6.Sonntag im Jahreskreis B  14.02.2021  Gegen die Dämonen der Angst (Mk1,40- 45)


1.Lesung Lev 13, 1- 2.43ac.44ab.45 - 46

Der Aussätzige soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers

Lesung aus dem Buch Levitikus
1 Der Herr sprach zu Mose und Aaron:
2 Wenn sich auf der Haut eines Menschen eine Schwellung, ein Ausschlag oder ein heller Fleck bildet, liegt Verdacht auf Hautaussatz vor. Man soll ihn zum Priester Aaron oder zu einem seiner Söhne, den Priestern, führen.
43ac Der Priester soll ihn untersuchen. Stellt er eine Schwellung fest, die wie Aussatz aussieht,
44ab so ist der Mensch aussätzig; er ist unrein. Der Priester muss ihn für unrein erklären.
45 Der Aussätzige, der von diesem Übel betroffen ist, soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungepflegt lassen; er soll den Schnurrbart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein!
46 Solange das Übel besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.
 

 
2.Lesung 1 Kor 10, 31 - 11, 1

Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther
Brüder!
31 Ob ihr esst oder trinkt oder etwas anderes tut: tut alles zur Verherrlichung Gottes!
32 Gebt weder Juden noch Griechen, noch der Kirche Gottes Anlass zu einem Vorwurf!
33 Auch ich suche allen in allem entgegenzukommen; ich suche nicht meinen Nutzen, sondern den Nutzen aller, damit sie gerettet werden.
1 Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme.
 

 
Evangelium Mk 1, 40 - 45

Der Aussatz verschwand, und der Mann war rein

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
In jener Zeit
40 kam ein Aussätziger zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde.
41Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es - werde rein!
42 Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz, und der Mann war rein.
43 Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein:
44 Nimm dich in acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis meiner Gesetzestreue sein.
45 Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, so dass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.


Eine Grenzüberschreitung

Wir sind noch betroffen von der Härte des alten jüdischen Gesetzes. Ein Aussätziger das heißt ein Kranker wird abgesondert. Er muss sich kennzeichnen durch zerrissene Kleidung und verhüllten Bart und vor sich schon von weitem warnen.. Er darf nicht mehr zu seiner Frau und seinen Kindern, zu seinen Freunden und Bekannten in seinem Dorf. So war es auch bei uns im Mittelalter im Umgang mit der Krankheit, die heute den Namen Lepra trägt. Die von der Lepra befallenen Kranken mussten außerhalb menschlicher Siedlungen leben - sie waren ausgesetzt. Fürsorge und Pflege waren dem Mitleid Gutgesinnter überlassen..                              Das Elend solcher Menschen schildert die Ordensschwester und Ärztin Ruth Pfau(1929-2017), die sich in Pakistan der Ärmsten angenommen und dort ein Lebenswerk der Barmherzigkeit geschaffen hatte. Sie trifft in einem Haus in Karachi - sie nennt das genaue Datum 15.5.1995 - auf einen Mann, von Kopf bis Fuß verschmutzt , die Barthaare verklebt, sein Körper von Wunden übersät, worin sich Ameisen bewegen. So könnte der Mann ausgesehen haben, dem Jesus begegnet. Nach dem Gesetz sollte Jesus ja einen weitem Bogen um ihn machen und in keinem Fall mit ihm in Kontakt zu kommen. Jesus tut genau das, was gegen alle Vorschrift ist: „Er berührte ihn(Mk1,41). Er überschreitet eine Grenze, die vom empfundenen Ekel, von Ängsten und Unwissenheit gezogen ist. Allein der Kontakt mit einer Hand, die nicht droht, sondern gut tut, ist für den Ausgestoßenen wie eine Neugeburt. Man darf sich vorstellen, dass er anfängt, sich wieder als Mensch zu fühlen.                                                                                                                                         Die Szene erinnert an den heiligen Franziskus, der in seinem Testament bekennt, dass die Begegnung mit einem Aussätzigen ein entscheidender Schritt für sein neues Leben gewesen sei. Wörtlich schreibt er: „Als ich noch in Sünden war, kam es mir sehr widerlich vor, Aussätzige zu sehen. Da hat der Herr mich selbst unter sie geführt. Und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich von ihnen fortging, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt." Dabei geschah nicht nur etwas mit Franziskus. Die Freude, die ihm zuteil wurde, dürfte noch mehr den Kranken erreicht haben. Franziskus erfuhr einen Durchbruch, ein neues Lebensgefühl in der Tiefe seiner Existenz. Auf dieser Ebene dürfen wir auch das Lebenswerk von Ruth Pfau sehen. Sie hatte es in 55 Jahren geschafft, die Zahl der Lepra-Erkrankungen in der Islamischen Republik drastisch zu verringern. Mehr als 50.000 Leprakranke seien dank ihrer Arbeit geheilt worden, heißt es auf der Webseite eines deutschen Hauptförderers von Pfaus Arbeit, der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW). Sie schrieb ein Buch über ihre Tätigkeit in Pakistan mit dem Titel „Das letzte Wort wird Liebe sein". Auf dem Umschlag ist ihr Gesicht zu sehen. Es strahlt etwas von einer unüberwindbaren Güte und inneren Freude aus. Dabei lebte sie schon 35 Jahre in einem Land, in dem nicht nur verheerende Krankheiten, sondern vielmehr noch Stammeskriege, religiöse Fanatiker und grausame Blutrache das öffentliche Leben bestimmen. Wohin sie kam, wurden nicht nur Menschen erfolgreich ärztlich behandelt, sie brachte es soweit, dass in blutigen Auseinandersetzungen die Waffen schwiegen, verfeindete Gruppen einander die Hand zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft reichten. Sie verbreitete Versöhnung statt Rache. Für die Menschen von dort war das eine völlig neue Einstellung und sie fragten: Warum tust du das? Nach einem Überfall mit Toten und Verletzten geht dem Obersten der Polizei am meisten nach, dass schiitische Mitarbeiter der deutschen Ärztin sunnitische Opfer ins Krankenhaus bringen. Ebenso ist ihm unverständlich, dass sie den Täter, einen jungen Mann, der gefasst wurde, bei der Polizei nicht identifizieren will. Er sieht ein, dass Vergebung die einzige Chance für sein Land ist. Eines darf gesagt werden: Es ist doch etwas vom Geist und von der Kraft, mit der Jesus dem Aussätzigen begegnet ist, angekommen.                                                                                Die Geschichte dieser außerordentlichen Frau lädt  zum Nachdenken ein. Sie stammte aus einer atheistischen Familie aus Leipzig, lernte den christliche Glauben  erst mit 22 kennen, fand den Weg zur katholischen Kirche und in einen Frauenorden. Es waren Jahre der Suche und der Wandlung, bis sie Gott für ihr Leben entdeckt hatte. Ihren Entschluss, „Ihm bedingungslos, mit geschlossenen Augen und singendem Herzen zu gehören" empfand sie als „ein wildes, zärtliches, tanzendes Glück". Dies führte zu ihrer Überzeugung: "Der Mensch ist zum Glück geboren. Im Kleinen lässt sich die Welt verändern, schon jetzt". Daraus ergab sich der Entschluss, die Herausforderung eines unüberschreitbaren Elends und unlösbarer, grausamer Konflikte anzunehmen. Wir bewundern ihre großen Leistungen und sind andererseits wieder enttäuscht, dass es so wenige sind, die solches vollbringen. Wir können sie nicht einfach nachahmen, aber wir können  ihre Überzeugung ernst nehmen, dass es im Kleinen beginnt, das heißt in uns selbst. Es kostet nicht die größte Mühe, im besten Fall Achtsamkeit, dass wir uns auf die Suche machen nach der Kraft, an die sie angeschlossen war. Sie ist in uns selbst da, verborgen, kann aber entdeckt werden. Wir können die Grenzen, die uns die Geschichte und die Verwicklungen unseres Lebens gebracht haben, überschreiten.