19. Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Weish 18, 6 - 9

2.Lesung Hebr 11, 1 - 2.8 - 19

Evangelium Lk 12, 32 - 48


Die Wachheit für den Schatz

Von dem, was uns heute Jesus sagt, können wir einer Aussage ohne Vorbehalt zustimmen: Dass wir eine kleine Herde sind! (Vgl.Lk 12,32) „Dass uns das „Reich“ gegeben sein soll, bereitet uns schon größere Schwierigkeiten und erst recht die Aufforderung, „alles zu verkaufen und es den Armen zugeben“ (Lk12, 33). Um die Worte Jesu in ihrer vollen Bedeutung zu verstehen, braucht es Zeit, viele Überlegungen und Erfahrungen mit dem Glauben und mit dem Leben. 

Jesus spricht  von einem Schatz, der so wertvoll ist, dass man sogar sein ganzes Vermögen dafür gibt. Wir müssen uns eingestehen, die Kostbarkeit, von der Jesus spricht, müssen wir erst entdecken. Wenn wir in einer stillen Stunde in unser eigenes Leben schauen oder auch in das von Bekannten und Freunden, wie oft hört man die Frage: „Wozu hat er es gebracht?“ Die Schätze, die heute begehrt werden, sind Erfolg, Anerkennung und Berühmtheit, ein Name, der umjubelt wird, nicht zuletzt das Vermögen. Sie können aber sehr  brüchig sein. In den Tagen, als die Schlagzeilen von der großen Finanzkrise voll waren, wurde von einem Mann berichtet, der sich das Leben nahm, weil er von seinen fünf Milliarden zwei verloren hatte. Man könnte hinzufügen: Ob er nicht auch schon längst seine Seele verloren hatte?

Es gibt zwei Seiten, den Wert menschlichen Lebens einzuschätzen: Die eine fragt: Was kommt dabei heraus? Was habe ich an Greifbarem, Sichtbarem gewonnen? Es ist der Maßstab, der wie selbstverständlich als der einzige gilt. Die andere Seite lautet: Was kommt dabei herein? Wie bin ich bei allem Erfolg oder Misserfolg, bei allem Mühen geworden? Gelassener, gütiger, froher, zufriedener, einer, den man gerne aufsucht, der Freude, Zuversicht und Hoffnung ausstrahlt!  Oder bin ich jemand geworden, der enttäuscht, verbittert, vereinsamt, seinen Angehörigen und sich selbst zur Last ist? In diese Richtung müssen wir denken, wenn Jesus vom Schatz im Himmel spricht, wo auch das Herz ist.   Denn dieser Himmel ist in dir, sagt der Mystiker Angelus Silesius. Menschen, die auf diesen Schatz stoßen, sagen: "Es war die Entdeckung meines Lebens. Seitdem ist alles anders. Es ist wie wenn ich erst jetzt zum vollen Leben erwacht wäre, wie wenn ich vorher geschlafen hätte. Erst jetzt lebe ich! Oder: Erst jetzt lohnt es sich zu leben. Mein ganzes Interesse geht nun dahin, diesen 
Schatz immer mehr auszugraben, dass er für viele leuchtet.“ So haben es die ersten  Christen erlebt. Dafür gibt es ein frühes Zeugnis aus dem Brief an die Epheser: "Wach auf, der du schläfst, steh auf von den Toten und Christus wird dich erleuchten“ (Eph 5,14).

So war es auch beim heiligen Franziskus. Seine Leidenschaft, radikal arm zu sein, wäre pure Selbstquälerei, wenn er nicht das Wunderbare der Begegnung mit Gott entdeckt hätte. Auf einem nächtlichen Heimweg  war er von der Unendlichkeit Gottes berührt worden. Das hat ihn getroffen und verwandelt. Alles, was er bisher für wichtig und  begehrenswert gehalten hatte: den Wohlstand des Vaters, die Möglichkeit, mit vollen Händen Geld auszugeben, zu feiern und sich feiern zu lassen, die Vorstellung, selbst eine Burg zu besitzen, die große Karriere als Ritter - all das brach weg. Für ihn haben sich alle Perspektiven verändert, vor allem die von Besitz und Macht. Er ist hingerissen von einer ganz neuen Dimension seines Lebens, sodass alle anderen Motive und Begehrlichkeiten unbedeutend werden und verblassen. Er hat erfahren, dass er umso mehr in eine unsagbare Freude eingetaucht wird, je mehr er sich von dem löst, was ihn festhält. Das Erlebnis, von Gott berührt worden zu sein, hat ihn so überwältigt, dass alles, was er nicht selbst ist, seine Bedeutung verliert. Damit sind nicht nur Hab und Gut, sondern auch der Name seines Vaters und die Wertschätzung seiner Freunde und der Bewohner der Stadt gemeint. Des Öfteren heißt es in der Lebensbeschreibung: „Die Süße lockte ihn weiter und weiter“. Es hat ihn dahin gezogen, wo das Leben dichter, erfüllter, umfassender ist. Es ist eine Erfahrung, die mächtiger und stärker ist als alles, was ihn bisher begeistert hat, die  auch umschrieben wird mit den Worten: „Er war voll des inneren Jubels, voller Glut der Liebe“. Er hatte die Gewissheit, einen Schatz gefunden zu haben, der ihm keine Sorgen macht, den ihm niemand nehmen kann. Es ist das Glück, das er nicht in den äußeren Gegebenheiten sieht,  sondern das er unmittelbar in sich selbst spürt.

Vielleicht verstehen wir etwas mehr von den Worten Jesu: „Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft“ (Lk 12,36). Es ist die Mahnung zur Wachheit im Anschluss an die Rede vom Schatz. Ein solcher muss bewacht werden, sonst geht er verloren. Damit ist gemeint: Was wir an Kostbarem entdeckt haben, an echter, unüberbietbarer Lebensqualität, braucht eine hohe Aufmerksamkeit für das, was uns im Innersten berührt und stimmig macht, was unser Leben erhöht, vor allem aber für jene Quelle in uns, aus der wir unmittelbar die Kraft Gottes schöpfen. Wer immer an diese Quelle angeschlossen ist, macht sich unabhängig von den Meinungen und Drohungen seiner Umgebung. Er braucht sich nicht zu fürchten, selbst wenn er nur wenige Verbündete hat oder ganz allein ist. Den Strom der Energie aus dem Urgrund Gottes kann ihm niemand abschneiden. Dies könnte  dem nahe kommen, was als „das Reich, das der Vater gibt“ (Vgl. Lk 12,32)  bezeichnet wurde. Wenn Gott von uns ganz Besitz ergriffen hat, dann ist auch die Angst überwunden, die uns hindert, aufeinander zuzugehen und das Böse durch das Gute zu überwinden.