3. Sonntag im Jahreskreis B             24.01.2021

 

Aufbruch zum Reiche Gottes

Es sind nicht nur die schlechten Christen, die mit ihrer Kirche unzufrieden sind. Wenn Gott in die Geschichte der Menschen eintritt, haben wir das Recht, Großes zu erwarten.

Eröffnungsvers

            Ps 96 (95), 1.6

Singet dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Lande!

Hoheit und Pracht sind vor seinem Angesicht,

Macht und Glanz in seinem Heiligtum!

 Ehre sei Gott  

Tagesgebet

Allmächtiger, ewiger Gott,

lenke unser Tun nach deinem Willen

und gib,

dass wir im Namen deines geliebten Sohnes

reich werden an guten Werken.

Darum bitten wir durch ihn, Jesus Christus.

 

 ERSTE Lesung

Jona 3, 1 - 5.10

Die Leute von Ninive wandten sich von ihren bösen Taten ab

Lesung aus dem Buch Jona

1Das Wort des Herrn erging an Jona:

2Mach dich auf den Weg, und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr all das an, was ich dir sagen werde.

3Jona machte sich auf den Weg und ging nach Ninive, wie der Herr es ihm befohlen hatte. Ninive war eine große Stadt vor Gott; man brauchte drei Tage, um sie zu durchqueren.

4Jona begann, in die Stadt hineinzugehen; er ging einen Tag lang und rief: Noch vierzig Tage, und Ninive ist zerstört!

5Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus, und alle, Groß und Klein, zogen Bußgewänder an. 

10Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus.

Antwortpsalm           

Ps 25 (24), 4-5.6-7.8-9 (R: 4)

 

            R Zeige mir, Herr, deine Wege,

GL 170, 1 oder 528, 1)

          lehre mich deine Pfade! - R

 

 

4         Zeige mir, Herr, deine Wege,

III. bzw. I. Ton

          lehre mich deine Pfade!

5        Führe mich in deiner Treue und lehre mich;

          denn du bist der Gott meines Heiles.

            Auf dich hoffe ich allezeit. - (R)  

6         Denk an dein Erbarmen, Herr,          

            und an die Taten deiner Huld;

          denn sie bestehen seit Ewigkeit.

7        Denk nicht an meine Jugendsünden und meine Frevel!

          In deiner Huld denk an mich, Herr, denn du bist gütig. - (R)

8         Gut und gerecht ist der Herr,

          darum weist er die Irrenden auf den rechten Weg.

9        Die Demütigen leitet er nach seinem Recht,

            die Gebeugten lehrt er seinen Weg. - R

 

 

 

ZWEITE Lesung 

1 Kor 7, 29-31

 

Die Gestalt dieser Welt vergeht

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther

29Ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine,

30wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer,

31wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.

 

 

 

Ruf vor dem Evangelium 

Halleluja. Halleluja.

Das Reich Gottes ist nahe.                                                                                Vers: Mk 1, 15

Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

Halleluja.

  

Evangelium      

Mk 1, 14-20

Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

 

14Nachdem man Johannes den Täufer ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes

15und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

16Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer.

17Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.

18Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.

19Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her.

20Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

Der Aufbruch  zum Reich Gottes

Es fällt schwer, dem Bericht des Markus zu folgen, in dem sich vier Männer aus ihrer Arbeit reißen lassen, sogar ihren Beruf aufgeben und das nur auf das Wort eines Fremden. Da wird nichts von einschneidenden Erlebnissen erzählt, von inneren Kämpfen um die rechte Entscheidung, von schlaflosen Nächten. Es sieht gerade so aus, als ob es selbstverständlich und einfach sei, gewachsene Beziehungen, sogar Verpflichtungen gegenüber den eigenen Angehörigen beiseite zu lassen und etwas Neues zu beginnen. Dieses "Sofort" (Mk 1,18), mit dem die ersten Jünger auf Jesus reagieren, ist nicht so leicht zu verstehen. Eines können wir eher nachvollziehen, dass Jesus bei den Fischern einen unvergesslichen Eindruck hinterlässt, so gewaltig, so unverkennbar neu und einmalig, dass ihre bisherige kleine Welt der Familie, des Dorfes, des Sees, der Leute  mit ihrem Gerede, aufgebrochen wird. In der Nähe dieses Mannes, der ganz anders ist als die Leute im Dorf, als die Gelehrten der Schrift, selbst als Johannes der Täufer  tut sich plötzlich etwas auf, das sie noch nicht begreifen können, aber das sie fasziniert.  Hinter den Worten „Kommt, folgt mit nach!" (Mk 1,17) muss eine umwerfende Kraft sein, die ihr bisheriges Leben in Frage stellt. Beglückt, voll gespannter Erwartung sind sie, gewiss auch mit einem Stück Angst  vor dem Abenteuer, auf das sie sich da einlassen. So beginnt das, was wir gewöhnlich "Nachfolge Christi" nennen.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           In unserer Zeit hat dieses Wort seine Faszination verloren, ebenso wie „Reich Gottes" und „Evangelium". Ursache könnte sein, dass diese Begriffe leer geworden sind und allzu sehr im Gewand einer erstarrten Tradition an uns herangetragen werden. Evangelium - Frohbotschaft - verbindet sich mit der Vorstellung, wir müssten uns über etwas  freuen, wonach uns gar nicht zumute ist.  Als Jesus davon sprach, war es etwas ganz anderes. Das „Reich Gottes" war unmittelbar zu spüren.Jesus selbst ist das Reich Gottes. Es war eine Atmosphäre so dicht und beglückend, dass alle nur noch staunten. Man konnte ihm Stunden, ja Tage lang zuhören ohne an das Essen zu denken. Man erzählte es weiter auf dem Markt, in den Dörfern, in den Städten. Sie kamen von überallher, um seine Nähe wahrzunehmen, sie drängten sich um ihn und wollten ihn berühren. (Mk2,7-10). Es war alles anders als sonst. Alles Schwere fiel ab, wenn man ihm in die Augen sah. Dies geschah besonders bei denen, die vom Leid gezeichnet waren, die Kranken,  die Behinderten, die Ausgegrenzten, die nach Anerkennung und Liebe Hungernden. Das ganze Land horchte auf. Selbst der König wurde aufmerksam, geriet ihn Unruhe und  hätte ihn gerne gesehen ( Mk 6,14: Lk 9,7-9).                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Heute scheint diese Dynamik, die einst von Jesus und seiner Botschaft aus ging, erloschen zu sein. Man verabschiedet sich vom Christentum wie von alten Kleidern, die einem zu eng geworden sind.                  An die „Nachfolge Jesu", die einst Tausende angezogen hat, ist gar nicht zu denken!  Es hat den Anschein, sie bestünde darin, sich auf eine erstarrte Lebensweise einzulassen mit Personen, die irgendwie aus der Zeit gefallen sind. Warum soll man sich den Mut zum Eigenen nehmen  lassen und mit gebremster Kraft den Rest des Lebens verbringen? So denken wohl viele,wenn  sie das Wort von der Nachfolge hören.

 Das Missverständnis könnte nicht größer sein. Nie war es im Sinne Jesu, blindlings das eigene Denken und den eigenen Willen einem andern, einer Gruppe oder einer noch so geheiligten Institution zu überlassen.  Denn die Art, wie die ersten Jünger handelten, war ja gerade das Gegenteil: Sie verließen eine festgefügte Welt und wählten ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Es war der Abschied von der Tradition, nicht das Aufgehen in ihr. Gewiss dürfen wir deren Wert, deren Überzeugungen und Lebensgewohnheiten, die Einbindung in die Familie, den Kreis von Bekannten, eines Dorfes oder einer Kleinstadt, einer religiösen Gemeinde nicht unterschätzen. Sie geben uns Richtung und Halt. Aber eine Tradition kann auch ermüden, das heißt die sinngebende Kraft verlieren; sie kann zu eng werden für das Neue, Impulsive eines Lebens und für die  Mannigfaltigkeit und die Breite menschlicher Schicksale, sowohl für die Not als auch für das Glück. Sie kann zum Feind alles Lebendigen werden, sogar zum Feind des Reiches Gottes, wenn sie keinerlei Fragen zulässt, die Menschen bewegen. Wenn alles bis ins Kleinste vorgedacht und geregelt ist, wenn schon die Antworten aus der Schablone auftauchen für Fragen, die in ihrer Bedeutung noch gar nicht richtig gestellt wurden - dann schnürt eine Tradition das Leben ab und gibt dem Wirken Gottes keine Chance.                                                                                                              Denn hinter dem, was als Aufstand, als Ungebührlichkeit, als zornige Ablehnung erscheint, könnten bei kluger und einfühlsamer Betrachtung der Wunsch und die Absicht erkannt werden, sich nach Gott auszustrecken.    Jesus hat darüber ein sehr deutliches Wort gesagt: "Zöllner und Dirnen kommen eher in das Reich Gottes als ihr" (Mt 21,31). Es sind die Eiferer für das Gesetz, für das Althergebrachte, die Jesus nicht verstehen und ihn ablehnen. Wer sich seiner selbst und seiner Religion so sicher ist wie die Frommen der Tradition, wer nie die Not, den Hunger und den Schrei nach Gott in sich und in den Menschen um sich gespürt hat, hat auch keine Ahnung von dem, was Gott uns schenken will. Jesus will nicht den Beruf der Zöllner und Dirnen loben, sondern deren Bereitschaft, von ihm das Entscheidende anzunehmen. Es ist ihre Not, die sie dem Reich Gottes öffnet, nachdem sie aus den vorgeformten Bahnen der guten Gesellschaft herausgeschleudert wurden oder nie dahin gefunden hatten..

Das sonst so fremde Wort „Reich Gottes" gewinnt dann in unserem Leben Gestalt, wenn wir den ganz neuen, ungewohnten Ansatz begreifen: Er hat damit zu tun hat, dass wir uns der Situation, in der wir stehen, ganz persönlich stellen, ohne uns hinter Titel, Konventionen und  guten Beziehungen zu verstecken. So kann eine bedrückende Not, die uns als ganze Person ohne Wenn und Aber herusfordert, zur großen Chance werden, um das Wort vom Reiche Gottes neu mit Leben zu füllen. Es kann   ein Einstieg in ein ungewohntes Denken mit den allergrößten Überraschungen werden. Die Kraft Jesu, welche die ersten Jünger erfuhren, kann sich auch uns öffnen und  uns über den engen Rahmen der vorgegebenen Tradition hinaustragen. Wer sich auf diesen Weg einlässt, wird auch die alten Quellen aus der Geschichte seiner Religion wieder entdecken; denn auch diese waren einst neue Aufbrüche.                                                                                                      

Gabengebet

Herr,nimm unsere Gaben an und heilige sie,damit sie zum Sakrament der Erlösung werden,das uns Heil und Segen bringt.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Kommunionvers    

Ps 34 (33), 6

Blickt auf zum Herrn, so wird euer Gesicht leuchten, und ihr braucht nicht zu erröten.                                                                                                                                                                                     SCHLUSSGEBE

Allmächtiger Gott,in deinem Mahl schenkst du uns göttliches Leben. Gib, dass wir dieses Sakrament. immer neu als dein großes Geschenk empfangen und und aus seiner Kraft leben.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

 

 
 
1.Lesung Jona 3, 1 - 5.10

Die Leute von Ninive wandten sich von ihren bösen Taten ab

Lesung aus dem Buch Jona
1 Das Wort des Herrn erging an Jona:
2 Mach dich auf den Weg, und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr all das an, was ich dir sagen werde.
3 Jona machte sich auf den Weg und ging nach Ninive, wie der Herr es ihm befohlen hatte. Ninive war eine große Stadt vor Gott; man brauchte drei Tage, um sie zu durchqueren.
4 Jona begann, in die Stadt hineinzugehen; er ging einen Tag lang und rief: Noch vierzig Tage, und Ninive ist zerstört!
5 Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus, und alle, Groß und Klein, zogen Bußgewänder an.
10 Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus.


2.Lesung 1 Kor 7, 29 - 31

Die Gestalt dieser Welt vergeht

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther
29 Ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine,
30 wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer,
31 wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.
 
 
Evangelium Mk 1, 14 - 20

Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
14 Nachdem man Johannes den Täufer ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes
15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!
16 Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer.
17 Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
18 Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
19 Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her.
20 Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

 

Abschied von der Tradition

Es fällt schwer, dem Bericht des Markus zu folgen, nach dem sich vier Männer aus ihrer Arbeit reißen lassen, sogar ihren Beruf aufgeben und das nur auf das Wort eines Fremden. Da wird nichts von einschneidenden Erlebnissen erzählt, von inneren Kämpfen um die rechte Entscheidung, von schlaflosen Nächten. Es sieht gerade so aus, als ob es selbstverständlich und einfach sei, gewachsene Beziehungen, sogar Verpflichtungen gegenüber den eigenen Angehörigen beiseite zu lassen und etwas Neues zu beginnen. Dieses "Sofort" (Mk 1,18), mit dem die ersten Jünger auf Jesus reagieren, ist nicht so leicht verstehbar. Eines können wir eher nachvollziehen, dass Jesus bei den Fischern einen unvergesslichen Eindruck hinterlässt, so gewaltig, so unverkennbar neu und einmalig, dass ihre bisherige kleine Welt der Familie, des Dorfes, des Sees, der Menschen mit ihren Sorgen und mit ihrem Gerede aufgebrochen wird. In der Nähe dieses Menschen Jesus, der ganz anders ist als die Leute im Dorf, als die Gelehrten der Schrift, selbst als Johannes der Täufer tut sich plötzlich etwas auf, was sie noch nicht begreifen können, aber was sie fasziniert. Hinter den Worten "Kommt, folgt mir nach!" (Mk 1,17) muss eine umwerfende Kraft sein, die ihr bisheriges Leben in Frage stellt. Beglückt, voll gespannter Erwartung sind sie, gewiss auch mit einem Stück Angst vor dem Abenteuer, auf das sie sich da einlassen. So beginnt das, was wir gewöhnlich "Nachfolge Jesu" nennen.

In unserer Zeit hat dieses Wort seine Faszination verloren, ebenso wie „Reich Gottes" und „Evangelium". Ursache könnte sein, dass diese Begriffe allzu sehr im Gewand einer überholten Tradition an uns herangetragen werden. Evangelium - Frohbotschaft - verbindet sich mit der Vorstellung, wir müssten uns absichtlich über etwas freuen, wonach uns gar nicht zumute ist. "Reich Gottes" erscheint als etwas zu Abstraktes, nicht Greifbares. Und erst die „Nachfolge Jesu"! Es hat den Anschein, als bestünde sie darin, sich in eingespurte Wege einer veralteten Tradition zu begeben, sich den Mut zum Eigenen nehmen zu lassen und mit gebremster Kraft den Rest des Lebens zu verbringen. Das Missverständnis könnte nicht größer sein. Nie war es im Sinne Jesu, blindlings eigenes Denken und den eigenen Willen einem andern, einer Gruppe oder einer noch so geheiligten Institution zu überlassen. Denn so wie die ersten Jünger handelten, war es ja gerade das Gegenteil: Sie verließen eine festgefügte Welt und wählten ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Es war der Abschied von der Tradition, nicht das Aufgehen in ihr. Nun dürfen wir den Wert von Überzeugungen und Lebensgewohnheiten, von Einbindung in die Familie, in den Kreis von Bekannten, eines Dorfes oder einer Kleinstadt, einer religiösen Gemeinde, nicht unterschätzen. Sie geben uns Richtung und Halt. Die Schwierigkeiten und Belastungen eines langen Lebens werden ebenso mitgetragen, wie die Feste der einzelnen auch Feste aller sind. Aber eine Tradition kann auch ermüden, das heißt die sinngebende Kraft verlieren; sie kann zu eng werden für das Neue, Impulsive eines Lebens und für die Mannigfaltigkeit und Breite menschlicher Schicksale, sowohl für die Not als auch für das Glück. Sie kann zum Feind alles Lebendigen werden, sogar zum Feind des Reiches Gottes, wenn sie die Themen, die Menschen bewegen, nicht zulässt. Wenn alles bis ins Kleinste vorgedacht und geregelt ist, wenn schon die Antworten aus der Schablone auftauchen für Fragen, die noch gar nicht richtig gestellt werden durften - dann schnürt eine Tradition das Leben ab und gibt dem Wirken Gottes keine Chance.

Denn hinter dem, was als Aufstand, als Ungebührlichkeit, als zornige Ablehnung erscheint, kann bei kluger und einfühlsamer Betrachtung der Wunsch und die Absicht erkannt werden, sich nach Gott auszustrecken. Jesus hat darüber ein sehr deutliches Wort gesagt: "Zöllner und Dirnen kommen eher in das Reich Gottes als ihr" (Mt 21,31). Es sind die Eiferer für das Gesetz, für das Althergebrachte, die Jesus nicht verstehen und ablehnen. Wer sich seiner selbst und seiner Religion so sicher ist wie die Frommen der Tradition, wer nie die Not, den Hunger und den Schrei nach Gott in sich gespürt hat, hat auch keine Ahnung von dem, was Gott uns schenken kann. Nicht etwa will Jesus will nicht den Beruf der Zöllner und Dirnen loben, sondern ihre Bereitschaft, von ihm das Entscheidende anzunehmen. Es ist ihre Not, die sie dem Reich Gottes öffnet, nachdem sie aus den vorgeformten Bahnen der guten Gesellschaft herausgeschleudert wurden.

Das Wort „Reich Gottes" gewinnt dann in unserem Leben Gestalt, wenn wir den ganz neuen, ungewohnten Ansatz begreifen, uns ganz der Herausforderung stellen, und uns nicht hinter Titel, Konventionen und guten Beziehungen verstecken. Es ist der Einsatz der ganzen Persönlichkeit ohne Wenn und Aber, die uns für Neues aufschließt, ein Einstieg in ein ungewohntes Denken mit den allergrößten Überraschungen. Uns ist verheißen: Die Kraft Jesu, welche die ersten Jünger erfuhren, wird uns über den engen Rahmen der vorgegebenen Tradition hinaustragen. Wer sich auf diesen Weg einlässt, wird auch die alten Quellen aus der Geschichte seiner Religion und seines Volkes wieder entdecken; denn auch diese waren einst neue Aufbrüche.