10.07.21 15. Sonntag im Jahreskreis
ERSTE Lesung |
Am 7, 12-15 |
ZWEITE Lesung |
Eph 1, 3-14 |
Evangelium |
Mk 6, 7-13 |
Der sonderbare Glanz der Armut
Nichts ist leichter, als der Kirche anhand der Aussendungsrede Jesu einen Spiegel vorzuhalten. Kein Geld, kein Brot, keinen Rucksack, nicht einmal ein Hemd zum Wechseln sollten die ersten Missionare mit auf den Weg nehmen. Vergleicht man damit den Zustand der Kirche in unserem Land, so lässt sich mit bestem Willen nicht annähernd eine Ähnlichkeit mit den Aposteln entdecken.
Mit dem Evangelium geraten wir immer dann in eine Sackgasse, wenn wir daraus hohe Ideale ableiten, ohne den Hintergrund zu kennen, auf dem sie entstanden sind. Appelle überfordern und machen nur ein schlechtes Gewissen. Viel wichtiger ist es zu schauen, wie denn eine solch radikale Armut überhaupt möglich und sinnvoll ist. Meist wird übersehen, dass der Ermahnung Jesu der Satz vorausgeht: "Er gab ihnen Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben" (Mk 6,7). Die bösen Geister sind in unserer Zeit wahrhaftig nicht verschwunden. Sie tragen nur andere Namen. Wir müssen uns eingestehen, dass wir mit Mächten zu tun haben, über die wir nicht verfügen können. Sie beherrschen uns in dem Bereich, der unser wahres Glück ausmacht. Manchmal kann das Zusammenleben, das Verstehen und das Mit einander da sein äußerst belastend sein. Es ist, als ob da fremde Geister in den Herzen hausten, die einen vom andern wegziehen, die Botschaften vertauschen und die einzelnen in die Ausweglosigkeit stoßen. Man macht einander das Leben schwer, ohne es eigentlich zu wollen.
Dass hier Gewalten am Werk sind, die größer und stärker sind als wir Menschen, dürfte mit ein wenig gutem Willen einsichtig sein. Die Kraft, sie zu überwinden, kann man nicht aus sich selbst haben. Die Apostel erhalten von Jesus diese Kraft. Wer damit Berührung kommt, wird aus einem Teufelskreis befreit, findet den Zugang zu seinem wahren Wesen und zu den Menschen, mit denen er lebt. Wenn die Apostel in einem Ort wirkten, entstand
in deren Umkreis eine Atmosphäre der Freude und des Vertrauens. Eine kurze Notiz in der Apostelgeschichte gibt eine solche Stimmung wieder. Der Diakon Philippus verkündigte in Samaria Christus. Das Ergebnis war: die unreinen Geister fuhren aus und viele Lahme und Gichtbrüchige wurden geheilt. Es herrschte große Freude in der Stadt (Apg 8, 7-8).
Es ist nur verständlich, dass für jene, die solches verursachen, gesorgt ist, gar nicht zu reden von der orientalischen Gastfreundschaft. Die Apostel werden zum Essen eingeladen, sie erhalten Unterkunft, es werden ihnen auch Kleider zum Wechseln gegeben. Man darf deshalb die Aufforderung Jesu, ja nichts mitzunehmen, auch als kluge Voraussicht betrachten in dem Sinn: Ihr braucht es ja doch nicht. Es ist nur hinderlich.
Auf diesem Hintergrund wird uns auch die Armut des heiligen Franziskus zugänglicher.
Als der Heilige in der Aussendungsrede die Botschaft vom Arm-Sein vernimmt, hatte er innerlich schon einige Schritte getan. Die Worte Jesu finden seine vollste Zustimmung. Sie fallen tief in ihn hinein. „Das ist es, was ich suche", sagt er voller Freude. Sie treffen auf eine schon vorhandene Aufnahmebereitschaft.
In den Lebensbeschreibungen ist von der Liebe zur Braut, von der kostbaren Perle, vom gefundenen Schatz, von den Herrlichkeiten des einfachen Lebens die Rede. Es ist mehr als ein hohes Ideal, dem er nahe kommen wollte. Es stehen Erfahrungen dahinter, welche diese Bezeichnungen verdienen. Jene Episode zu Anfang seines neuen Weges, als er auf dem nächtlichen Heimweg von Glück und Freude wie gebannt nicht mehr weitergehen konnte, brachte ihn auf die Spur. Er war von Gott, von der Unendlichkeit berührt worden. Für ihn hatten sich alle Perspektiven verändert, vor allem die von Macht und Besitz. Alles Äußere hatte seine Bedeutung verloren. Damit sind nicht nur Hab und Gut gemeint, sondern auch der Name seines Vaters und die Wertschätzung seiner Freunde und der Bewohner der Stadt. Ihm war aufgegangen, dass die Loslösung von allem vom Glück der Nähe Gottes immer neu begleitet ist. Er nennt es „Süße". Es ist ein Zustand des inneres Erglühens, des Jubels, des Erfüllt - und Ergriffenseins, welche alle anderen Begehrlichkeiten in den Schatten stellt und verblassen lässt; eine Motivation, die weiter lockt und weiter treibt. Was nach außen als der größte Verlust erscheint, wird für Franziskus zur höchsten Lebenssteigerung, zum lohnendsten Ziel, das ein Mensch erreichen kann, zur „Fülle des Lebens". Für ihn ist die Armut engstens mit der Begegnung mit Christus verbunden ganz besonders mit dem Wort: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben" (Jo 10,10). Die Armut, wie sie Franziskus versteht, ist primär Ergebnis der innigsten Erfahrung Gottes und zugleich der direkte und sicherste Weg zu ihm. Deshalb ist sie dem Mann aus Assisi heilig und unantastbar.
Wir verstehen das Gebot der Armut eher, wenn wir die heilende und beglückende Kraft Jesu in uns selbst entdecken, anstatt fixiert auf Glanz und Elend der Welt zu starren, Anklagen und Forderungen zu erheben oder uns selbst von einem unverstehbaren und unerfüllbaren Ideal unter Druck setzen zu lassen. Nicht wer mit dem Elend der Welt ein schlechtes Gewissen macht, bringt die Umkehr, die Jesus meint, sondern wem es gelingt, die Menschen in ihrem Kreisen um die äußeren Dinge anzuhalten. Wenn wir Impulse aus der Tiefe zulassen, die wir als neu, echt und befreiend erleben, werden sich auch unsere Vorstellungen von Besitz und Armut verändern.
Von innen kommt die Kraft, die unser Leben ordnet und bereichert, die uns zueinander führt und Gefühle fließen lässt. Wenn wir lernen, in uns selbst hineinzuhorchen und dem nachzugehen, wird manches Äußere weniger wichtig. Vieles löst sich von selbst und wir dürfen sogar etwas vom Reiche Gottes spüren.
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