29.Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott


1.Lesung Ex 17, 8 - 13

2.Lesung 2 Tim 3, 14 - 4, 2

Evangelium Lk 18, 1 - 8



Die Kraft der Schwachen

 

Die Geschichte, die uns Jesus erzählt, klingt in unserem modernen Rechtssystem eher befremdlich. Ein Richter kümmert sich zwar nicht um das Recht, gibt aber doch der Aufdringlichkeit einer Frau nach. Damit soll gesagt werden, dass die Schwachen etwas bewegen können. Dazu kennen wir Parallelen auch aus unserer Zeit. Wir dürfen an das 16-jährige Mädchen aus Schweden denken- Greta Thunberg, die zur Leitfigur der Fridays-for-Future, der Bewegung für die Rettung des Klimas wurde. Einer der Höhepunkte war die Demonstration in New York, als 250 000 Schülerinnen, Schüler, Eltern und Aktivisten vor den Zentren der Finanzmacht durch die Stadt marschierten. Sie hat vor einem Jahr die ganze Sache in Bewegung gesetzt. Jeden Freitag hat sie sich mit den Schild „Schulstreik für das Klima" vor das Parlament in Stockholm gesetzt, statt zur Schule zu gehen. Sie fand ein weltweites Echo. In letzen Tagen sah man in den Städten der ganzen Welt Massen auf den Straßen.

Eines sollte deutlich werden: Die Schwachen, die auf dem letzten Platz, sind gar nicht so schwach, wenn sie sich ganz und gar hinter das stemmen, was ihr Eigenstes ist. Damit kommen wir zu dem, was uns Jesus mit dem Beispiel sagen will:
 Es braucht den Einsatz des ganzen Menschen, wenn wir es mit Gott zu tun haben, wenn wir ihn um seine Hilfe anrufen. Die Witwe weiß, worum es geht: um ihre Existenz, um das Leben und die Zukunft ihrer Kinder. Dieses Bewusstsein treibt sie zu einer letzten Entschlossenheit. 
„Selbst wenn er mich einsperren lässt oder mich hinauswirft, ich lasse mich nicht davon abhalten, meine Sache zu vertreten“, könnte die Frau zu sich gesagt haben. Eine solche Haltung meint Jesus, wenn wir zu Gott beten. Ausgeschlossen ist deshalb jene Art des Gebetes, welche nur Routine ist, die nebenher noch erledigt wird. Deshalb ist bei der Frage, ob das Gebet erhört wird, so wichtig: Bin ich ganz dabei oder mache ich es nur mit halbem Herzen?

Den ersten Schritt zu einem Gelingen des Gebets tun wir dann, wenn wir darauf achten, wie viel uns ein Anliegen wert ist, inwieweit wir im Innersten davon betroffen sind. Kaum ein Thema berührt jeden Vater, und jede Mutter mehr als das Schicksal der Kinder. Deshalb nimmt Jesus das Beispiel der Witwe. Hier ist auch die Spur, auf der wir die Erhörung in einem tieferen Sinn verstehen lernen.

Im letzten geht es bei allen Erschütterungen, Abbrüchen und Krisen unseres Lebens darum, dass wir uns wandeln, dass wir andere bessere Menschen werden und damit Gott und unserer eigentlichen Bestimmung zugleich näher kommen.
 Alles Schwierige und Schwere bekommt dann einen Sinn, wenn wir so nach und nach unser Innerstes entdecken und es bewusst als die Mitte, wo wir zuhause sind, spüren. Im Innersten ist der Funke Gottes, der zu einem großen Feuer werden kann. Der tiefste Sinn des Betens besteht demnach darin, dass wir an diese Energie angeschlossen werden und dass sie ohne unser Dazutun wie selbstverständlich ausstrahlt. Wir dürfen an leuchtende Kinderaugen denken oder auch an die strahlenden Gesichter, wenn sich zwei Liebende begegnen. Da ist etwas, das die beiden gar nicht absichtlich hervorbringen, eine höhere Macht, welche eine gemeinsame Schwingung erzeugt. In diesem Rahmen dürfen wir das Gebet betrachten.

Viele klagen darüber, dass sich durch das Gebet nichts ändert: die Krankheit schreitet weiter fort, der Mensch, mit dem man lebt, ist nach wie vor fast unerträglich und noch vieles genauso wie vorher. Es gilt, den Blick darauf hinzulenken, dass wir durch das Beten anders werden, ruhiger, gefasster, zu Menschen werden, von denen Vertrauen, Zuversicht und Freude ausgehen, zu denen sogar andere in ihrer Not kommen können. Es gibt Menschen, die nach einem schweren Schicksal sagen: „Ohne den Glauben wäre ich verzweifelt. Das Gebet gibt mir den Halt, dass ich trotzdem froh sein kann.“ Von Jesus wird berichtet, dass er durch das Gebet verwandelt wurde. „Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider wurden weiß wie das Licht“ (Mt 17,2). Als er  eine ganze Nacht auf dem Berg im Gebet verbracht hatte, ging eine Kraft von ihm aus, die Menschen anzog. In Massen strömten sie ihm zu, suchten seine Nähe, wollten ihn berühren und wurden geheilt.
In diesem Zusammenhang dürfen wir auch die Ausstrahlung des heiligen Franziskus betrachten, dessen Name nach achthundert Jahren immer noch um die Welt geht und Hoffnung weckt. Bekannt ist, dass er als junger Mann vor dem Kreuz im Kirchlein St. Damiano betete und von Christus den Auftrag erhielt, sein Haus wiederherzustellen. Nicht zu übersehen ist, dass er dabei von einem wunderbaren Licht und einer unsagbaren Freude erfüllt wurde. Und genau das war es, was von ihm ausging und heute noch leuchtet.
Seine Bitte: „Erleuchte die Finsternisse meines Herzens“ wurde erhört. Er ging als anderer aus der Kapelle. Es hat ihn von Grund auf verändert. Er hatte keine Angst, vor den Papst zu treten, den Kardinälen die Wahrheit zu sagen, sogar ins feindliche Heerlager zum Sultan zu gehen. Eines sollte uns aufgehen: Kein Gebet bleibt unerhört, wenn wir dafür Zeit, Energie und Achtsamkeit aufbringen. Es geschieht etwas mit uns selbst.