verspürten ein großes Aufatmen, ein wie ein volles Ja zu sich selbst, zu ihrer Geschichte mit allen Verwicklungen, ein Verständnis für ihre Not und Ausweglosigkeit. Von einigen wird berichtet, dass sie vor Freude und Glück weinten, dass sie erschüttert waren von dem, was geschehen war, und dass sich ihr Leben total verändert hat. Es sei an die Frau erinnert, die als Sünderin galt und Jesus aus Dankbarkeit die Füße salbte, ebenso an den Zöllner Zachäus, der wie von selbst zum Entschluss kam, seinen Reichtum aufzugeben. Herausgestellt werden in besonderer Weise die Personen mit den anrüchigen Berufen, welche außerhalb der guten Gesellschaft stehen, und die Kranken, die Aussätzigen und Besessenen, denen Jesus ihr Leben zurückgab. Solche waren es, die Jesus nachfolgten und - wir dürfen hinzufügen- noch viele andere, die sich anschlossen. Sobald aber es viele werden, zieht die Masse auch solche an, die nicht die Tiefe und Einzigartigkeit einer Begegnung mit dem Meister erfahren haben, die sich von der Menge getragen wissen und sich in einem wohligen Gefühl gerne baden.

Diesen Hintergrund müssen wir sehen, wenn wir die schroffen Worte Jesu verstehen wollen. Der Meister spricht eine Warnung aus: Wer mein Schüler sein will, wer wie ich der Spur Gottes nachgehen will, wird auch mit Konsequenzen konfrontiert, die sehr hart sein können. Er muss sich auf Überraschungen gefasst machen. Er muss nicht von heute auf morgen absichtlich seine Eltern, Freunde und eigenen Kinder ablehnen. Aber es kann dazu kommen, dass er von den engsten Vertrauten nicht mehr verstanden wird und gegen deren Willen seine ganz eigene Überzeugung durchsetzen muss. Wer eine tiefere Gotteserfahrung erlebt hat, wird für die Menschen seiner Umgebung anders. Er gilt als eigenwillig, in manchen Fällen sogar als verrückt. Er passt in den herkömmlichen Rahmen, wie man denkt und sich zu verhalten hat, wie man fromm und religiös ist, nicht mehr hinein. In den Augen der guten Gesellschaft kann er zum großen Ärgernis werden, zum Fall X, der Schlagzeilen macht, über den man diskutiert oder nur abfällig redet.

Es lassen sich Beispiele anführen, die wir heute glorifizieren, die aber im Augenblick, als sie auffällig wurden, der Skandal der Familie, des Dorfes oder der Stadt waren und alles andere als bewundert wurden. Es sind nicht nur Heilige aus fernen Zeiten. Zu nennen ist hier der österreichische Bauer Franz Jägerstätter, der den Krieg Deutschlands gegen andere Völker als Verbrechen erkannte, sich weigerte, daran teilzunehmen und deshalb hingerichtet wurde. Er musste Frau und Kinder zurücklassen. Seine Entscheidung war in den Augen seiner Landsleute keineswegs eine heroische Tat, sondern eher Feigheit, Drückebergerei, Versponnenheit. Seine Frau bekam keine Unterstützung als Kriegerwitwe, er selbst nur unter großen Widerständen die Ehrung eines Gefallenen.

Letzter Grund, warum dieser aufrechte Mann wie viele andere bei ihren eigenen Verwandten und Bekannten kein Verständnis finden, ist die Kluft, die sich zwischen denen auftut, die von Gott unmittelbar ergriffen sind und denen, die eine solche Erfahrung nicht kennen. Es geht um die emotionale und spirituelle Trennlinie, die das neue Denken nach sich zieht. Hier darf es keine Kompromisse geben, sonst wird das Ganze verwässert. Dies wollte Jesus in aller Schärfe zum Ausdruck bringen. Er selbst musste bei seinem Auftreten in seiner Heimat erkennen, dass seine ehemaligen Freunde und Bekannten, sogar seine Familie ihn nicht verstanden. Der Weg Jesu gehört zu den Entscheidungen, die den vollen Einsatz verlangen. Dies gilt wie selbstverständlich von der Liebe zweier Menschen. Jedermann weiß, dass Halbheiten auf diesem Gebiet die nächste Krise mit sich bringen. So wollte es auch Jesus verstanden wissen, wenn er das Bild vom Turmbau und vom Kriegszug verwendet. Es braucht den ganzen Menschen, ohne Vorbehalt, ohne Neben - absichten, ohne Rückversicherung, damit einem das als kostbarer Lebensinhalt aufgeht, was er mit „Jünger-sein" meint.

Um noch einmal einen Zugang zu den hart klingenden Worten Jesu zu öffnen: Die „Nachfolge Jesu" beginnt nicht damit, dass wir Höchstforderungen zu erfüllen versuchen, vielmehr dann, wenn wir in eine Atmosphäre eintauchen, wo wir aufatmen dürfen, entlastet werden und die Tiefe der Seele zulassen. Es kann uns so treffen, dass alle bisherigen Vorstellungen von wichtig und unwichtig, sogar von richtig und falsch umgekehrt werden. Wenn wir uns so dem Wirken Gottes öffnen, kommen wir Jesus nahe und es wird eher möglich, ihm zu folgen.