Mariä Aufnahme in den Himmel

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott


1.Lesung Offb 11, 19a; 12, 1-6a.10ab

2.Lesung 1 Kor 15, 20 - 27a

Evangelium Lk 1, 39 - 56

Der Mächtige hat Großes an mir getan: er erhöht die Niedrigen

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
39 In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt 42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
46 Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn,
47 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
48 Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
49 Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.
50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
51 Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
52 er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,
55 das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
56 Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.

Der Himmel ist in dir.

„Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen” war einst das Schlagwort derer, die sich als kritisch Denkende bezeichneten, als solche, welche finsteren Aberglauben und mittelalterliche Vorstellungen überwunden zu haben glaubten. Im Grunde denken in unseren Tagen die meisten so. Es ist die Kritik an der bestehenden Religion, die erst heute voll und ganz durchschlägt; Der Himmel ist für die Menschen unserer Tage leer geworden. Zwar kreisen dort die Satelliten, aber da ist kein Christus mehr, der seine Mutter liebevoll aufnimmt und kein Gott-Vater mehr, der die Tochter freudig begrüßt, und kein Heiliger Geist, der sich auf Maria niederlässt, wie es in vielen Kirchen zu sehen ist. Man könnte noch hinzufügen: für den Modernen lacht auch die Sonne nicht mehr, dürstet die Erde nicht mehr nach Regen, wecken die Wolken keine Sehnsucht, gibt es statt des Himmels nur noch den bloßen, eiskalten Weltraum. Der Himmel hat seine Seele verloren, so könnte man sagen.

Mit dem  Lebensziel „Himmel“ kann man kaum noch jemand ansprechen oder interessieren. Was nach dem Tod kommt, darüber macht sich kein vernünftiger Mensch, wie man meint, Gedanken. Als vor mehr als 60 Jahren Papst Pius XII die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete, folgte ein Sturm der Entrüstung. Kaum ein Ereignis hat die sogenannte gebildete Welt so herausgefordert und gereizt wie dieser Glaubenssatz. Das Missverständnis ist, als müssten wir Dinge glauben, die offensichtlich unmöglich sind, an den blauen Himmel über uns, der von Engeln und Heiligen bevölkert ist, in dem Gott ganz wörtlich auf seinem Thron sitzt. In Wirklichkeit geht es um Bilder einer anderen Welt, die in der Tiefe des eigenen Herzens zu finden sind. Dazu soll an das Wort des Mystikers Angelus Silesius erinnert werden:  „Der Himmel ist in dir! Suchst du ihn anderswo, du fehlst ihn für und für”. Er weiß, was er sagt. Es gibt Szenen in jedem Menschenleben, in denen sich der Himmel öffnet. Es sind die Sternstunden, für die sich alles Sehnen und Hoffen, alle Mühen und Leiden lohnen. So ist es, wenn zwei Menschen ihre Liebe entdecken, oder wenn diese Liebe reiche Frucht getragen hat. Auch von Jesus wird erzählt, dass sich für ihn der Himmel aufgetan hat. Es war bei seiner Taufe im Jordan, als er das Wort vom „geliebten Sohn“ hörte und nur noch Liebe spürte. Es sollte uns deutlich werden: Das Wort „Himmel“ ist eine Umschreibung für das, was uns am kostbarsten und wichtigsten ist, was uns zutiefst berührt. Man könnte auch dafür sagen: er ist das Glück, das aus unserem Herzen kommt und die Herzen der andern erreicht. Wenn wir sagen: der Himmel lacht, meinen wir in Wirklichkeit: unser Herz lacht vor Freude. Hier kommen wir zu einer scheinbar recht naiven aber doch sehr tiefgründigen Darstellung des heutigen Festes. Auf vielen Altarbildern sehen wir eine jugendliche Frau, von Engeln getragen nach oben schweben. Oben sieht man Gott-Vater, wie er lacht. Es ist ein Lachen, das den ganzen Himmel ansteckt und die Herzen der Betrachter. Es ist die Freude des Urgrunds, die unerschöpflich ist, die sich verströmt, die auf dem  Gesicht von Christus widerstrahlt. In dieser Freude breitet er seine Arme aus, um sie um seine Mutter zu schließen. Vater und Sohn halten eine Krone, um sie Maria aufs Haupt zu setzen. Der Heilige Geist schwebt als Taube über der Szene in der Absicht, sich niederzulassen und alles neu zu machen. Unten ist das leere Grab, umgeben von den 12 Aposteln, mit Rosen bedeckt. Die Jünger Jesu sind hingerissen von dem Wunder, das mit Maria geschehen ist. Sie können sich nicht fassen vor Freude, dass ein Mensch das Grab verlässt und nach oben getragen wird. Es ist ähnlich wie bei Jesus, der in der allerletzten Szene auf dem Ölberg  von dieser Erde emporgehoben wird. Auch dort  heißt es: „Sie kehrten mit großer  Freude nach Jerusalem zurück“ (Lk 24,52). 

Bleiben wir bei der Vorstellung, dass wir emporgehoben werden und nicht in einen bodenlosen Abgrund fallen. Damit verbindet sich die Gewissheit, dass wir aufgehoben sind, sogar sehr gut, mit unserer Sehnsucht nach Leben, nach Erfüllung, nach Überwindung von  Angst und Einsamkeit. Es sind menschliche, vielleicht allzu menschliche Bilder von einem Geschehen, das wir nie angemessen in Worte fassen können. Aber es sind Bilder der menschlichen Seele, Ausdruck dessen, was mit uns sein wird und sich schon ereignet. Es sind nicht nachgestellte Aufnahmen eines historischen Vorgangs, sondern Symbole der letzten Dinge. Sie wollen verschlüsselt die Antwort geben auf die Frage: Was kommt auf mich zu? Wer erwartet mich?

Lassen wir noch einmal die Vorstellung auf uns wirken: Am Ende von allem, wenn nichts mehr hält und alles zerbricht, ist jemand, der sich freut, dass wir kommen, jemand, der uns in die Arme schließt, jemand, der alles neu macht und uns die Jugend wiedergibt. Und es ist nicht nur einer, es sind viele, gerade die, die uns am nächsten  sind. Um den Einwänden von Himmelfahrt noch einmal gerecht zu werden, dürfen wir sagen: Es geht um Umschreibungen einer Wirklichkeit, die wir nur in Bildern und Gleichnissen darstellen können und die wir nur dann voll begreifen, wenn wir sie erfahren haben.