18.Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Koh 1, 2; 2, 21-23

2.Lesung Kol 3, 1-5.9-11

Evangelium Lk 12, 13-21

Der äußere Verlust und der innere Gewinn 

Gegen die Vorsorge des reichen Mannes ist eigentlich nichts einzuwenden, so würden wir heute sagen. Sie entspricht genau dem Denken unserer Tage. Wird nicht von oberster Stelle empfohlen, sich schon jetzt um die Zeit zu kümmern, in der man nicht mehr arbeiten kann? Sogar die kirchlichen Gemeinschaften sind verpflichtet, für ihre Mitglieder entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Die Frage ist allerdings, was zum wichtigsten Lebensinhalt wird. Es gibt eine rechte Sorge um die Zukunft und eine, die nüchtern gesehen überflüssig ist und die einem den Blick die wahre und tragende Sicherheit versperrt. Heute sind es nicht mehr die größeren Scheunen. Es sind eher die Häuser, die man noch baut, das Kapital, das man noch ertragreicher anlegt, während schon die Erben darauf Ausschau halten. Im frühen Abschnitt des Lebens ist es notwendig und geboten, alle Kräfte einzusetzen, um sich und seiner Familie eine materielle Existenz zu sichern. Sobald dies alles vollbracht ist, stehen andere Prioritäten im Vordergrund. Es ist ein Glück für einen Menschen, wenn er das rechtzeitig erkennt. Allerdings kommen die wenigsten  nicht von selbst oder durch den guten Ratschlag eines Freundes darauf. Es sind vielmehr die äußeren Umstände, die eine neue Sicht des Lebens erzwingen. Dies ist meist sehr schmerzlich. Ich denke an einen Mann um die vierzig, der wie viele andere alles auf Aktien setzte und dann den großen Einbruch erfuhr. Mit der Hoffnung auf den großen Reichtum zerbrach auch seine Familie. In dieser Not wird er gezwungen, sich  nach neuen Perspektiven umzuschauen. Er entdeckt das, wonach er und so viele andere wirklich hungern und was ihn wirklich ausfüllt. Ihm geht auf, dass es doch etwas sehr Kostbares ist, wenn man sich gegenseitig versteht, wenn man die Zeit und die Ruhe hat, für einander da zu sein. Seine wichtigste Erkenntnis ist, dass das Religiöse nicht etwas Unsinniges, Überflüssiges und Nebensächliches ist, eine unnötige Last, die man getrost ablegen darf, sondern etwas Schönes und Kostbares, etwas, das dem ganzen Dasein neuen Schwung und neue Richtung gibt. Er bekennt offen, dass sein Leben durch diese Krise an Substanz gewonnen hat.

Es ist äußerst aufschlussreich, die vielfältigen neuen spirituellen Aufbrüche unserer Tage genauer anzuschauen. Man findet dort einen Eifer, den man sich in der Kirche der Tradition wünschen würde. Es gibt viele, die sich schon längst von der heimatlichen Religion verabschiedet haben, aber doch Wesentliches in ihrem Leben vermissen und sich dann  aus Neugier oder innerlich getrieben nach Indien, Burma, Ceylon oder Japan in ein buddhistisches Kloster flüchten, um Religion pur zu erfahren. Dort entdecken sie eine Intensität und Dichte des Religiösen, die sie als äußerst ergreifend und beglückend empfinden, dieselben, die von Religion früher gar nichts gehalten hatten. Sie müssen feststellen, dass die Stille als solche äußerst beeindruckend und erfüllend sein kann. Inzwischen gibt es auch in unserem Land Meditationshäuser mit dem Angebot der qualifizierten Stille. Es werden immer mehr, welche  darin einen großen inneren Reichtum finden und diesem gerne einen hohen Aufwand an Zeit und Geld schenken.

Vor einiger Zeit stand auch die Begeisterung für die Ureinwohner Amerikas und anderer Erdteile im Vordergrund. Heute, wo die Klimakatastrophe immer bedrohlicher wird, hat man aufgehört, von „Primitiven“ zu reden, deren naive Vorstellungen lächerlich sind. Eher wird einem bewusst, dass deren Umgang mit der Schöpfung eine tiefe Weisheit enthält und der Ansatz für die Probleme unserer Tage  wäre. Ein in der westlichen und der eigenen Kultur sehr gebildeter Indianer sagte: „Der weiße Mann hat große Leistungen hervorgebracht. Aber er hat die Verbindung zum Schöpfer verloren.“ Bei den Indianern, bei denen die alte Tradition noch lebt, genießt der das größte Ansehen, welcher am meisten gibt, nicht der, welcher am meisten hat. Der Geizige wird verachtet. Ein Schüler einer Indianerschule, in der die Werte der alten Kultur, vor allem die ihrer Religion weitergegeben werden, sagt: „Unsere Religion lehrt uns, arm zu sein.“                                                                  
Wir dürfen hinzufügen: Die unsere schon auch! Wo immer der äußere Besitz den Vorrang einnimmt, muss man eingestehen, dass man die christliche Religion nicht verstanden hat.

Die Frage bleibt: Womit sollen wir beginnen? Beständige Aufrufe zum Verzicht  machen eher  ratlos, als dass sie die entscheidende Wende bringen. Ohne Zweifel geschieht viel Gutes im Umgang mit dem Vermögen. Ohne Geld kann man auch den Armen nicht helfen. Bei aller Spendenfreudigkeit bleibt aber ein Unbehagen. Kritiker sagen, man beruhige nur sein Gewissen. Wir kommen bei dieser Frage dann weiter, wenn im Vordergrund nicht der mühsam abgerungene Verzicht steht, sondern die Aufmerksamkeit für den inneren Reichtum. Anstatt schon das große Opfer von sich zu fordern, sollte man sich eher fragen: "Was bereichert mich, was ist kostbar für mich?“ So begann es beim heiligen Franziskus. In den Anfängen seines neuen Lebens war es für ihn, als ob sich eine neue Welt, sogar der Himmel selbst geöffnet hätte. „Ich  habe einen Schatz gefunden“, sagt er zu einem Freund, „und ich gehe nun in eine Höhle, um ihn anzuschauen“. In Wirklichkeit war es ein innerer Schatz, den er entdeckt hatte. Ein wundersames Licht und eine unsagbare Freude erfüllten ihn, als er dort betete. Ohne seinen inneren Reichtum wäre die äußere Armut, die er so leidenschaftlich verteidigte, reine Selbstquälerei; sie wäre ohne die Freude, die er ausstrahlt.

Hier dürfen wir auch an die Freude des Zöllners Zachäus denken, als er Jesus begegnete. Sie hat ihn befähigt, von seinem Reichtum zu lassen, was vorher unmöglich gewesen wäre. Er war wie viele seiner Art  arm an Gefühlen und einsam. Als Jesus sein  Haus betrat, hat er ihn von seinem Geiz befreit und von seiner Einsamkeit.  Der Besuch Jesu wurde für ihn zu einer Kostbarkeit. Er wurde „reich vor Gott“ (Lk 12,21).