11.Sonntag - Jahreskreis A                                                                                    

Texte zum Tag: www.erzabtei-beuron.de

1.Lesung Ex 19, 2 - 6a                                                                                                           

2.Lesung Röm 5, 6 - 11                                                                      

Evangelium Mt 9, 36 - 10, 8

  
Neue Botschaft aus der Stille

Es werden zweitausend Jahre, seitdem Jesus zum ersten Mal seine Apostel ausgesandt hat, den Menschen das Himmelreich zu verkünden. Wir dürfen fragen: Was ist aus seiner Botschaft geworden? Es hat den Anschein, das Christentum sei für die moderne Welt bedeutungslos geworden und erlebe nun wie andere Religionen nach Aufstieg und Blütezeit einen fortschreitenden Niedergang.

Dass dem nicht so sein muss, dazu sei ein kurzer Hinweis angebracht. Fast kein Tag vergeht, an dem nicht eine Schreckensmeldung aus den Ländern des Nahen Osten eintrifft. Aber kaum jemand weiß um die gewaltige Leistung der Ordensfrau Ruth Pfau in Pakistan und ihrer freiwilligen Helfer, die sie im Geiste Jesu inspiriert hat. Sie hat sich um die Aussätzigen, Menschen im schmutzigsten Elend, angenommen und ein flächendeckendes Netz von Betreuungsstationen aufgebaut. Ihr Werk ist ein unleugbares Licht christlichen Geistes in einer von Unwissenheit, Hass und Feindschaft geprägten Welt. Es ließen sich noch viele andere großartige Menschen anführen, welche den Aufrag Jesu auf ähnliche Weise erfüllen. Einen eingefleischten Gegner des Christentums werden auch solche Tatsachen nicht überzeugen. Er wird  in der Geschichte oder in der Gegenwart immer Anlässe finden, die seine Meinung bestätigen. Allerdings gibt es auch  ehrlich Suchende, die zum ganz normalen verkündeten und gelebten Christentum keinen Zugang finden. Dies sollte Grund sein, unseren Glauben zu überdenken und neu verstehen zu lernen.

Eine Entscheidung für die Botschaft Jesu kommt kaum aus äußeren Fakten und aus folgerichtigen Argumenten, sondern aus den tieferen Schichten der Seele. Sie geschieht im „Herzen”, dort, wo Menschen zutiefst berührt sind. Die Pfingstrede des Petrus endet mit der Feststellung: „Da traf es sie mitten ins Herz” (Apg 2, 37). Wir dürfen auch an das erste Auftreten Jesu in der Synagoge zu Kapharnaum denken, als er seine Zuhörer zum Staunen brachte und diese, zutiefst beeindruckt, das Erlebte weiter erzählten.

Aber warum fühlen sich Menschen bei derselben Botschaft heute eher gelangweilt und reagieren mit Gleichgültigkeit?    Dazu sei ein Ereignis außerhalb der traditionellen, kirchlichen Religiosität angeführt. Auf einem Kongress zum Thema Spiritualität und Psychotherapie konnte man Personen antreffen, die mit höchstem Ernst nach Vertiefung ihres Lebens streben und die Gespür für echte spirituelle Werte zeigen. Man durfte  eine wohltuende Atmosphäre von Dichte, Freiheit und Offenheit wahrnehmen. Dabei mag es überraschen, dass der einladende Arzt, Leiter einer psychosomatischen Klinik und zugleich ein höchst innerlicher Mensch, sich offen zum Buddhismus bekannte.

“Der Feind sagt uns die Wahrheit”, sagt Dalai Lama, der geistige und politische Führer Tibets, welcher in der  Öffentlichkeit großes Ansehen genießt. Es wäre klug, seinen Rat zu befolgen und zu berücksichtigen, was bei neu- religiösen Aufbrüchen anziehend und wertvoll ist. Um es noch einmal in aller Deutlichkeit hervorzuheben: Es ist die Kraft der Stille, welche spirituelle Ergriffenheit ermöglicht, eine Dimension der menschlichen Erfahrung, die man in jüngster Zeit auch in therapeutischen Kreisen wieder entdeckt hat. Dabei ist sie uralte christliche Tradition. „In der Stille und im Vertrauen liegt eure Kraft” (Jes 30,15), wird im kirchlichen Abendgebet rezitiert.

Wir werden durch die Suchbewegungen außerhalb der Kirche angemahnt, die reiche Kultur der Stille im christlichen Raum neu aufleben zu lassen und darin eine große Chance zu sehen. Jesus selbst hat sich nach einem anstrengenden Tag in die Einsamkeit zurückgezogen, um Kraft zu schöpfen. Als er dann zu den Menschen zurückkehrte, strömte diese Kraft von ihm aus und heilte alle, die zu ihm kamen. Es gilt für alle, die an ihn glauben: Dieselbe Kraft ist in der Tiefe der Herzens zu finden. Sie ist stärker ist als die verwirrten Gefühle; sie beruhigt und bringt Menschen wieder in die rechte Ordnung. Wir sind nicht einfach den dunklen Emotionen ausgeliefert, die in der Sprache früherer Zeiten Dämonen hießen und keineswegs mit der Aufklärung verschwunden sind. Sie zu überwinden, ist mit den heute üblichen psychotherapeutischen Methoden nur in bescheidenem Maße gelungen. Es braucht eine höhere Macht, als menschliches Vermögen leisten kann. Jesus gibt sie den Jüngern bei der Aussendung. Die Nähe Gottes, die sie bringen, bewirkt sie.  Die Menschen sollten erfahren,  dass Gott in ihnen wohnt als die Macht, die dem Bösen von innen her Einhalt gebietet.   Bei allen, denen sich die Tiefe des Herzens öffnet, kommen Worte der Verkündigung an und greifen in das Leben ein. Es kann sich sogar Ähnliches ereignen wie bei den Jüngern, die mit der Freude über ihren Erfolg Jesus selbst ansteckten und zum Jubel veranlassten (Lk 10,17-21).