4.Sonntag der Osterzeit C

Liturgische Texte zum Tag: www.erzabtei-beuron.de/schott/

1.Lesung Apg 13.14.4 3b-52

2.Lesung Offb 7,9.14b-17

Evangelium  Joh 10, 27-30



Die Stimme mit dem guten Klang

Nach der alten liturgischen Regel gilt der heutige Sonntag Jesus, dem Guten Hirten. Das Bild des Hirten ist uns fremd im Gegensatz zu den Menschen der Zeit Jesu. Und noch dazu: Wer möchte schon in der Rolle eines Schafs angesprochen werden? Bei alledem bleibt ein Wort, das unsere volle Aufmerksamkeit verdient, das der Stimme. Sie ist eine wichtige Erscheinung unseres Alltags, indem wir Menschen begegnen ohne sie zu sehen, nur über die Stimme am Telefon. Es lohnt sich, die Qualität der Stimmen genauer zu betrachten. Es gibt Anrufe, die uns weiter nicht berühren, es gibt aber Stimmen, die uns sehr vertraut sind, die uns hell wach machen. Es kann sein, dass es der Mensch ist, auf den wir schon lange gewartet haben. Wir haben ihn am Klang der Stimme schon erkannt. Allein schon im Hören gerät etwas in Schwingung, baut sich eine Atmosphäre von Vertrautheit auf, von verstanden werden, von Nähe. Es ist, als ob der Mensch, den wir kennen, unmittelbar vor uns stünde. Es kann sogar ein uns fremder Mensch sein, der uns über die Stimme näher kommt, wenn wir an der Färbung des Dialekts etwas von der Heimat, von zuhause und von geborgen sein wahrnehmen. Beim Klang einer Stimme kann uns das Herz aufgehen.

Mit dieser Erfahrung im Hintergrund dürfen wir uns der Stimme Jesu zuwenden. Wir dürfen auch fragen, wie wohl die Stimme Jesu war. Wir haben keine Tonaufnahme, aber wir können aus verschiedenen Berichten die Wirkung wahrnehmen. Nach Beendigung der Bergpredigt spricht der Evangelist von Volksmassen, die ihm zuhörten und nur noch staunten. Von göttlicher Vollmacht (Mt 7, 28) ist die Rede. Diese bedarf einer Erklärung. Falsch wäre es zu meinen, die Leute hätten erkannt, dass er der Sohn Gottes ist und deshalb ihm zugehört. Was der Schriftsteller als „göttliche Vollmacht“ bezeichnet,  liegt - so dürfen wir vermuten - weniger in der Lehre als solcher sondern vorzüglich in der Art, wie Jesus sprach, an der Atmosphäre und an der Anziehung, die von ihm ausging. Wenn man sich das vorstellt: Es ist von fünf Tausend die Rede, die bei ihm in einsamer Gegend ausharren. Man darf denken, dass sie eher von dem, was Jesus ausstrahlte, fasziniert waren, als dass sie jedes Wort verstanden hätten. Es war wahrscheinlich oft nur die Stimme Jesu, der alle Aufmerksamkeit galt, die ihnen wie eine Kostbarkeit in die Seele drang.

Eine Parallele dürfen wir im Leben des heiligen Franziskus sehen, als er auf dem Marktplatz in Assisi, in Bologna und in anderen Stätten zur Umkehr aufrief. In der Lebensbeschreibung von Thomas von Celano steht: „Er sprach in einfältiger Rede, aber sein Wort aus der Fülle des Herzens ergriff die Zuhörer. Es war wie ein brennendes Feuer, das in die Tiefe der Herzen drang“. Man kann sich sein Auftreten so vorstellen: Er spricht einen einzelnen Mann an, verwickelt ihn in ein Gespräch, andere werden aufmerksam und kommen hinzu, es bildet sich eine Gruppe und dies deshalb, weil sie interessierte, betroffene, nachdenkliche Gesichter zu sehen. Sie sind beeindruckt und können den Mann aus Assisi und das, was er sagt, nicht mehr vergessen. Es wirkt weiter und bei manchem verändert es das ganze Leben. Dabei sind seine Volkspredigten alles andere als ausgefeilt und durchdacht. Er spricht gerade das aus, was ihm aus dem Herzen kommt.  Es sind nicht die Argumente sondern die Macht seiner Ergriffenheit, die sich auf die Zuhörer von selbst überträgt. Ganz entscheidend ist hier die Stimme des Sprechenden, weil darin der ganze Mensch, Seele und Leib in Schwingung geraten.                             

Ähnliches dürfen wir uns auch bei Jesus vorstellen. Es gibt eine Szene, die uns aus den österlichen Erzählungen vertraut ist. Gemeint ist jenes Ereignis, als Maria von Magdala dem Auferstandenen begegnet. Ihr Blick ist von Tränen, Trauer und Verzweiflung verschleiert, sodass sie nur einen Fremden sieht. Erst als sie ihren Namen hört, ausgesprochen von einer Stimme, die ihr zuinnerst vertraut ist, ist sie zutiefst getroffen und total verwandelt. Alle Gefühle kippen um. In dem Bericht wird gar nicht erwähnt, dass sie ihn erkennt. Es wird nur ihre Reaktion dargestellt, um das Dramatische des Ereignisses noch prägnanter auszudrücken. Sie kann nur ausrufen: „Rabbuni! Mein Meister!“. Damit sagt sie zugleich, dass sie ihm alles zu verdanken hat: die große Wende ihres Lebens, als er sie von den Dämonen befreite, und dass er jetzt unmittelbar vor ihr steht als der Lebendige, als der, der da ist. In ihrem Ausruf liegt zugleich ein Ausdruck endgültiger Erfüllung und Gewissheit. Erfüllung ist ein anderes Wort für sich verstanden fühlen in seiner letzten Sehnsucht, ein Gegenüber zu spüren, das die letzte Kammer des Herzens öffnet und ausleuchtet. Wir dürfen an das Wort Jesu denken: „Ich kenne die meinen“ (Joh 10,27). Einem solchen Gegenüber zu folgen ergibt sich von selbst, dafür werden alle Anstrengungen leicht. Für die erfahrene Nähe gibt es keine Alternative. 

Wer immer unbegrenzte Liebe spürt, für den und für die ist die Angst geschwunden, jemals verlassen zu werden. Leere und Verzweiflung können niemals auf einen zukommen, der Tod ist nicht mehr zu fürchten. Dies meint Jesus, wenn er sagt: „Sie werden niemals zugrunde gehen. Niemand wird sie meiner Hand entreißen“ (Joh 10,28). An uns liegt es, für die Stimme Jesu die Sinne zu schärfen. Es geschieht dann, wenn wir für das Echte und Dauerhafte unseres Lebens ein Gespür entwickeln, für alles,  was uns in die Tiefe des eigenen Herzens führt, für das, was unser Leben wertvoll, reich und sinnvoll macht. Wir dürfen gewiss sein, dass uns die gesuchte Stimme entgegenkommt gerade dort, wo wir sie nicht vermuten.