Meine Träume - mein Schicksal

Unverständlich und erschreckend
Wenn wir unsere Träume beobachten, stoßen wir als allererstes auf Unverständliches, sehr häufig auch auf Banalitäten, denen wir keine Beachtung zu schenken brauchen. Nicht alles muss gedeutet werden. Manches dürfen wir als Nachwirkung der Tagesereignisse oder einer Fernsehsendung sehen; wo es darum geht, dass die Seele sich noch damit befasst und mit den Aufregungen erst fertig werden muss.
Anders ist es, wenn Szenen im Traum uns so erschrecken, dass wir sogar davon aufwachen und Angst oder Trauer zurückbleiben. Wir nennen sie gewöhnlich Albträume. Wir stehen auf einem hohen Gebäude oder einer Brücke ohne Geländer oder stürzen sogar hinab. Wir werden von jemand verfolgt oder bedroht. Wir werden zur Hinrichtung geführt. Wir selbst sind gestorben oder jemand aus der Familie oder sonst ein für uns wichtiger Mensch. Wir sind in einen Mord verwickelt, entweder dass wir darum wissen und damit in Gefahr sind, oder dass wir selbst ihn ausführen sollen oder schon begangen haben.
Solche Träume können wir nicht so leicht vergessen; sie belasten uns und es fällt schwer, sie als Boten der Seele anzuerkennen oder sogar Spuren einer Lebenshoffnung zu entdecken. Man sollte aber beachten: Träume sind zunächst die Bestandsaufnahme der unbewussten Seele, eine in Bildern dargestellte Spiegelung der inneren Prozesse, ein Blick in die Werkstatt der Seele. Ob diese für uns zum Guten werden hängt wesentlich davon ab, wie wir uns zu ihnen verhalten, ob wir sie vernachlässigen und verdrängen oder ob wir sie ernst nehmen und uns auf sie einlassen. Alpträume sie sind keine äußere Wirklichkeit. Aber die Angst, die sich zeigt, ist Realität. Und die ist nicht zu unterschätzen. Man könnte fast sagen:
Angst- Ursache allen Übels
Angst ist die Ursache so ziemlich allen Übels. Als erstes bei sich selbst. Die Angst verhindert, ohne dass man es weiß, eine realitätsgerechte Wahrnehmung. Wichtige Dingen werden nicht gesagt aus Angst zu verletzen oder zu verlieren, Aussagen werden gar nicht gehört oder gelesen oder einfach nicht ernst genommen. Wenn daraufhin Entscheidungen getroffen werden, wird sich das in einigen Jahren oder sehr bald als sehr verhängnisvoll herausstellen. Man denke an die misslungenen ehelichen oder nichtehelichen Partnerschaften. Hier könnten Träume Schicksale bestimmen. Ganz aktuell sind die Ängste heute in der öffentlichen Auseinandersetzung: Angst vor Überfremdung, Angst um die Zukunft der Kinder und Enkel, das Angstpotential in der Kirche, welches den Auftrag des Evangeliums verhindert: authentische Kommunikation, gegenseitige Achtung, Glaubwürdigkeit der Verkündigung!
Stehen bleiben und Überlegen!
Angstträume sind insofern hilfreich als sie vor übereilten Entschlüssen warnen und zunächst einmal zum Stehenbleiben und Überlegen auffordern. Wir stehen vor einem schmalen ungesicherten Übergang über einen Fluss oder Abgrund. Die Szene will dem Träumer sagen, dass er noch nicht so weit ist, eine endgültige Entscheidung zu treffen z.B. eine Heirat einzugehen; dass er noch Zeit braucht für eine innere Entwicklung. Man darf durchaus davon ausgehen, dass die Angst eine Warnung ist und vor gefährlichen und schädlichen Schritten warnen will.
Erwachen aus dem Wesensschlaf
Wir dürfen das Aufwachen durch einen Angsttraum im Zusammenhang mit dem Erwachen aus dem Wesensschlaf betrachten, d.h. dass wir hellhörig werden dafür, wie es mit uns im Innersten steht und dass wir wie beim Aufstehen am Morgen neue belebende Impulse spüren. Mit Wesensschlaf ist eine Einstellung gemeint, in der man tieferen Lebensfragen ausweicht durch ständige Ablenkungen in der Freizeit oder durch eine ungezügelte Arbeitswut und am Schluss nicht mehr weiß, wofür man arbeitet. Man will nicht wahrhaben, dass Krankheit, Alter, Abschied und Tod genau so zum Leben gehören und dass sie nicht Misslingen des Lebens bedeuten; dass deren Bewältigung von Faktoren abhängt, die in der Mitte unseres Wesens ihren Sitz haben. Dass dieses erwacht und eigenständig wirkt, merken wir an neuen beglückenden Erfahrungen; dass die Angst schwindet; dass wir lebendiger werden und wieder Freude am Leben haben, wie dies ein junger Mann nach jahrelanger seelischer Krankheit berichtet. Es ist ein Prozess der Heilung und des Wachstums der Persönlichkeit. Wir werden ausgeglichener, echter, persönlicher und weniger schablonenhaft, vor allem aber gütiger und verständnisvoller gegenüber den Menschen, mit denen wir es zu tun haben. Es werden Kräfte frei, die unserem Leben eine erlösende Wende geben gerade im Hinblick auf dessen dunkle Seiten.
Ganz allgemein lässt sich sagen: Unser Wesen ist dann erwacht, wenn unsere Seele anfängt, uns zu interessieren; wenn wir unsere Träume aufschreiben eventuell sogar malen, wenn wir uns eine(n) kompetente(n) Traumbegleiter(in) suchen und dafür Zeit und Geld aufwenden; wenn uns der Fortschritt unserer Seele mehr wert ist als äußerer Erfolg oder die Anschaffungen von mehr Komfort oder eine teure Urlaubsreise.
Unter diesem Aspekt machen Träume noch keine Weltgeschichte, haben aber sehr viel mit unserer eigenen Lebensgeschichte zu tun.Angstträume sagen uns, wie fadenscheinig und hohl das Getue um noch mehr Abwechslung, Sensation, Vergnügen und noch mehr Genuss ist, aber ebenso wie brüchig eine scheinbar sichere Position sein kann, und vor allem auch, was hinter den Fassaden einer scheinbar gesitteten Gesellschaft vor sich geht leidet.


Tod im Traum
Erschreckend sind Träume besonders dann, wenn sie von Mord und Tod handeln, wenn Angehörige sterben oder wenn wir sie tot auffinden.
Zum Beispiel sieht eine Frau im Traum ihren Sohn auf sich zukommen. Sein Gesicht strahlt wie die Sonne. Aber eine Stimme sagt: Dein Sohn wird sterben! Diese Botschaft hat verständlicherweise Angst in ihr ausgelöst, sie hat den Traum nach mehr als 10 Jahren noch nicht vergessen, aber sie hatte den letzten Anstoß bekommen, sich mit ihrer Lebenssituation auseinanderzusetzen, ihre Depressionen zu bearbeiten und sie zu überwinden.
Zunächst zum Thema „Bearbeitung", ein Wort, das man häufig hört und das doch meist fremd bleibt. Eines sollte von Anfang hervorgehoben werden: Die Figuren im Traum bedeuten Gefühle und die Szenen, in denen sie auftauchen, sind deren Schicksal und Verlauf.
Träume von Mord oder Tod eines Angehörigen sollten uns nicht in Panik stürzen; man sollte immer beachten, dass Träume überzeichnen, um so die Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken. Die Aussage ist, dass beim Thema Tod etwas in uns tot ist; dass wir uns oft wie tot vorkommen ohne Elan, ohne Antrieb, ohne den Impuls, von uns etwas mitzuteilen und ins Gespräch zu kommen.
Die Teilnehmerin eines Kurses erzählte, sie habe im Traum ihre Nichte, ein Kind mit sechs Monaten, tot mit aufgerissenen Augen in der Badewanne gesehen. Nach zehn Jahren lebt das Kind immer noch - es ging gar nicht um dieses, sondern um das innere Kind der Träumerin, d.h. um Gefühle, die man einem menschlichen Wesen in diesem Alter zuwendet; um Zärtlichkeit, Nähe und Geborgenheit. Die Frau sprach aber auch noch von einer tieferen Sehnsucht nach Lebendigkeit, nach Erfüllung, nach religiöser Erfahrung. Offensichtlich stellt das Kind einen wichtigen Lebensimpuls dar, der ihr abhanden gekommen war.
Ebenso wenig ist der im Traum angekündigte Tod des jungen Mannes ein Hinweis, dass dieser bald sterben wird, sondern Ausdruck der Angst der Mutter, die unabhängig von ihrem Sohn das seelische Fundament der Frau erschüttert. Aber selbst wenn ein(e) Fachmann/frau ihr versichern würde, dass keineswegs der nahe Tod des Sohnes gemeint ist, würde sie diese Befürchtung nicht los werden. Entscheidend ist, ob sich auf der Basis der Gefühle etwas verändert, d.h. ob sich ihre Angst reduziert. Dazu bedarf es des vertrauensvollen Gegenübers anderer. Sobald ein Traum oder ein Stück einer Lebensgeschichte in einer beruhigenden, vertrauensvollen Atmosphäre bei einem Therapeuten(in) oder in einer Runde von mitfühlenden und verständnisvollen Teilnehmern eines Seminars erzählt wird, verliert das Ereignis (ob im Traum oder in der Wirklichkeit) von seinem bedrängenden und angstmachenden Charakter. Der/die Träumer / in fühlt sich erleichtert, befreit und gestärkt. Er / sie hat die Erfahrung gemacht, dass es auch anders sein kann und dass der Umgang mit Träumen in dieser Form etwas bringt.
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Eine Mords-Wut-- Missbrauch.
In derselben Richtung der symbolischen Aussagen sind Traumszenen, die mit Mord zu tun haben. Das Thema „Mord" lässt aufhorchen. Es geht um etwas Unbekanntes, Unheimliches, Schwerwiegendes, weswegen das Unbewusste dieses Bild wählt. Die Teilnehmerin eines Kurses erzählte, dass sie im Traum einen Mord begangen habe und dass dieses Geheimnis gelüftet werde. Ausgeschlossen ist, dass es sich hier um einen realen Mordfall handelt. Die Wirklichkeit ist aber, dass sie als Kind von ihrem eigenen Vater missbraucht wurde. Es war tatsächlich ein Seelenmord. Es ist ein psychischer Mechanismus, dass die Opfer in solchen Fällen die Schuld des Täters auf sich nehmen. Sie fühlen sich entehrt und „geschändet" und schweigen aus Scham darüber, obwohl objektiv kein Grund dafür besteht. Wie soll ein Kind die Wut auf den Vater, von dem es in allem abhängig ist und den es liebt, zulassen und ihn beschuldigen? So richtet sich ihre „Mords"- wut gegen sich selbst. Im Traum sieht das so aus, dass sie eine Frau ersticht, die sie als sie selbst erkennt, d.h. ihr eigenes Frausein, ihre Identität, ihre echten Gefühle wurden umgebracht. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es für sie sein muss, eine Beziehung einzugehen und Nähe als beglückend zu erleben. Nichts macht deutlicher, wie sehr die junge Frau den Zugang zum eigenen Gefühl verloren hat, dass sie sich im Traum als Täterin empfindet, während sie das Opfer ist. Wenn es in einer so leidvollen Lebensgeschichte wie dieser um Auffindung des Eigenen geht, dann ist das Zulassen des Schmerzes und der Trauer der erste Schritt. Im Empfinden des Leids sind keine Rollen mehr vertauscht, dort ist jede(r) ganz sie / er selbst; es ist immer das eigene Leid. Deshalb ist ein wirkungsvolles Durcharbeiten eines belastenden Traumes immer mit Tränen verbunden. Sie sind es, die Spannung lösen und in eine befreite und wohltuende Tiefe führen.
Zum Schluss noch ein Blick auf die Traum- und Schlafforschung, von der viel zu hören und zu lesen ist. Man muss eines klar stellen: Sie befasst sich mit der physiologischen, objektiven Seite des Schlafes und der Träume, mit messbaren Hirnströmen und Augenbewegungen, sogenannte REM-Phasen. Sie sagt aber nichts über die existentielle Ebene , über die Bedeutung für das Schicksal des einzelnen. Der Psychiater C.G .Jung, der sich die Erforschung der Seele zur Aufgabe gemacht hatte, hat sich nicht mit Hirnforschung beschäftigt.. Ihm ging es darum, Menschen aus Not und Verzweiflung zu helfen. Dazu waren die Träume eine entscheidende Hilfe. Seine wichtigste Erkenntnis: Es gibt eine Instanz, welche Sinn und Heilung vermittelt. Diese ist geistiger Natur, nicht Ergebnis der Triebdynamik wie bei Freud, auch nicht Produkt der Physiologie des Gehirns. Man kann Vertrauen, Liebe, Sinn, nicht durch Medikamente herstellen! Dafür ist die besagte Instanz zuständig, die Jung „das Selbst" nennt, mit welchem der Archetypus des Gottesbildes, der religiöse Archetyp einhergeht.. Es ist der allerbedeutsamste Punkt in einem selbst, wo jeder ganz er/sie selbst ist, wo sich die innigste Nähe zu Gott und den Menschen ereignet.

 

 

 

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