Das Feuer zwischen Bruder Franziskus und Schwester Klara
Dürfen Heilige lieben?
Wie St. Clara mit St. Franziskus und seinen Brüdern in Santa Mari degli Angeli aß.
Als der dafür bestimmte Tag erschienen war, verließ St.Clara mit einer Begleiterin das Kloster und kam, von den Gefährten des heiligen Franziskus geleitet, nach Santa Maria degli Angeli. Ehrfürchtig grüßte sie die Jungfrau Maria vor ihrem Altar, wo ihr das Haupt geschoren worden war und sie den Schleier genommen hatte. Dann zeigten sie ihr das Kloster, bis die Stunde des Mittagessens heranrückte. Unterdessen ließ der heilige Franziskus den Tisch auf der blanken Erde decken, wie er es zu tun gewöhnt war. Als es Zeit war, setzten sich St. Franziskus mit St. Clara und einer der Gefährten des heiligen Franz mit der Gefährtin der heiligen Clara; dann ließen sich alle die übrigen Gefährten bescheiden am Tische nieder. Bei dem ersten Gange aber hub St. Franziskus an, von Gott zu reden; so lieblich, so hoch und wunderbar, daß sich die Fülle der göttlichen Gnade über sie ergoß und alle in Gott verzückt wurden.
Wie sie so in Verzückung mit zum Himmel erhobenen Augen und Händen dasaßen, sahen die Leute von Assisi und Bettona und die aus dem Lande ringsum, wie Santa Maria degli Angeli, das ganze Kloster und der Wald, der damals daran grenzte, in hellen Flammen waren; und es schien, als ob es ein gewaltiges Feuer sei, das Kirche, Kloster und Wald in einem erfasst hätte. Die Bürger von Assisi liefen daher in großer Eile zur Ebene hinunter, um das Feuer zu löschen, da sie wirklich glaubten, alles brenne. Als sie aber am Kloster anlangten und nichts in Flammen sahen, gingen sie hinein und fanden den heiligen Franziskus und die heilige Clara mit ihrer ganzen Gesellschaft im Geiste in Gott entrückt um jenen einfachen Tisch sitzen. Daraus konnten sie unzweideutig entnehmen, daß es ein göttliches und kein irdisches Feuer gewesen war, was Gott wie ein Wunder hatte erscheinen lassen zum sichtbarlichen Beweis des Feuers der himmlischen Liebe, von der die Seelen dieser heiligen Brüder und heiligen Nonnen brannten. Sie entfernten sich daher wieder, Trost und heilige Erbauung im Herzen.
Dazu gibt es eine alte Handschrift, in der Bruder Leonhard erzählt, dass der heilige Franziskus einmal in Portiunkula zu Bruder Angelus sagte: „Komm mit, wir wollen die Schwester Klara (in San Damiano: A. R.) besuchen! Und dieser antwortete: Ja, wir wollen gehen! Als sich dort dann das Gespräch bis zur Essenszeit ausdehnte, blieb Franziskus zum Essen, und mit ihm waren auch einige Brüder am Tisch. Als er aber vier Bissen Brot gegessen hatte, richtete er sein Gesicht nach oben und blieb so während einiger Zeit unbeweglich sitzen. Als er wieder zu sich kam, rief er mit lauter Stimme: Gelobt sei Gott! Und er stand vom Tisch auf und warf sich zur Erde, und war nochmal entrückt. Bruder Angelus verließ ihn jedoch nicht, sondern wartete die ganze Zeit bei ihm. Das dauerte so lange, dass einer ruhig nach Santa Maria degli Angeli hin- und zurückgehen konnte, eine Strecke von ungefähr drei Meilen. Und darnach ging es noch acht Tage, dass er dem kirchlichen Stundengebet nicht folgen konnte, so sehr war er von einer andauernden Freude und von Lob erfüllt, dass er immer nur sagen konnte: Gelobt sei Gott!" (0417)- Ein langes Gespräch zwischen Klara und Franziskus also führt zu einer tagelangen beglückenden mystischen Erfahrung.
Franziskus und Klara: Die Begegnung Wie war das nun bei Franziskus und Klara? Auf welcher Ebene trafen sie sich?
Wenn sich Mann und Frau in der Liebe begegnen, ist es, als ob alle Sehnsucht erfüllt sei. Es ist, als ob man vorher nur ein halber Mensch gewesen wäre. Es ist etwas von der Ganzheit, die das eigene Wesen anstrebt. Ein altes Wort dafür ist, dass sich Mann und Frau in ihrem Wesen ergänzen. „So schuf Gott den Menschen nach seinem Abbild, nach Gottes Bild schuf er ihn, als Mann und Frau erschuf er sie."(Gen 1,27 Im Mann lebt auch die Frau und in der Frau lebt der Mann als der noch schlummernde Seelenanteil. Dass sich ein Mann und eine Frau anziehend finden, hat mit der Frau im Mann, mit dem Mann in der Frau zu tun. Wenn der Funke überspringt, wird jeweils dieser seelische Faktor, das eigene Unbewusste durch den andern aktiviert. Es wird Energie geweckt, soviel, dass man mit einander ein ganzes Leben bestehen kann. Es tritt die seelische Ergänzung ein. Die Ganzheit, die bisher gefehlt hat, macht das Glück aus, das beide überströmt. Einer öffnet dem andern das Tor zu einem neuen Erlebnisraum. Normalerweise ist dies der erotische Bereich. Verstehen und verstanden werden, einander im tiefsten seelischen Bereich nahe kommen ist der Inhalt dessen, was wir als Liebe bezeichnen. Es ist etwas von der absoluten Bejahung, nach der sich jeder sehnt. Darin besteht die Grundlage für ein gemeinsames Leben, das nur der Tod trennen kann. Es ist das gemeint, was am Schluss des feierlichen Eheversprechens gesagt wird: Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Bei einer gelingenden Begegnung als Mann und als Frau, kann sich aber auch ein weiter spiritueller Raum auftun, der nicht mehr nach einem körperlichen Austausch verlangt, weil die volle Erfüllung schon gefunden wurde. Entscheidend ist, in welcher seelischen Tiefe beide wurzeln. Diese Höchstformen menschlichen Daseins dürfen wir im Auge fassen, wenn wir von der Nähe Gottes sprechen. Entscheidend ist bei einer Begegnung, welche Erlebnisräume durch eigene Erfahrungen schon geöffnet sind, welche Geschichte jeder hat.. Dann kann sich etwas Neues ereignen.
Der Erlebnisraum des Heiligen
Welcher Erlebnisraum hat sich für Franziskus geöffnet? Er liebte besonders das Feuer, wie auch die Sonne. Er nennt beide Geschwister des Lichts. Von seinem ersten Auftreten wird gesagt: Seine Worte fielen wie Feuer in die Herzen der Zuhörer. Ein Gebet zum Heiligen Geist lautet: Komm , Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe. Am Pfingstfest geschah folgendes: „Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. (Ap 2,3). Aus jedem schlug eine Flamme. Jeder hat gebrannt! Das Ergebnis war: „Die Gesamtheit der Gläubigen war ein Herz und eine Seele"(Apg.4,32).
Das Wirken des Heiligen Geistes heißt im Griechischen Energeia. Es ist unser Wort Energie. Es ist die Kraft Jesu, mit der er aufgeladen ist, wenn er vom Gebet auf dem Berg kommt. Er verspricht den Jüngern vor der Himmelfahrt die Kraft des Heiligen Geistes. Kraft ist griechisch dynamis. Davon kommt Dynamik.
. Das heißt: Energie und Dynamik sind Urworte des Christentums und sind dazu da, um die Herzen der Menschen zur Liebe zu entzünden. So ist es geschehen, wenn sich zwei verlieben. Es ist ein Funke übergesprungen und hat ein Feuer entfacht. Ihr seid nun auch mit Feuer getauft. Feuer als Bild für die Liebe sagt, dass mit uns etwas geschieht, das größer ist als wir selbst, das nicht in unserer Macht steht, das stärker ist als unsere Einsamkeit, Leere und Kälte, das unser verengtes Leben aufsprengt und die Sackgassen öffnet. Wenn ein Feuer ausgebrochen ist, ist mit einem Schlag alles anders. Dann ist volle Achtsamkeit und voller Einsatz gefordert Ist das Feuer am richtigen Ort, gibt es die Wärme und Atmosphäre, in der man leben kann. Sagen wir nun statt Feuer Liebe. Dann heißt das: die Liebe ist ausgebrochen. Es ist dasselbe, wenn Jesus sagt: „Das Reich Gottes ist nahe" (Mk1,15).
Das religiöse Erleben kann sein wie Feuer. Eine Frau um die vierzig erzählte, es sei nach dem Abitur auf einem Spaziergang gewesen, in einer Zeit also, in der alle Lasten abgefallen sind und wo man für Neues offen ist. Plötzlich habe sie das Empfinden gehabt, sie brenne. Das war für sie so aufwühlend und so erschütternd, dass sie dieses Erlebnis nicht mehr vergessen konnte. Sie wusste, dass es etwas Religiöses war, aber sie konnte damit nicht zurechtkommen. Sie konnte es kaum jemand sagen, noch weniger hatte sie die Möglichkeit, es in ihr Leben einzuordnen und es fruchtbar werden zu lassen. Philosoph Blaise Pascal hatte ein religiöses Erlebnis, das ihn total erschüttert hat. Er hat Pergament aufgeschrieben: Das erste Wort ist: "Feuer!
Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs. Freude, Freude, Tränen der Freude:" Es fällt auf, dass dem Philosophen als erstes nach der beglückenden Erschütterung das Wort Feuer als die treffendste Bezeichnung für diesen Vorgang einfällt.
Das große Ereignis überfiel Franziskus auf dem Nachhauseweg nach einer nächtlichen Feier. Dazu steht in der Dreigefährtenlegende: „Auf einmal blieb Franz ein wenig hinter den andern zurück. Er sang nicht mehr, er war in tiefes nachdenken versunken. Denn plötzlich hatte ihn der Herr berührt eine solche Süße erfüllte sein Herz , dass er weder reden noch sich bewegen konnte .Nur jene Süße fühlte er und konnte nicht anderes wahrnehmen. So sehr war er der Empfindung der Sinne entrückt-er erzählte es später selbst-dass er sich nicht von der Stelle hätte bewegen können, auch wenn man ihn in Stücke geschnitten hätte(12)...Dieses Erlebnis ist für ihn überwältigend schön, kostbar und unvergesslich. Als seine Freunde ihn fragen, ob er wohl an eine Frau gedacht habe, sagt er: Ja, aber so edel, so reich und so schön, wie ihr niemals eine gesehen habt". Es war die Vera religio, die wahre, erfahrene Nähe Gottes, geadelt durch die Armut.Von der Stunde an begann er gering von sich zu denken und das zu verachten, was zuvor seine Neigung besessen(13). Für ihn ist die Erfahrung Gottes Süße, eine Kostbarkeit, ein Glück, dem gegenüber alles bisherige Null ist. Das Wort Süße kommt in der Lebensbeschreibung häufig vor: Die Süße zog ihn weiter und weiter. Die Geschichte der heiligen Klara
Von ihr wird berichtet: Am Gebet hatte sie besondere Freude, und öfters, von dessen Süße ergriffen trug sie sich mit dem Gedanken an ein jungfräuliches Leben" „Damals hörte sie (Klara) den Namen Franziskus in aller Leute Munde. Es war etwas Neues, wie dieser den Weg der Vollkommenheit, der in der Welt vergessen schien, durch seine ungewöhnliche Tugend auf einmal wieder anziehend machen wollte. Eines Tages kam ihr das Verlangen, ihn zu hören und sehen." „ Auch zu ihm war bereits der Name des liebenswürdigen Mädchens gedrungen, und er hegte den Wunsch, sie zu sehen und sprechen zu können." „ Er suchte sie auf, noch öfters aber kam sie zu ihm, wobei sie die Zeiten ihrer Begegnungen so einrichteten, dass ihr heimliches Streben nicht der Beobachtung von Menschen oder dem Geschwätz der öffentlichen Meinung ausgesetzt sei ... um sich heimlich zu dem Gottesmann zu begeben, dessen glühende Worte und Taten offensichtlich etwas Übermenschliches hatten....Franz ermunterte sie in der Weltverachtung. In lebhafter Rede zeigte er ihr die unfruchtbare Hoffnung und den täuschenden Schein der Welt... sprach ihr von den süßen Freuden der Liebe Christi sie erklärte sich eines Sinnes mit dem Rat des Heiligen....und er übernahm vor Gott die Leitung des Lebens , das sie von nun an führen sollte... „Christus zu gewinnen"(Philipper 3,8) ward von nun an ihr ganzes Streben. ( Legenden und Laude 130,131) Der Bericht ist trocken und würde als solcher kaum überzeugen. Entscheidend ist, was auf der existentiellen, emotionalen Ebene geschehen ist. Franziskus hatte Interesse, diesem Mädchen zu begegnen, weil er in ihr ein Echo seines eigenen Zustandes spürte. Auch sie kannte die Erfahrung der Süße des Gebets. Wenn die beiden zusammen waren, darf man sich vorstellen, dass diese Süße unmittelbar erlebt und alles übertraf, was jeder bisher an religiösen Erfahrungen erlebt hatte. Beide haben einander einen Raum geöffnet, wo sie in das Feuer der Liebe eingetaucht wurden. .Die Begegnung wurde von der energeia, vom Wirken des Geistes Gottes geprägt, Energie und Synergie in einem. Den Satz "Die Süße zog ihn weiter und weiter" dürfen wir ergänzen: auch zur Chiara Offreduccio.
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