26 Osternacht

Liturgie  siehe Tagesimpuls - Erzabtei Beuron (erzabtei-beuron.de)

1.Lesung Gen 1.26-31a
2.Lesung Gen 22.1-2.9a.10-13.15-18
3.Lesung Ex 14,15-15,1
4.Lesung Jes 54.5-14
5.Lesung Röm 6.3-11
Evangelium Lk 24,1-12

Die Nacht und ihre Geheimnisse

In jeder Nacht geschehen Dinge, die als Geheimnisse der Herzen gehütet werden, aber doch über Glück und Unglück, über Hoffnung oder Verzweiflung bestimmen. Diese Nacht, die wir heute feiern, hat ihr besonderes Geheimnis.
Wozu eine Nacht werden kann, mit welchem Morgen sie endet, erzählt uns die Geschichte von den Frauen am Grab.
Da ist Maria von Magdala mit einem Schicksal, das so außergewöhnlich ist, dass sich viele Legenden um sie gebildet haben.
Zwei Evangelisten berichten: Jesus hatte aus Maria von Magdala sieben böse Geister ausgetrieben (Mk 16,9, Lk 8,2). Wer sieben Teufel in sich trägt, in dem ist wirklich die Hölle los. Man stelle sich eine Frau vor, die gepeinigt wird von dunklen Gefühlen, die das Empfinden hat, ein Niemand, ein Nichts zu sein, vor aller Welt schuldig, zerrissen, von Hass und Ekel gegen sich selbst und gegen die Umgebung, so als ob sie nicht mehr atmen könnte. Nacht war in ihr. Da begegnet sie Jesus. Und seitdem war es Licht geworden. Ihre Seele blühte auf, ihr Herz begann zu singen vor Dankbarkeit und Freude. So tief ihre Nacht war, so hell war der Morgen als sie von dem gütigen Blick Jesu getroffen und ihre Angst in seiner Nähe beruhigt wurde.
Die spätere Auslegung setzt sie mit jener Frau gleich, die bei einem Gastmahl Jesus mit ihren Haaren berührte und dabei vor Glück weinte (Lk 7,36 50).
Was in Maria in dieser Begegnung aufgebrochen war, war so stark, dass selbst die schrecklichen Ereignisse um den Tod Jesu sie nicht zerstören konnten. Sie hatte den Mut und die Kraft, unter seinem Kreuz zu stehen. Was in ihrer Seele aufgeblüht war, der Duft davon, das waren die wohlriechenden Öle und Kräuter. In diesem Duft lag ihr Dank, ihre Hingabe, ihre Leidenschaft, ihre Treue und ihre unzerstörte Hoffnung. Als sie zum ersten Mal Jesus sah, ging für sie das Licht der Freude, der Wärme und Lebendigkeit auf. Jetzt an diesem Ostermorgen wiederholt sich das erste große Wunder in einer noch alles übertreffenden Weise: Sie kommt wiederum aus der Nacht der Trauer und darf etwas Neues, Unerwartetes erleben: die Begegnung mit dem Auferstandenen.
Die Auferstehung Jesu hat niemand gesehen: wir können sie nur lesen auf dem Spiegel der Herzen derer, die mit ihm bis in den Tod hinein verbunden waren. Vor uns liegt eine Niederschrift von Ereignissen, die wir nur auf der Folie des Herzens, d.h. des glaubenden Gemüts entziffern können. Was sich nach dem Tod Jesu ereignet hat in jener Nacht, wo die Trauer zu Ende ging, lässt sich beschreiben mit den Worten: Es war wie der Duft der wohlriechenden Kräuter! Es war wie der frische, unverbrauchte, neue Tag! Wie die aufgehende Sonne, die das Leben in Bäumen und Gräsern und in den Gassen der Straßen weckt. Es war nicht nur wie, es war tatsächlich so, dass ein Grab sich öffnet und die Frauen keinen verwesenden Leichnam, sondern einen Mann in der Kraft und Schönheit der Jugend darin finden. Das, was das Wesen Jesu ausmacht, lebt und ist in diesen Bildern da, anwesend: das überwältigende und wohltuende seiner Erscheinung, das Licht, das von ihm ausging, wenn er sich einem Menschen zuwandte, wenn er mit seinem Sprechen ihre Herzen erhellte, die Kraft, mit der er die Kammern der Verzweiflung und der Ängste aufschloss und die Lasten abnahm. Die jugendliche Frische, die Erstarrtes aufbrach und Freude am Leben schenkte. Und doch heißtes: Er ist nicht hier (Lk24,6). Sie sollten nach Galiläa gehen. Jesus bleibt verborgen hinter den Bildern. Um ihn selbst zu sehen, sollten sie zurückgehen zu ihrem ursprünglichen Vertrauen zu Jesus, zur ersten Begegnung in Galiläa, wo alles begann, zu dem ersten Morgen, als sie Jesus fanden.
Das unerhört Neue ist so überwältigend, dass sie damit noch nicht umgehen können. Es ist aber ein Schrecken, der aus Lethargie, Hoffnungslosigkeit und Resignation aufweckt. Ein offenes Grab, von einer anderen Macht geöffnet, als die wir kennen, kann uns herausreißen aus der Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit, mit der wir unseren Tod und die Botschaft der Auferstehung zudecken. Unter diesem Aspekt dürfen wir auch die Schreckensnachrichten der letzten Wochen sehen. Wir werden wachgerufen, dass wir der Nichtigkeit unseres Daseins, dem Tod, dem absolut Bösen, den finsteren Bedingungen unseres Menschseins ins Auge schauen.
Das Geheimnis dieser Nacht lautet: es wird endgültig Tag in unseren Herzen und in dieser Welt, kein Grab schließt sich für immer; in der Nacht wird das Licht geboren, das milde Licht auf dem Antlitz Christi.

 

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