Pfingstsonntag

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Apg 2, 1-11

2.Lesung 1 Kor 12, 3b-7. 12-13

Evangelium Joh 20,19 - 23   


9 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
23 Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.


Der Sturm, der Hauch und das Feuer

Vom Sturm, vom Hauch und vom Feuer ist die Rede, um den Inhalt des heutigen Tages anschaulich darzustellen. Wir würden uns leichter tun, wäre auch für uns der Hl. Geist im Brausen des Sturmes auf dem freien Feld und als Feuerflamme auf jedem Kopf zu sehen. Wir kommen aber nur dann zu einem tieferen Verständnis, wenn wir begreifen, dass es Bilder für Ereignisse in uns selbst sind, für solche, die unser Glück oder Unglück  bestimmen. Es geht nicht, ohne dass wir einen Blick in unser eigenes Leben werfen.

Es gibt Zeiten, wo wir zutiefst bewegt, wie vom Sturm aufgewühlt sind, wo die wohltuende Ruhe geschwunden ist, wo wir schlaflose Nächte verbringen, wo die Fundamente unseres Lebenshauses erschüttert sind. Jedoch muss ein Sturm nicht nur Schaden anrichten. In mancher, buchstäblich abgeholzten Gegend zeigt sich jetzt ein wunderbarer Blick in die Landschaft und in die nahe Stadt. Der Sturm hat eine neue Sicht geöffnet, die bisher verstellt war.

Von einem gewaltigen Gewittersturm mit schweren Regengüssen berichtet der heilige Augustinus, als er nach langem Suchen zum Glauben und zum Frieden seines Herzens fand. Mit anderen Worten: Es hat ihn geschüttelt und gebeutelt und er hat wie ein kleines Kind geheult. Dies war für ihn der Umbruch seines Wesens, wo Altes abfiel und die verstellte Sicht auf die Wahrheit seines Lebens frei wurde. Als er dann eine Stelle in der Hl. Schrift las, war es, als ob sie für ihn bestimmt sei. Es kam Gewissheit und Licht in sein Herz.
Um die Überzeugung eines Menschen zu verändern erfordert es eine Energie wie die eines Sturmes. So war es bei dem großen Heiligen.

Dies führt uns zum nächsten bildhaften Ereignis. Indem Jesus die Apostel anhaucht, überträgt er seinen Geist. Der Hauch ist gerade das Gegenteil vom Sturm. Er ist die schwächste und leiseste Bewegung der Luft. Er steht für das ganz Feine und Zarte. Es bedarf hoher Achtsamkeit, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Bei genauerem Hinschauen erkennen wir: Es ist gerade das, was die Sprache der Liebe ausmacht. Eine sanfte Berührung kann eine Zuneigung ausdrücken, die aus der Tiefe kommt und  das ganze Wesen umfasst. Weil eine sanfte Bewegung aus dem Punkt unserer Seele kommt, wo die Antriebe ihren Sitz haben, werden Kräfte frei, die tragen und dauerhaft sind. Sie können dann sogar mit der Energie eines Sturmes in ein Leben eingreifen und nicht nur der Geschichte eines, sogar vieler Menschen eine neue Richtung geben. Ein sanftes Vorgehen schließt die Herzen auf, gewinnt Sympathie und Zustimmung. Härte, Drohung und Gewalt hingegen verschließen sie und lassen sie erstarren. In der Bergpredigt ist den Sanftmütigen das Land verheißen, nicht denen, die es mit Gewalt erobern wollen. Gemeint ist ein endgültiges Ankommen, in Nähe und Geborgenheit, in der Heimat. Wenn nun Jesus mit einem Hauch den Aposteln die Gewalt verleiht, Sünden zu vergeben, dann dürfen wir darin die Kraft sehen, die Herzen zu öffnen und einen neuen Abschnitt in deren Geschichte zu schreiben. Mit der Feinfühligkeit, mit der man einen Hauch spürt, sollen sie seine Art zu denken und zu handeln zusammen mit seiner Lebenskraft weitergeben. Auf diese Weise werden sie die Herzen zum Frieden wandeln.

Nach dem Sturm kommt wie bei Elia am Berg Horeb das Feuer. „Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer und ließen sich auf jeden einzelnen herab“ (Apg 2, 3). Die Zungen haben mit dem Reden zu tun und sind, so dürfen wir annehmen, das Bild dafür, was sich  anschließend ereignet. Für die vom Geist Ergriffenen sind die fremden Sprachen, die auch Zungen genannt werden, kein Hindernis mehr. Sie werden von allen verstanden. Hier ist aber mehr gemeint als eine moderne Simultananlage bei Konferenzen auch leisten könnte. Vielmehr sind die Worte, die gesprochen werden, mit einer solchen  Energie, mit einem solch inneren Feuer aufgeladen, dass sie die Herzen der Fremden erreichen. Noch deutlicher wird es bei der Rede des Petrus. Dort heißt es wörtlich: „Da traf es sie mitten ins Herz“ (Apg 2, 37). Es ist etwas, das wie Feuer in ihnen brennt. So war es auch bei den Jüngern, die  auf dem Weg nach Emmaus mit Jesus im Gespräch waren. 

Es bleibt die Frage: Wie kann dieses Feuer in uns entfacht werden? Wenn in früheren Zeiten, als in jedem Haus noch mit Holz geheizt wurde, das Feuer erloschen und noch eine Glut vorhanden war,  hat man hinein geblasen. Dies hat wiederum mit dem Hauch  und dem Atem zu tun. Er ist es, der das innere Feuer wieder entfachen kann. Er führt in jenen Bereich, wo eine unerschöpfliche Energie sitzt.
Wer in der Stille dem Atem folgt und ihm freien Raum gibt, wird erfahren, dass Seele und Leib, Fühlen und Denken  immer mehr vom Geist durchdrungen werden und die Freude neu erwacht.

So wird es auch vom heiligen Franziskus erzählt. Was er sagte, war recht einfach. Aber sein Wort kam aus der Fülle des Herzens und ergriff die Zuhörer. „Es war wie brennendes Feuer, das in die Tiefe des Herzens drang und alle mit Bewunderung erfüllte“, berichtet sein Biograf. Gerade der Heilige aus Assisi hatte eine innige Nähe zum Feuer. Im Sonnengesang steht das Wort „Bruder Feuer“. Die Sonne und das Feuer nennt er Geschwister des Lichts. Wir dürfen sie als Spiegel dessen sehen, was in ihm selbst ist.

Häufig fällt das Wort "glühend”. Vom glühenden Gebet und von glühender Liebe ist zu lesen. Glühend heißt ganz wörtlich, dass ein Gegenstand so lange und so tief ins Feuer eingetaucht wird, bis die ganze Hitze in ihm gespeichert ist und er die Kraft des Feuers in sich trägt. Angewandt auf Franziskus bedeutet das, dass er zuinnerst bis in die letzten Fasern seines Seins von Gottes Geist aufgewühlt, hingerissen und durchdrungen ist, und die Kraft des heiligen Feuers in sich trägt. Dies war die Quelle seiner Ausstrahlung, die bis in unsere Zeit reicht.