Sehnsucht, - die Seite, welche die Herzen bewegt


Sehnsucht ist ein Wort, das man weniger hört, das aber doch unterschwellig über Entscheidungen und Schicksale der einzelnen Macht ausübt. Sie ist gewissermaßen auf der Rückseite der äußerlichen, disziplinierten, alles fordernden Welt, wo man sich keinen Fehler leisten kann, wo jedes Wort gewogen wird, wo nur die wissenschaftlichen Ergebnisse gelten, während die andere Seite nicht berechenbar ist.
Sehnsucht: „dass sich jemand auf mich freut!" 
Am ehesten entdecken wir die Sehnsucht, wenn wir in die Annoncen in den Zeitungen schauen, die unter dem Titel „Herzenswünsche" stehen. Sie geben einen Blick in das Innere vieler Personen frei., die sich selbst als mitfühlend, geistig interessiert, gesprächsbereit beschreiben. Es bedarf wenig Einfühlung, um zu erkennen, dass dahinter oft Lebensgeschichten stehen voller Tragik, voller Enttäuschung und Bitterkeit und doch noch mit einem Funken Hoffnung. Es ist das Fehlen der Liebe, die Einsamkeit, die viele Menschen quält. Dies bestätigt die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Wohnungen in den Großstädten von Singles eingenommen sind. Wir dürfen an Menschen denken, die einen Lebenspartner verloren oder einen auf Dauer und Endgültigkeit nicht gefunden haben, deren Zuneigung nie erwidert wurde und deren Versuche, eine Bindung einzugehen, immer wieder gescheitert sind. Man kann von ihnen hören: „Es ist schrecklich, wenn einen niemand erwartet, wenn man nach Hause kommt. Wenn man nie ein gutes Wort hört, nie eine Reaktion, dass sich jemand freut, dass ich da bin. Schlimmer noch wird es, wenn man krank ist, wenn sich niemand um einen kümmert, wenn niemand für einen etwas tut." Man kann sogar im engsten Zusammenleben einsam sein. Eine kalte, erstarrte Atmosphäre, wo nur die nötigsten Worte gewechselt werden, kann krank machen. Manchen wird in der Kur abseits vom täglichen Getriebe bewusst, wie fern ihnen im Innersten gerade der Mensch ist, auf den sie einmal die große Hoffnung gesetzt hatten. Der Wunsch nach jemand, bei dem man daheim sein kann und mit seinen innersten Gedanken und Empfindungen verstanden wird, ist berechtigt. Er kann allerdings nicht als Recht eingefordert werden. Man kann damit nicht mit Transparenten auf die Straße gehen. Man hört dazu gute Ratschläge: Man soll aktiv werden, Interessen und Hobbies entwickeln, auf andere zugehen, bei der Telefonseelsorge oder bei einer psychologischen Beratungsstelle anrufen und viele andere gut gemeinte Hinweise. Die Empfehlungen mögen alle richtig sein, setzen aber einen inneren Antrieb voraus und treffen gar nicht das eigentliche Anliegen. Es ist gar nicht das gemeinsame äußere Erleben, das gesucht wird, sondern die Nähe in der Tiefe des Herzens. Es ist etwas, das sich von sich aus öffnen muss, etwas, das geschieht, das man nicht machen kann. Es kann nur ereignen in einer Atmosphäre, in der man sich voll und ganz angenommen fühlt, keine Kritik, keine Gegenrede oder Ermahnung fürchten muss. Dazu braucht es Zeit und Stille und zumindest einen Menschen, der sich für einen interessiert, mitdenkt und mitfühlt und bei dem man spürt, dass jedes Wort, das man sagt, bei ihm ankommt und allles, was er sagt echt ist. Es ist eine Einstellung, welche der amerikanische Psychotherapeut Carl Rogers von jedem, der auf diesem Gebiet tätig ist, fordert. Er nennt es „bedingungslose Wertschätzung, einfühlendes Verstehen und Authentizität."
Sehnsucht: Das gute Klima Gemeinschaft - Kirche-
Gibt es ein Argument dagegen, dass die Forderungen des Psychologen nichts anderes sind als die urchristliche Nächstenliebe, die Jesus als Kennzeichen seiner Jünger bezeichnet? (Vgl.Joh 13,35). Entscheidend ist, ob sie bei seinen Jüngern, d.h. in seiner Kirche angetroffen wird. Dagegen spricht die Realität, dass Menschendiese Kirche in Massen verlassen und ein innerer Aufstand stattfindet. Hinter der Leidenschaft, mit der Frauen die Priesterweihe und vieles andere fordern, darf man die Sehnsucht nach einer Kirche des Ursprungs vermuten, in der alle ein Herz und eine Seele sind (Apg 4,32), wo die Gleichheit aller ohne Obere und Untere, gegenseitige spontane Zuwendung, nicht die Macht der Ämter, nicht Belehrung und Ermahnung das Klima bestimmen.. Es hat in der Geschichte hin und wieder Aufbrüche gegeben, welche dem Anfang nahekamen. Einer davon ist der des heiligen Franziskus. Von seinen ersten Brüdern wird berichtet: „Von welcher Liebesglut waren die neuen Jünger Christi entflammt.... Voll Sehnsucht suchten sie zusammenzukommen, umso größer war die Freude zusammen zu sein, schwer dagegen war die Trennung voneinander". Sie waren von der Erfahrung des Heiligen angesteckt worden. Nachdem ihn einmal die machtvolle innere Süße durchströmt hatte, lockte sie ihn weiter und weiter und verließ ihn sein ganzes Leben nicht mehr. Franziskus folgt dem Zug des Herzens das heißt einer Erfahrung, die stärker, überwältigender, beglückender ist als alle ehrgeizigen Pläne, alle Sehnsucht nach Aufstieg, Anerkennung und sogar als vernünftige Überlegungen. Wir können das edle Beispiel nicht willentlich herbeiziehen oder einfordern. Das Eigentliche - die spontane Freude, die gegenseitige Anziehung, das gute Klima- muss eine andere Instanz bewirken. Es gibt sie. Sie ist nicht an der Oberfläche, sondern in der Tiefe der Existenz. Sie weiß mehr, was für uns gut und heilsam ist, als der nüchterne Intellekt und kann mehr und anderes als unser guter Wille. Sie ist der seelische Ort, wo jeder/ jede ganz er/sie selbst ist und zugleich mit allen, in denen dieselbe Tiefe offen ist, innigst verbunden ist. Der Psychiater Carl Gustav Jung (1875-1961) nannte diese Instanz das „Selbst" im Unterschied zum kleinen Ich, das er nur als eine Insel im Ozean des Unbewussten bezeichnet. Es ist im Grunde -ganz wörtlich- nichts anderes als das Bild Gottes im Herzen des Menschen, aber nicht ein bewegungsloses, totes, sondern, ein ausstrahlendes, mit höchster Energie geladenes.. Was in der Tiefenpsychologie mit dem Selbst bezeichnet wird, heißt bei Meister Eckhard das „Seelenfünklein". Ein Funke kann ein gewaltiges Feuer auslösen und drückt die gewaltige Eigendynamik dieser Instanz aus.Dem entspricht das Auftreten des Heiligen. Von ihm heißt es „Er sprach in einfältiger Rede. Es war wie ein brennendes Feuer, das in die Herzen der Zuhörer fiel". Es war das Feuer des Heiligen Geistes, das zugleich das Feuer der Liebe ist. Eine Gemeinschaft wie die des franziskanischen Ursprungs, konnte entstehen, weil alle von der desselben Instanz, theologisch gesprochen vom Heiligen Geist angezogen und gewandelt wurden. Es entstand eine Atmosphäre der Nähe, der gegenseitigen Anziehung und Sympathie, der Achtung vor der Eigenart des einzelnen und damit der Freiheit zugleich.
Sehnsucht: Gott
Kann heute noch von einer Sehnsucht nach Gott gesprochen werden? Allem Anschein nach trifft eher ein Wort zu, das Karl Rahner zugeschrieben wird, „Sie haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben!" Da erregt selbst Nietzsche mit seinem toten Gott kein Interesse mehr. Das mag stimmen, betrachtet man nur die Oberfläche des Tagesbetriebs und die scheinbar so klugen Äußerungen. Wer jedoch seinen Blick für das, was Menschen umtreibt, bedrückt oder beseelt, etwas geschärft hat, wird durchaus eine Sehnsucht feststellen, nicht mit den üblichen Sehnsüchten vergleichbar ist. Es sollte zu denken geben, dass Ungezählte in den Fernen Osten reisen, um dort in einem Ashram oder in einem buddhistischen Kloster Religion pur zu erleben, ebenso dass man für einen Kurs für Zen-Meditation eine lange Wartezeit in Kauf nehmen muss, dass man dort Teilnehmer aus höchst rationalen Berufen antrift, Personen, die ihren kritischen Verstand keineswegs bei der Rezeption abgegeben haben. Ein anderes Feld der Sehnsucht sind die Wege, die viele zu Fuß nach Santiago oder auch an andere Ziele führen. Es sind wieder nicht die Leichtgläubigen. Man kann Personen von hohem Rang antreffen, Staatsanwälte, Unternehmer und andere, deren Tagesgeschäft nichts mit Gott zu tun haben scheint. Es ist die Sehnsucht, die von Tag zu Tag weiter treibt. Das Ziel, das in der Ferne liegt, ist in Wirklichkeit innen. Nur den Weg, die Steine unter den Füßen, die Landschaft spüren und sonst nichts öffnet das Innere. Genau in dieser Stille, wo man sich selbst gehört, kann das aufsteigen, was mit dem Titel „Gott" gemeint ist: Ähnlich geschieht es in der absoluten Stille, Wachheit und Konzentration im Sitzen des Zens. Man wird verstehen, wenn der Theologe Paul Tillich sagt: Gott ist das Symbol für das, was mich unbedingt angeht. Um dem nahe zu kommen, muss man nicht nach Santiago gehen. Es sind schon einmal die wichtigsten Ereignisse im Leben: Geburt, Hochzeit, Tod. Aus diesen Anlässen suchen selbst Fernstehende die Kirche auf, weil sie doch etwas wahrnehmen, was sie zutiefst berührt. Hier besteht nach wie vor die Chance, der Sehnsucht nach Gott einen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Nicht zu übersehen ist die Krise, die auf allen Ebenen um sich greift., die um das Klima, die der Kirche, die der Gesellschaft. Man sucht Lösungen im ganz Großen, im politischen Bereich ,kaum jemand erkennt, dass für eine nachhaltige Lösung der einzelne seine eigene Krise bewältigen muss. . Und heute? Eine Frau, äußert sich im Tiefpunkt ihres totalen Umbruchs in der Lebensmitte: „Ich spüre, dass die Wut eine Spur ist zu mir!.......der Teil, der mir am meisten Angst macht, der Teil bringt mich in die Nähe Gottes. Und Gott ist unten, in der Tiefe meiner Abgründe, meiner Angst, meiner Bosheit, meiner Verruchtheit. Gott ist dort, wo ich am meisten Angst habe- wo ich es nie gedacht hätte. Gott ist eine Sie geworden. Und ist in mir!!!!!!                                                                                                                     Sie hat die Eigenschaft, dass man sie nicht recht in Worte fassen und vor allem nicht öffentlich preis geben mag, weil sie etwas vom ganz Persönlichen ist. Gott als Erfahrung ist sogar das Allerintimste entsprechend dem Wort des mittelalterlichen Theologen Bonaventura „ deus aninäe intimus est- Gott ist der Seele im Innersten nahe. Hier dürfen wir auf die Berichte über Jesus schauen. Nach jedem Auftreten heißt es: die Leute staunten nur noch, brachten den Mund nicht mehr zu, sie waren, entsetzt, erschüttert, sie waren ergriffen, weinten vor Freude, gaben alles auf. Das war einmal das lebendige Evangelium

 

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