30. Sonntag im Jahreskreis27.10.2024

 

 

EröffnungsversVgl. Ps 105 (104), 3-4
Freuen sollen sich alle, die den Herrn suchen.
Sucht den Herrn und seine Macht, sucht sein Antlitz allezeit.
Ehre sei Gott, S. 371 f.
Tagesgebet
Allmächtiger, ewiger Gott,
mehre in uns den Glauben,
die Hoffnung und die Liebe.
Gib uns die Gnade,
zu lieben, was du gebietest,
damit wir erlangen, was du verheißen hast.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
ZUR 1. LESUNG   Jeremia, der Prophet des Untergangs, durfte nach dem Untergang der beiden Reiche Israel und Juda auch die Trostbotschaft ausrichten, dass Gott sich um sein Volk kümmern wird. Wie ein Hirt und Vater wird er den Rest Israels wieder sammeln; er will das Verwundete heilen und das Verlorene retten. Messianische Erwartungen klingen an, wenn der Prophet auch den Blinden und den Lahmen Hoffnung gibt.

Erste LesungJer 31, 7-9

Blinde und Lahme, in Erbarmen geleite ich sie heim
Lesung
aus dem Buch Jeremía.

7So spricht der Herr:
Jubelt Jakob voll Freude zu
und jauchzt über das Haupt der Völker!
Verkündet, lobsingt
und sagt: Rette, Herr, dein Volk,
den Rest Israels!
8Siehe, ich bringe sie heim aus dem Nordland
und sammle sie von den Enden der Erde,
unter ihnen Blinde und Lahme,
Schwangere und Wöchnerinnen;
als große Gemeinde kehren sie hierher zurück.
9Weinend kommen sie
und in Erbarmen geleite ich sie.
Ich führe sie an Wasserbäche,
auf ebenem Weg, wo sie nicht straucheln.
Denn ich bin Vater für Israel
und Éfraim ist mein Erstgeborener.
AntwortpsalmPs 126 (125), 1-2b.2c-3.4-5.6 (Kv: 3)
Kv Groß hat der Herr an uns gehandelt.GL 432
Da waren wir voll Freude. - Kv
1Als der Herr das Geschick Zions wendete, *
da waren wir wie Träumende.
2abDa füllte sich unser Mund mit Lachen *
und unsere Zunge mit Jubel. - (Kv)
2cdDa sagte man unter den Völkern: *
Groß hat der Herr an ihnen gehandelt!
3Ja, groß hat der Herr an uns gehandelt. *
Da waren wir voll Freude. - (Kv)
4Wende doch, Herr, unser Geschick *
wie du versiegte Bäche wieder füllst im Südland!
5Die mit Tränen säen, *
werden mit Jubel ernten. - (Kv)
6Sie gehen, ja gehen und weinen *
und tragen zur Aussaat den Samen.
Sie kommen, ja kommen mit Jubel *
und bringen ihre Garben. - Kv
ZUR 2. LESUNG   Wir haben Grund, dem Wort Gottes zu glauben und der Treue Gottes zu trauen. Wir haben einen Hohepriester: Jesus, den ewigen Sohn. Er ist einer von uns, kann also mitfühlen mit unserer Schwachheit, und er ist von Gott eingesetzt zum Dienst für die Menschen. Darin gleicht er dem Hohepriester des Ersten Bundes; aber sein Priestertum ist ungleich erhabener; er ist der Sohn, und sein Priestertum ist ein ewiges Priestertum. Er hat die Macht, alle zu retten.

Zweite LesungHebr 5, 1-6

Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks
Lesungaus dem Hebräerbrief.
1Jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen
und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott,
um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen.
2Er ist fähig,
mit den Unwissenden und Irrenden mitzufühlen,
da er auch selbst behaftet ist mit Schwachheit,
3und dieser Schwachheit wegen muss er
wie für das Volk so auch für sich selbst Sündopfer darbringen.
4Und keiner nimmt sich selbst diese Würde,
sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron.
5So hat auch Christus
sich nicht selbst die Würde verliehen, Hohepriester zu werden,
sondern der zu ihm gesprochen hat:
Mein Sohn bist du.
Ich habe dich heute gezeugt,
6wie er auch an anderer Stelle sagt:
Du bist Priester auf ewig
nach der Ordnung Melchísedeks.
Ruf vor dem EvangeliumVers: vgl. 2 Tim 1, 10
Halleluja. Halleluja.
Unser Retter Jesus Christus hat den Tod vernichtet
und uns das Licht des Lebens gebracht durch das Evangelium.
Halleluja.
ZUM EVANGELIUM   Die Heilung des Blinden von Jericho ist die letzte Wundererzählung im Markusevangelium. Der Blinde wusste, dass er blind war, und schrie um Hilfe. Er wurde sehend und folgte Jesus nach. Die Jünger dagegen scheinen immer noch blind zu sein. Sie ziehen zwar mit Jesus nach Jerusalem hinauf, aber sie verstehen seinen Weg nicht; bei der Kreuzigung Jesu wird der heidnische Hauptmann der Einzige sein, der sieht und begreift: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn."

EvangeliumMk 10, 46b-52

Rabbuni, ich möchte sehen können
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.
In jener Zeit,
46b als Jesus mit seinen Jüngern
und einer großen Menschenmenge Jéricho verließ,
saß am Weg ein blinder Bettler,
Bartimäus, der Sohn des Timäus.
47Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war,
rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!
48Viele befahlen ihm zu schweigen.
Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids,
hab Erbarmen mit mir!
49Jesus blieb stehen
und sagte: Ruft ihn her!
Sie riefen den Blinden
und sagten zu ihm: Hab nur Mut,
steh auf, er ruft dich.
50Da warf er seinen Mantel weg,
sprang auf
und lief auf Jesus zu.
51Und Jesus fragte ihn: Was willst du, dass ich dir tue?
Der Blinde antwortete: Rabbúni, ich möchte sehen können.
52Da sagte Jesus zu ihm: Geh!
Dein Glaube hat dich gerettet.
Im gleichen Augenblick
konnte er sehen
und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.

Der Blinde,der um sein Leben schreit

Wir hören heute eine Geschichte, die wir auch mit dem Titel benennen könnten : „Da gingen ihm die Augen auf."
Damit könnte dieser Mann aus Jericho in unser Leben eintreten. Er vertritt so manche Blindheit in uns selbst, wenn wir sagen: Da blicke ich nicht mehr durch. Es ist wie, wenn man ein Brett vor dem Hirn hätte. Es gibt eine Sicht der Dinge, die durch Leid und Angst verstellt ist, die nur noch Feinde und Bedrohung kennt. Es ist die Blindheit des Herzens, die den möglichen Ausweg nicht sehen kann.
Hier kann es hilfreich sein, genauer hinzuschauen, wie der Blinde es schafft, der Dunkelheit zu entkommen. Jeder Schritt ist wichtig .
In einem Religionsbuch ist die Geschichte der Heilung sehr anschaulich dargestellt.

rot angelaufen
Dabei fällt auf, dass nicht nur das Gesicht sondern der ganze Mann rot ist.
Dieses Rot bedeutet die Anstrengung des Mannes. Er ist rot angelaufen, weil er aus Leibeskräften schreit. Es ist sein voller Einsatz. Er schreit um sein Leben; er denkt: jetzt oder nie! Dieses Rot im Bild gibt die Dramatik der Szene treffend wieder. Und tatsächlich hat der Schrei des Blinden Erfolg. Zuerst wird er gescholten und abgewiesen wahrscheinlich mit dem Argument, er solle die feierliche Atmosphäre nicht stören; der Meister könnte sich belästigt fühlen. Was sei er schon als Bettler, wo es doch um viel wichtigere Dinge geht. Als er aber nicht aufhört, wird Jesus aufmerksam und läßt ihn rufen. Hier schlägt die Stimmung zu seinen Gunsten um. Die Umstehenden ermuntern ihn jetzt sogar, zu Jesus zu kommen. Was in der folgenden Begegnung auffällt, ist dies: Jesus fragt ihn nach dem, was er will, was aus ihm herauskommt. Er darf seinen Wunsch frei äußern, und Jesus respektiert sein Schreien und seinen Einsatz um jeden Preis. Er sieht darin den Glauben des Mannes und damit wird Heilung möglich.
„Dein Glaube hat dir geholfen" (Mk 10,52) lautet der Satz, mit dem Jesus ihn entläßt.

Der Glaube, der zum Sehen  hilft
Wenn es also am Glauben hängt - gewissermaßen als Heilungsmittel - , läßt sich dieser Glaube einfach machen oder willentlich herbeizwingen?
Das Schreien des Bartimäus kommt unmittelbar aus ihm selbst, aus seinem Schmerz; es ist nicht gemacht, sondern zugelassen!
Was gelebter Glaube sein kann, finden wir am anschaulichsten an Wallfahrtsorten.
Von einem Kreuz, das in einer Kirche auf einem Berg hängt, wird folgende Geschichte erzählt.
Ein Mann trug es auf den Knien, Rosenkranz betend, vom Ufer des nahen Flusses bis zur Kirche und legte damit einen Weg von etwa drei Kilometern zurück.. Dazu brauchte er 5-6 Stunden. Er tat es an drei aufeinanderfolgenden Jahren. Der auffallende Pilger , der unbekümmert um die verwunderten Blicke der Zuschauer und um das Gerede im Dorf dieses außerordentliche Werk getan hat, war ein Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft. Er hatte es dort im Falle seiner Rettung gelobt. Man kann nur ahnen, welchem Grauen er entronnen war. Die Achtung vor dem Schicksal dieses Mannes und wie er damit fertig wurde, läßt das Theoretisieren darüber, ob es Wunder gibt, verstummen.
Der Entschluß, etwas mit dem letzten Einsatz seiner Kräfte zu tun, war im äußersten Elend gewachsenn und hat - so dürfen wir annehmen - die seelischen Energien geweckt, die für ein Überleben nötig waren. Es war der unbedingte Einsatz der ganzen Person wie beim Blinden und noch mehr. Die Absicht des Gefangenen, etwas zu tun, was ihm einmal alles abverlangen wird, hat in ihm eine Idee geweckt, die ihn weitertrug. Die Seele war schöpferisch geworden. Darin wirkt Gottes Güte. Das Entscheidende dürfte gewesen sein, daß sich in ihm selbst etwas verändert hat. Wir dürfen auch sagen, daß er zu einem außergewöhnlichen, heroischen Glauben gefunden hat.
Eine Lebenssituation, in welcher der Blick nach außen getrübt ist, wo man kein Land, und keine Alternativen mehr sieht, zwingt einen, nach innen zu schauen.
Dort öffnet sich ein Weg. Sobald sich in einem selbst etwas verändert, wird auch unser Verhältnis zur äußeren Lage anders. Wenn der blinde Fleck beseitigt ist und man die Dinge von einer anderen Perspektive betrrachten kann, ist dies eine erhebliche Entlastung und bringt neue Kraft zum Fließen.
Es kommt an das heran, was in der Hl. Schrift Umkehr (Metanoia) genannt wird. Der erste Schritt ist nicht die heroische Bußtat, sondern dass man die eigenste Betroffenheit zulässt.
Dies könnte man vom Gelübde des Gefangenen sagen. Der entscheidende Moment liegt darin, daß hier jeweils Kräfte der unbewußten Seele den Leidenden ergreifen und damit die Tiefe der gesamten Existenz mobilisieren, während bei einem rein willentlichen Vorsatz der innere Mensch unbewegt bleibt.
Worauf es also ankommt ist dies: dem Schmerz nicht ausweichen, ihn aussprechen(bei einem verständnisvollen Menschen) oder sogar hinausschreien, aus ihm heraus die Gebete formulieren, ihn durchleiden und durchstehen.
Jesus lobt den Glauben, der aus der Not geboren wird, auch wenn dieser ungebühr-liche, unkonventionelle und unorthodoxe Formen annimmt. Denken wir an die Frau mit dem Blutfluß, die Jesus gegen das Reinheitsgebot berührt (vgl. Lk 8,43-48), an die Syrophönizierin, die als Heidin gar kein Recht auf Jesu Wirken gehabt hätte (vgl. Mk 7,24-30) und an viele andere Szenen, welche bei den Frommen Ärgernis erregen.
Vom hl. Franziskus wird berichtet, daß sein Weg vom verwöhnten Sohn begüterter Eltern zu dem, als der er in die Geschichte einging, von Krisen, Unsicherheiten und Leiden an der Dunkelheit bestimmt war. Er suchte entlegene Gegenden auf, um den angestoßenen Prozess voll auszutragen. Entscheidend ist sein inniges Gebet um Klarheit.

    Bis das Neue durchbricht
Er hat sich so ganz und gar dem inneren Geschehen gestellt, bis das Neue in ihm durchgebrochen war.
Eine Krise wird deshalb zur Chance, weil sie uns zwingt, alle Kräfte und alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, auf einen Punkt hin zu konzentrieren, nämlich auf das bloße Überleben oder auf eine uns äußerst wichtigen Wert, im Grunde immer die Liebe. Die Kon-zentration bringt uns ganz wörtlich ins Zentrum unserer Persönlichkeit, und alle anderen nebensächlichen Dinge können abfallen.
Den bedingungslosen Einsatz, den das Leid erzwingt, dürfen wir als den Preis dafür sehen, dass wir anders sehen lernen, dass wir neue Menschen werden ohne Angst vor den Leuten, dass wir in den scheinbaren Nachteilen das Gute sehen und sogar das Beste daraus machen.

 


Glaubensbekenntnis, S. 374 ff.
Fürbitten vgl. S. 805 ff.

ZUR EUCHARISTIEFEIER   Wie oft bin ich blind gegenüber dem, worauf es ankommt? Blind für das, was von mir gefordert wird oder was mich wirklich weiterbringt? - Der Ruf Jesu führt heraus aus dem Dunkel der Orientierungslosigkeit. Sein Wort ist das Licht, das den Weg zum wahren Leben weist.
Gabengebet
Allmächtiger Gott,
sieh gnädig auf die Gaben, die wir darbringen,
und lass uns dieses Opfer so feiern,
dass es dir zur Ehre gereicht.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
Präfation, S. 427 ff.
KommunionversVgl. Ps 20 (19), 6
Wir jubeln über die Hilfe des Herrn.
Wir frohlocken im Namen unseres Gottes.
Oder:Eph 5, 2
Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben
als Gabe und Opfer, das Gott wohlgefällt.
Schlussgebet
Herr, unser Gott,
gib, dass deine Sakramente
in uns das Heil wirken, das sie enthalten,
damit wir einst
als unverhüllte Wirklichkeit empfangen,
was wir jetzt in heiligen Zeichen begehen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
FÜR DEN TAG UND DIE WOCHE
Pistis, der griechische Begriff, den wir im Deutschen mit „Glauben" übersetzen, heißt „Treue" und „Vertrauen". Martin Luther hat einmal gesagt: „Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade. Und solche Zuversicht macht fröhlich, mutig und voll Lust zu Gott und allen Geschöpfen." Gleichzeitig wusste er, dass zum Glauben immer auch Anfechtung und Zweifel gehören, ja, dass sie wohl Geschwister des Glaubens sind. Das gilt auch in unserer hochtechnisierten Zeit: Wer glaubt, wagt Vertrauen und hat die feste Zuversicht, dass Gottes Welt mehr und größer ist als das, was wir sehen und begreifen. Und dass Gottes Ewigkeit über unser begrenztes Leben hinausgeht. (Margot Käßmann)