Religion ist Feuer


Osama bin Laden und der heilige Franziskus


Der Satz klingt zunächst überraschend. Für die meisten Menschen der modernen westlichen Kultur ist Religion eher etwas Langweiliges, Weltabgewandtes, Lebensfernes, Unwirksames und Unbedeutendes. Nach einer Umfrage steht Religion in Deutschland an letzter Stelle der Werte, die Eltern ihren Kindern mitgeben wollen. Anders ist es in nicht europäisch geprägten Kulturkreisen. Spätestens am 11.September 2001, wurde einer religionslosen Öffentlichkeit gezeigt, dass Religion Feuer bedeuten kann- Feuer in seiner ganz wörtlichen Bedeutung und Feuer als die letzte unbedingte Motivation, die das Leben eines Menschen in seiner Ganzheit in Beschlag nimmt und je nach Bewusstheit und Einstellung zum Schaden oder zum Guten anderer einsetzt. Es ist soviel wie für etwas durchs Feuer gehen. Immerhin verstehen sich die Attentäter so. Sie sind bereit, für ihre Ziele zu sterben. Sie selbst nennen es Martyrium. Es ist die felsenfeste Überzeugung der religiösen Terroristen, dass sie nach dem Tod unmittelbar in das Paradies gelangen.

Osama bin Laden und der heilige Franziskus sind Namen, mit denen sich Extreme verbinden. Der Mann mit dem arabischen Namen steht für einen nicht mehr berechenbaren, alle Vorstellungen überschreitenden Schrecken, der selbst die Weltmächte herausfordert. Mit dem Heiligen aus Assisi verbindet sich eine Vision des Friedens der verschiedensten Völker, Kulturen, Religionen und Rassen, welche im Friedensgebet 1984 eindrucksvoll dargestellt wurde. Größere Gegensätze kann man sich kaum vorstellen. Auf der einen Seite die brutale Gewalt und der Wille zur Vernichtung-- auf der anderen Seite die Einladung zu einem Leben in Lauterkeit und Eintracht.

Franziskus hat im Mittelalter gelebt, Osama bin Laden ist ein Mensch unserer Zeit mit einem Denken, das von alter arabisch-moslemischer Tradition und zugleich von westlicher Entwicklung und Konfrontation mit westlicher Kultur geprägt ist. Andererseits haben sie eines gemeinsam: Beide sind religiös. Beide handeln aus religiösen Motiven. Für beide ist Religion nicht eine banale Nebensache, sondern Zentrum ihres Denkens und Fühlens. Beide lieben das Feuer- jeder auf seine Weise. Für beide ist Religion Feuer.

1. Wer ist Osama bin Laden?

Er ist als 17. von 57 Kindern Muhammad bin Ladens, eines der größten Bauunternehmer Arabiens geboren. Er brachte es selbst zu einem Vermögen von 270 Millionen, seine existentielle und ideologische Wende erfuhr er durch den Afghanistan-Krieg gegen die Sowjetunion in den achtziger Jahren. Er gehörte zu einer Gruppe "arabischer Afghanen", das heißt von arabischen Freiwilligen, die in Afghanistan gekämpft haben. Er war dort Gast des afghanischen Kalifen Mullah Omar und des Chefs der pakistanischen Islamistenpartei Qazi Husain Ahmad. Abdullah. Azzam, der Vater der afghanischen Araber, nahm Bin Laden in die Reihe der Djihad - Kämpfer auf. Er wird selbst zum Anführer nicht nur der Aufständischen in Afghanistan sondern des internationalen Djihadismus, womit der heilige Krieg gegen Amerika, gegen westlichen Lebensstil und westliche Denkweise gemeint ist.

In dem Video vom 7.10.2001,also kurz nach dem Anschlag vom 11.September, das vom arabischen Sender Al-Dschasira ausgestrahlt wurde, äußert der meistgesuchte Terroristenführer seine Gesinnung und sein Denken folgendermaßen :"Die Schlacht zwischen dem Glauben und dem Unglauben hat begonnen.. Gott hat es ihr (USA)beschert(die Anschläge). Ihre höchsten Gebäude wurden zerstört. Amerika zittert und Gott sei Dank! Was Amerika heute erlebt, erleben wir seit Jahrzehnten als eine kleine Einheit nun Amerika angegriffen hat, hat die ganze Welt geschrieen... die Ungläubigen haben geschrieen und die Heuchler... Das ist eine Schlacht zwischen Glaube und Unglaube... Ich schwöre beim allmächtigen Gott, der Himmel ohne Säulen erschaffen hat, dass die USA und die Leute, die in den USA leben, niemals von Sicherheit träumen können oder diese erleben, bevor wir diese nicht auch tatsächlich In Palästina erleben, und bevor alle ungläubigen Truppen vom Boden Mohammeds (des Propheten) verschwunden sind. Und Gott ist groß."

Bin Laden formuliert die beiden großen Ziele seines Einsatzes: Die Befreiung Palästinas und die Säuberung der arabischen Halbinsel von fremden Truppen. Die Anwesenheit einer nicht-moslemischen Macht auf der Heiligen Arabischen Erde ist für ihn wie für alle Islamisten ein Gräuel. Anlässlich des zehnten Jahrestages der "Besudelung" des heiligen Landes stellt er fest, das Arabien 1400 Jahre unbefleckt geblieben sei. "Seit dem Vorrücken der Amerikaner auf die Arabische Halbinsel sind zehn Jahre ergangen. Dabei hatte uns der Prophet auf dem Sterbebett eingeschärft als Teil seines Vermächtnisses: "Vertreibt die Götzendiener von der arabischen Halbinsel, Gottes Erde ist groß, und die Interessen des Feindes sind darauf weit verstreut. Wir sollten aber auch versuchen, in Amerika und Israel direkt vorzustoßen. Tut was in euren Kräften steht und schlagt hart auf sie ein, damit Gotteswort die Oberhand gewinne"(1).

2. Wer ist der heilige Franziskus?

2.1. Kurzer Abriss seines Lebens

Bevor der innere Werdegang des Heiligen genauer betrachtet werden kann, ist zunächst ein kurzer Überblick seines Lebens erforderlich. Sein Geburtsjahr ist 1182, seine Eltern heißen Pietro und Pica Bernardone. Der Vater ist wohlhabender Tuchhändler in Assisi.

Sein Ehrgeiz geht dahin, sich bei nächster Gelegenheit einem Heer anzuschließen, im Kampf Auszeichnung zu holen und schließlich in den Ritterstand aufzusteigen. Eine Krankheit 1204 zwingt ihn zum Umdenken. Er wird seines bisherigen Lebens nicht mehr recht froh. Von 1204 bis 1209 vollzieht sich in Franziskus ein Prozeß, der ihn völlig verwandelt. In dieser Zeit bricht er mit seinem Vater und mit seinen Freunden. Er lebt zurückgezogen und sucht Klarheit über das, was seine Lebensaufgabe ist.

Am 24. Februar 1209 geht ihm auf, daß er nach der Weise des Evangeliums leben müsse. Franziskus geht wieder unter die Menschen und predigt die Ankunft des Reiches Gottes. Seine Predigt und sein Leben sind so überzeugend, daß sich ihm bald Gleichgesinnte anschließen. Die erste ganz einfache Regel wird durch Papst Innozenz III. gebilligt. Die Bewegung breitet sich so rasch aus, daß ihr Franziskus, der mehr vom spontanen Einfall lebt, organisatorisch nicht mehr gewachsen ist. Auf dem Kapitel 1221 in Portiunkula, einem Kirchlein bei Assisi, sind bereits 5000 Brüder versammelt. 1212 hat Clara Favarone, die Tochter aus adeliger Familie, seine Lebensweise übernommen und damit den Grund zum weiblichen Zweig des Ordens gelegt.

Franziskus muss im Laufe der Entwicklung des Ordens erhebliche Abstriche an der ursprünglichen Regel machen. Die vollständige Armut, das heißt nicht einmal ein eigenes Haus (Kloster) besitzen, konnte nicht beibehalten werden. Immer mehr wird der Gehorsam in den Vordergrund gerückt. Es wird verständlich, weil immer mehr Brüder zur ursprünglichen Gemeinschaft dazu stoßen. 1223 wird die neue Regel ausgearbeitet und am 23. November vom Papst gebilligt. 1224 empfängt Franziskus die Wundmale, 1225 dichtet er den Sonnengesang, am 3. Oktober 1226 stirbt Franziskus in Portiunkula bei Assisi. 1228 wird er heilig gesprochen.

2.2 Die Gesinnung des Heiligen

Franziskus lebte eine Form von Religiosität, mit der er unter keinen Umständen aggressive Stimmungen anheizen wollte. Ihm kam es sehr darauf an, von welchen Emotionen seine Brüder geleitet waren. Für diese Absicht sprechen authentische Texte. Einer davon ist die Ordensregel. Darin heißt es zum Beispiel:

"Ich ermahne jedoch im Herrn Jesus Christus dringend, daß die Brüder sich hüten mögen vor allem Stolz, eitler Ruhmsucht, Neid, Habsucht, der Sorge und dem geschäftigen Treiben dieser Welt, vor Ehrabschneiden und Murren; und die keine wissenschaftlichen Kenntnisse haben, dürfen nicht danach trachten, sich wissenschaftliche Bildung zu verschaffen, sie sollen vielmehr vor allem danach streben, den Geist des Herrn zu besitzen und Sein heiliges Wirken, daß sie allezeit mit reinem Herzen zu Ihm beten, Demut und Geduld in Verfolgung und Krankheit bewahren Und jene lieben, die uns verfolgen, tadeln und anschuldigen..; denn der Herr sagt: ,,Liebet eure Feinde und betet für jene, welche euch verfolgen und verleumden" (Mt 5, 44) ,,Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Reich der Himmel" (Mt 5,10). "Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden" (Mt 10, 22)(2).

3. Heiße und kalte Religionen.

Der Schriftsteller und Philosoph Rüdiger Safranski unterscheidet zwischen heißen und kalten Religionen. Unter "heißer Religion" versteht er eine, die auf "Erlösung von dieser Welt" setzt." Sie ist für diese Welt, erklärt aber von sich selbst, dass sie nicht von dieser Welt ist. Für die heiße Religion bedeute "In -der- Welt -sein" nichts anderes als "In -der- falschen Veranstaltung sein". Darum heißt das Herzstück einer heißen Religion: Erlösung von der Welt. Nach Safranski war das Christentum lange Zeit eine solch heiße Religion. Zum Beleg zitiert er Paulus: "Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich."(1Korinther 15,14)

Die Aussagen über Gottesopfer, Tod und Auferstehung seien nicht symbolisch oder psychologisch verdünnt gedeutet worden. Die Grundüberzeugung war: dieses andere Leben, das Paulus mit Auferstehung bezeichnet, ist ebenso wirklich wie das heutige, greifbare. Es ist nur in einer anderen Zeit- nach dem Tod- und an einem anderen Ort.

Dieses Anderswo, Anders wann ist jenseitig, aber so faktisch wie das Diesseitige. Alles kommt darauf an, wie stark die Überzeugung dessen ist, der davon spricht. Ist sie absolut, wird die diesseitige Welt mit ihren Gesetzmäßigkeiten, Zielen und Maßstäben aus den Angeln gehoben. Es ergibt sich dann ein Faktor im Denken, der sich als drängend, ansteckend, umwerfend erweist. Wo ein Gedanke mit großer Energie vorgetragen wird, kann man leicht Feuer fangen.

Wir dürfen an das Wort Jesu denken. "Feuer auf die Erde zu werfen, bin ich gekommen. Wie wünschte ich, es loderte schon empor"(Lukas 12,49). Das Diesseitige wird nicht als etwas Endgültiges, als Raum, wo man sich für immer einrichtet, verstanden.

"Unsere Heimat aber ist im Himmel"(Philipper 3,20), schrieb der alternde Paulus.. , "von wo wir den Retter Jesus Christus erwarten, der unseren armseligen Leib in die Gleichgestalt mit seinem verherrlichten Leib verwandeln wird, gemäß der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann"(Philipper 3,20).

Für Kraft steht im griechischen Text Energeia und für können dynastei. Die beiden Wörter Energie und Dynamik sind darin enthalten. Diese beiden Qualitäten dürfen wir dem zuschreiben, der diesen Satz gesagt hat, das heißt sie sind im Hier und Jetzt wirksam Daraus folgt die entsprechende Moral aber nicht als bloßer Appell, sondern als die Fähigkeit, die hohen Normvorstellungen zu erfüllen.

Es gehe ganz und gar darum, "rein" zu bleiben bis zum Tag der Erlösung.

Die Bergpredigt ist nach Safranski eine typische Moral, wo es nicht um Selbstbehauptung und Stabilisierung einer Gesellschaft gehe, sondern nur auf die Vorbereitung auf das Jenseits. Nicht das Hier und Jetzt sei entscheidend sondern das Dort und Dann.

Mit dieser "heißen" Ekstatik und Apokalyptik sei es im Christentum vorbei, kritisiert der Moderator des philosophischen Quartetts im ZDF. Der normale Christ setzte alles daran, um sich möglichst bequem in dieser Welt einzurichten. "Aus dem Christentum ist weitgehend das kalte Projekt der Zivilreligion geworden."(3) Die kalte Religion kommt ohne ernsthafte Transzendenz aus. Sie ist immanent gerichtet, pragmatisch, karitativ, rhetorisch. Die Glaubenswelt des Christentums sei soweit psychologisiert und soziologisiert, dass daraus ein Gemisch aus Sozialethik, institutionellem Machtdenken, Psychotherapie, Meditation, Technik, Museumsdienst, Kulturmanagement und Sozialarbeit geworden sei.

Ein Tübinger Theologe sagte: "Uns ist die Kritik der Vertröstung auf das Jenseits so in die Knochen gefahren, dass wir es nicht mehr wagen, über den Himmel schon gar nicht mehr über die Hölle zu reden."

Allerdings ist die Frage berechtigt, ob Safranski der christlichen Auffassung gerecht wird. Nach ihrem Verständnis ist das Leben in dieser Welt kein bloßer Transitraum. Das Diesseitige verhält sich zum Jenseitigen wie die Aussaat zur Ernte. So lesen wir im 1. Korintherbrief: "So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Unverweslichkeit. Gesät wird in Unansehnlichkeit, auferweckt in Herrlichkeit in Herrlichkeit; gesät wird in Schwachheit auferweckt in Kraft (1Korinther 15,42-44). Aussaat verlangt die volle Hinwendung zur Erde, das Ernstnehmen der Geschöpfe und volles Vertrauen in deren Wirksamkeit. Aber sie ist doch nur die eine Seite des Lebens, das ohne die andere nur halb existiert. Ein typisches Zeichen der kalten Religion sieht Safranski in der Trennung des Religiösen vom Weltlichen, des Charismatischen und Inspirierenden vom klaren, logischen Denken. Wir können auf der einen Seite ekstatische Aufbrüche feststelle, in den charismatischen Bewegungen, in Sekten und Esoterik, auf der anderen Seite die analysierenden Rationalen, die alles gut einordnen, aber nichts bewegen. Was einst heiße Erfahrung war, wurde zu komplizierten theologischen Traktaten abgekühlt.

Die Festellung, dass für die meisten Menschen unserer Zeit das ganz gewöhnliche Leben, Geschäft, Beruf, Politik nichts mit Religion zu tun haben, mag in dieser Spaltung von lebendiger Erfahrung und rationaler Durchdringung ihren Grund haben.Als kalte Religion habe das Christentum den Anspruch auf Erlösung von dieser Welt aufgegeben und sich auf das Gesellschaftsdienliche festlegen lassen. Kirche erscheint als Dienstleistungsverein wie jeder andere auch, ihre rituellen Angebote als gelten nicht mehr denn als Dekoration, ihre Vertreter als Zierfiguren bei Familienfeiern.                                                                                                          Ganz anders die heiße Religion: sie will das Ganze des Lebens erfassen und verwandeln. Ihr geht es ums Ganze. Sie fordert den ganzen Menschen. Sie hat den totalen Anspruch, so dass man sich dem religiösen Raum nicht mehr entziehen kann. Alles muss vom Religiösen durchdrungen sein. Das eine Ganze steht im Mittelpunkt und verlangt die Reinigung von allem, was nicht in diesen Rahmen passt. Noch einmal: Von heißer Religion kann dann gesprochen werden, wenn das Jenseits genauso wirklich ist wie das Diesseits, sogar noch wirklicher. Sie will den Menschen von dieser Welt erlösen. Sie lockert die Bindung an diese Welt bis zu ihrer Auflösung. Entscheidend ist die Art, wie sie es tut: sanft und mystisch, auf der Basis der Freiheit und der Achtung des einzelnen oder gewaltsam, zerstörerisch, terroristisch. Man könnte auch sagen: innerlich, so dass der ganze Mensch erfasst wird, dass weder Gemüt noch Verstand unterdrückt werden vielmehr zu ihrem Recht kommen oder rein äußerlich, wo man alles und jedes nach der eigenen Glaubensvorstellung verbessern will nur nicht sich selbst.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Zweifellos darf man ist heute den islamische Fundamentalismus zur heißen Religion rechnen. Einmal äußert sich der Anspruch der Ganzheit des Islamismus in der gnadenlosen Durchsetzung der Scharia, des moslemischen Gesetzbuches dort, wo die politische Macht es ermöglicht. Jeder Bereich des Zusammenlebens muss vom Buchstaben des Gesetzes geregelt sein, weil dieses Gesetz unmittelbar, so wie es ist, von Gott geschaffen und seinem Propheten übergeben wurde. So die Überzeugung der Strenggläubigen. Zum andern ist für Menschen wie Muhammad Atta (   ein islamistischer Terrorist und einer der Attentäter der Terroranschläge am 11. September 2001. )die Leute von Hamas, Al Quaida, die zum eigenen Tod entschlossen sind, das, was nach dem Tod kommt, das wahre, eigentliche Leben. Auf sie wartet das Paradies, in das sie als Märtyrer eingehen.

Für sie ist diese Erde nur der schon erwähnte Transitraum. Ein führender Taliban hat es einem deutschen Journalisten so erklärt: "Wenn Sie", sagte er, "bei einem Rückflug nach Deutschland in einem unwirtlichen Land abstürzen, aber überleben und die Gewissheit haben, dass sie in absehbarer Zeit zurückgeholt werden, dann werden Sie doch nicht damit anfangen, an dem Absturzort etwas aufzubauen."(4) Das sei die Lage der Taliban. Sie würden bald ins Himmelreich eingehen. Es lohne sich nicht, an diesem hiesigen Elend etwas zu ändern. Safranski nennt dies die barbarische Version der Entschlossenheit zur Transzendenz.

4. Die Religion des heiligen Franziskus

Die Leute von Bin Laden und der heilige Franziskus sind Vertreter einer heißen Religion.Sie sind bereit, für ihre Religion durchs Feuer zu gehen. Der Heilige aus Assisi ist ein Beispiel dafür, was heiße Religion im christlichen Raum sein kann. Er erfüllt alle Bedingungen, an denen Safranski die heiße Phase einer Religion festmacht: Loslösung von dieser Welt, die Überwertigkeit des Jenseitigen, die Totalität des religiösen Anspruchs, die Einheit und Reinheit von allem. Der Unterschied zu den Taliban und Osama bin Laden ist, dass er diese hohen Ziele zuerst an sich selbst vollzieht, dass er sich einem Prozess der Wandlung und inneren Reinigung unterwirft. Aus dieser Zeit ist folgender Text überliefert: "Eines Tages, da er in glühendem Flehen vor Gott begriffen war, kam ihm die Antwort: "Franz, was du bisher fleischlich geliebt und begehrt hast, das musst du verachten und hassen, wenn du meinen Willen erkennen willst. Hast du erst einmal damit begonnen, so wird dir unerträglich und bitter sein, was dir zuvor liebwert und süß erschien; und aus dem, was dich vorher erschauern machte, wirst du tiefes Glück und unermesslichen Frieden schöpfen.»(5)

Es fällt das Wort "glühend". Ein Gegenstand ist dann glühend, wenn so lange und so tief ins Feuer eingetaucht wird, bis die ganze Hitze in ihm gespeichert ist und er die Kraft des Feuers in sich trägt. Angewandt auf Franziskus bedeutet das, dass er zuinnerst bis in die letzten Fasern seines Seins von einer transzendenten Macht aufgewühlt, hingerissen und engagiert ist. Emanuel Jungclausen spricht von einem inneren "Erglühen", wenn er den Begriff "dulcezza"wörtlich "Süße" zu übersetzen versucht. In dieser Verfassung empfängt er den Auftrag Gottes, alle Maßstäbe seines Lebens umzukehren. Was er bisher geschätzt und begehrt hat, soll er ablehnen und verachten. Was ihm bisher bitter und eklig vorkam, wird ihm angenehm und wertvoll erscheinen und was er bisher für begehrenswert gehalten hatte, wird ihm abstoßend und unbedeutend sein. Damit wird gesagt, dass es nicht der bloße Willensentschluss ist, der sich ändert, sondern der ganze Bereich der Wertvorstellungen, des Fühlens und Empfindens. Die bisherigen emotional verfestigten Einstellungen werden eingeschmolzen in der Glut einer stärkeren und beglückenderen Erfahrung. Gefühle werden nicht durch den Willen geändert, sondern nur durch stärkere Gefühle. Nach dieser inneren Vorbereitung begegnet Franziskus einem Aussätzigen, einem von denen, um die er einen weiten Bogen machte, vor denen er sich aus lauter Ekel die Nase zuhielt. Nun steigt er vom Pferd, gibt ihm einen Gulden und küsst ihm die Hand. Mit dieser Geste zeigt Franziskus, dass seine Wohltat kein herab geworfenes Almosen ist, sondern dass er ihn als Gleichrangigen und Seinesgleichen annimmt. Diese Begegnung hat Franziskus verändert. In seinem Testament schreibt er, dass "mir das, was mir früher so bitter war, zur Süße wurde für Seele und Leib"(6). Von nun an machte es ihm Freude, bei den Aussätzigen zu weilen und ihnen zu dienen. Er war ein anderer geworden. Der erste Schritt war nicht der Entschluss zur guten Tat sondern die existentielle Erhitzung, in deren Glut die alten Vorstellungen von Angenehm und Unangenehm, von Wertvoll und Wertlos ihre Macht verlieren.                                              Ausdruck seiner Loslösung von der Welt ist für ihn die Armut, die totale Besitzlosigkeit, die für ihn Mittelpunkt seines Denkens wurde. Außer einem Habit und Unterkleidung hatte er gar nichts. Und so sollte es auch seine Brüder halten. Sie sollten sich in dieser Welt nicht sesshaft machen, sonder wie Pilger und Fremdlinge sein selbst in den Häusern, die man für sie baut. In der Regel steht "Die Brüder sollen nichts erwerben weder ein Haus noch eine Niederlassung noch eine andere Sache. Wie Pilger und Fremdlinge sollen sie um Almosen bitten gehen." Franziskus bezeichnet die Armut als groß und erhaben, die seine Brüder zu Erben und Königen des Himmelreiches einsetzt.

Das Thema der Armut wird seine Brüder begleiten. Es ist auch der Punkt, an dem sie sich später streiten und verschiedene Wege gehen. Jedoch ist die Armut als solche noch nicht der Geist des Heiligen. Die Frage ist, ob sie einen "an Tugenden reich macht", wie es in der Regel heißt. Armut hat viele Gesichter und nicht immer die der Heiligkeit. Sie ist nur dann der kostbare Schatz im Acker, wenn sie von einem "inneren Erglühen", von der "dulcezza" ausgeht. Sie bedeutet wenig oder gar nichts, wenn das Feuer nicht brennt, das durch sie genährt werden sollte.                                                                                                                                                            Es wurde gesagt, dass man die heiße Religion daran erkennt, wie sie das Diesseits und das Jenseits einschätzt. Hier ist nun am eindrucksvollsten, wie Franziskus auf den bevorstehenden Tod reagiert. Als sein Arzt zögert, ihm die Wahrheit zu sagen, bekennt der Heilige, dass ihm Tod und Leben gleich recht seien, und als er den vermuteten Termin seines Endes erfährt, breitet sich eine große Freude auf seinem Gesicht aus und er spricht: "Willkommen Bruder Tod". Die heiße Religion des Heiligen war ganz wörtlich eng mit dem Feuer verbunden. Diese Spur greifen die Biografen immer wieder auf, wenn sie von der Glut seiner Liebe sprechen und von seiner besonderen, ganz eigenen Nähe zu diesem Element Sie wollen damit sagen, dass diese beiden Dinge zusammengehören. Er nennt es seinen kraftvollen und wilden Bruder und preist Gott dafür. Für ihn sind Sonne und Feuer Geschwister des Lichts, für die man Gott danken sollte.

Um das Ganze noch zu unterstreichen wird eine Geschichte erzählt, die man heute gern zu den Legenden rechnet. Franziskus hatte sein Augenlicht verloren. Um ihn von seiner Blindheit zu heilen, sollte an ihm eine sehr schmerzliche Operation vollzogen werden. Sie bestand darin, mit einem glühenden Eisen seine Schläfen anzusengen. Er sprach in diesem Augenblick zum Feuer wie zu einem Bruder und tatsächlich habe er, wie er nachher sagt, überhaupt keinen Schmerz gespürt. Bonaventura berichtet, dass ihn die Glut der Liebe zum Martyrium drängte. Er unternahm im Ganzen drei Versuche, zu den "Ungläubigen" zu gehen, um dort für Christus und die Verkündigung seiner Botschaft zu sterben. Beim dritten fuhr er nach Ägypten und gelangte bis zum Sultan, der ihn empfing und ihm mit immer größerer Achtung und Bewunderung zuhörte. Der Mann aus Assisi bot dem Herrscher an, mit dessen Priestern in das Feuer zu gehen, um zu entscheiden, welche Religion die richtige sei, welche mehr Sicherheit und Heiligkeit besitze. Als der moslemische Geistliche daraufhin verschwunden war, wäre Franziskus bereit gewesen, auch allein die Feuerprobe zu bestehen. Er sagte zum Sultan: "Werde ich verbrannt, dann rechne dies meinen Sünden an; beschützt mich aber Gottes Macht, dann erkennt, dass Christus, Gottes Kraft und Weisheit, wahrhaft Gott und Herr, der Erlöser aller Menschen ist (7).

5. Islamisten und Franziskus: Gemeinsames - Unterschiede.

Beide- die Islamisten und Franziskus- leben die so genannte heiße Phase der Religion. Sie lassen sich ergreifen von der Totalität des religiösen Anspruchs bis zur Hingabe des Lebens. Sie sind bereit, durchs Feuer zu gehen für ein Ziel, das als Einheit der Welt und Reinigung von allem, was nicht dem Willen Gottes entspricht, bezeichnet werden kann. Die Islamisten wollen, dass alles in einem Land und sogar die ganze Welt nach dem Gesetz Gottes, der Scharia ausgerichtet und dies auch mit äußerer, staatlicher Gewalt. Franziskus will ebenfalls, dass alle Menschen den Willen Gottes erfüllen, das bedeutet aber, dass sie die Liebe Gottes erkennen und von innen her sich wandeln. Sollten sich Widerstände zeigen, dann sollten sich die Verkündiger unterordnen, demütig sein, lieber Verfolgung erleiden als anderen Gewalt antun. Ein Aufruf zum Hass und zur Gewaltanwendung ist bei Franziskus nicht zu denken. Das "Martyrium" der Islamisten will die Vernichtung der anderen. Der eigene Tod ist beabsichtigt und wird als Instrument verwendet. Das Grundmotiv ist Hass, der mit dem Religiösen vermischt ist. Man könnte auch sagen: es ist die religiöse Energie, die durch Hass blind geworden ist. Franziskus wollte aus Liebe zu Christus den Sarazenen das Glück des Glaubens bringen, aber weder sie noch sich selbst töten. Martyrium bedeutet für ihn: mit dem eigenen Tod Zeugnis für Christus ablegen. Als Fanatiker hätte er versucht, den Sultan zu ermorden. Aber Hass und Fanatismus lagen ihm völlig fern. Fanatiker haben etwas Verbissenes und Stures an sich, nie etwas Gelöstes und Heiteres. Die Grundstimmung des Heiligen aus Assisi ist die Heiterkeit des Geistes, die innere Freude und die Glut der Liebe. Seine Ermahnungen laufen immer darauf hinaus, sich vor negativen Affekten zu hüten, vor Zorn, Rache, Neid, Verurteilung, selbst vor moralischer Entrüstung, wenn andere Unrecht tun. Die Reinigung, welche die Islamisten außen in der Welt durchsetzen wollen, vollzieht Franziskus in sich selbst. Bekannt ist sein Gebet während seiner Wandlungszeit: "Erleuchte die Finsternisse meines Herzens". Für Franziskus war es wichtig sogar notwendig, zuerst sich selbst zu wandeln, bevor er etwas an der Welt verbessern wollte. Der Weg nach innen hatte Vorrang vor dem äußeren Tun. Er ist äußerst darauf bedacht, was im Menschen vorgeht. Jeder soll sich selbst gering achten, das bedeutet sich seines Schattens bewusst sein. Für ihn waren es ungefähr fünf Jahre, in denen er sich mit sich selbst auseinandersetzte. Erst am Ende dieses Prozesses trat er in die Öffentlichkeit.

6. Das Feuer des Religiösen: wann wird es gefährlich?                                                                                                                                                                                                                                                                           Das Religiöse als existentielle Erfahrung kann Erschütterung des Menschen in seiner Ganzheit sein. Der Rahmen seines Denkens, Fühlens und Handelns wird in Frage gestellt. Die unbewusste Seele wird geöffnet. Es ist das stärkste Erleben. Wenn sich einmal das Tor zum Unbewussten aufgetan hat,  steigen auch andere Impulse auf, die mit dem Religiösen vermischt sind: Zorn, Wut, Streben nach Macht und sexuelles Begehren. So können sich die mächtigsten Impulse bilden, für die es wegen der religiösen Überzeugung kaum noch Grenzen gibt.   Religiöse Erfahrung ist zunächst eine Steigerung des Lebensgefühls damit auch eine Intensivierung der schon vorhandenen Emotionen. Man wird von psychischer Energie überschwemmt, die, wie man meint, nur edelste Ziele hat. Hier bedarf es einer strengen Selbstkritik, dass man sich nicht  den höchsten Idealen gleichsetzt, , die eine individuelle Gestaltung des eigenen Lebens zurückstellen, den einzelnen total in Beschlag nehmen und kritisches Denken ausschalten. Vielmehr geht es darum den eigenen  Schatten, das Dunkle und Böse in einem selbst wahrzunehmen und zu erhellen. Religiöse Erfahrung als unreflektierte Begeisterung muss deshalb noch nicht der Wille Gottes sein. Im irrationalen, mystischen Erleben kann auch eine Zeitbombe verborgen sein. Es kann eine schon vorhanden psychische Spaltung offenbar machen, indem es eine schon vorhandene Stimmung der Unzufriedenheit, zum offenen Ausbruch kommen lässt.Folgendes lässt sich feststellen: Je höher, eindeutiger, ausschließlicher die gesteckten Ziele sind, die ein Mensch verfolgt, desto umfassender und mächtiger ist auch sein Schatten, das heißt jener Teil der Wirklichkeit, den man nicht wahrhaben und über den man nicht nachdenken will. Man ist so stark von seinen Affekten besetzt, dass man nicht weiß, was man sagt, noch weniger, was man tut. Solche Menschen sind für Argumente unzugänglich.Die Klugheit und die Vorsicht können es erfordern, dass man das Böse in der Welt aufdeckt, auf Missstände hinweist, dass man Kritik übt an bestehenden Verhältnissen, vor allem um jenen gerecht zu werden, die keine Möglichkeit haben sich bemerkbar zu machen.Aber der entscheidende Fortschritt ist nicht, dass man anderen ihre Bösartigkeit nachweist, sondern es wird sich nur dann etwas auf Dauer bessern, wenn man seinem eigenen Schatten auf die Spur kommt. Wir betreiben gerne Gesellschaftskritik, Kirchenkritik, Bibelkritik, aber kaum Selbstkritik. Denn die ist weitaus schwieriger und unangenehmer und kostet einmal echte Selbstüberwindung, und die Fähigkeit zur Selbstreflexion, damit aber auch ein Stück Intelligenz. Die Umkehr beginnt dann, wenn ich aufhöre, andere zu beschuldigen, sondern in mir die Frage zulasse:

Was ist mit meinen Affekten? Gegen wen richten sie sich? Welches Feindbild finde ich vor? Was ist hinter meinem Schatten, der in den Feind projiziert wird?

Ist es doch im Grund der Wunsch nach Anerkennung, nach Geltung, die mir verwehrt wird , oder sogar die Gier nach Macht? In einer tieferen Schicht ist es die eigene Verunsicherung, die Angst vor Sinnverlust, die Angst vor einem kollektiven, weltanschaulichen und sozialen Zusammenbruch, die außerordentlich starke, gegen jede vernünftige Überlegung gerichtete Emotionen hervorbringt. Wer vermeintliches Unrecht aufdeckt und moralische Entrüstung auslöst, handelt nicht unbedingt schon im Sinne Christi und einer besseren Menschlichkeit, sondern nur dann, wenn er sich seines eigenen Schattens bewusst wird. Gefährlich wird es immer dann, wenn Emotionen angeheizt werden.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Das Feuer der Religion hat zwei Gesichter: Es kann zum Fanatismus werden, zur Macht und Herrschaft über andere. Es kann Feuer des Schreckens anzünden- die Scheiterhaufen der Inquisition und die Türme des Welthandelszentrums. Es kann zur Glut der Liebe werden wie bei Franziskus, den Sufis und den Buddhisten, sodass es möglich wird, den Aussätzigen zu umarmen. Nichts wäre heute wichtiger als eine heiße Religion, welche die Kraft hat, von den brutalen Gesetzmäßigkeiten dieser Welt zu erlösen und sie neu zu gestalten. Im Fall der Al Quaida und der Islamisten sind es die Reinheit des moslemischen Landes, der Alleinheit, der Einheit von Heiligem und Profanem, der Unterwerfung unter die höchste Autorität nämlich Gottes. Die Vorstellung, dass man unmittelbar im Auftrag Gottes handelt, verleiht eine innere Stärke, Überlegenheit und Unschlagbarkeit..Damit geschieht eine Hochstilisierung der eigenen Person und ihrer Taten. Bin Laden sieht seine Terroranschläge im Licht der letztgültigen, höchstbedeutsamsten Auseinandersetzung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, den Moslems auf der einen und den Christen und Juden auf der anderen Seite. Er ist damit im Dienst einer edlen und gerechten Sache, sogar der höchsten und wichtigsten nämlich Gottes selbst. Es geht um Gut und Bös als solchem, um Gott und den Satan. Die Überzeugung, einem hohen Ideal sein Leben zu weihen sogar zu opfern, verleiht dem eigenen Dasein, auch wenn es noch so gering ist, ein Gefühl der Bedeutsamkeit, Selbsterhöhung, der Sicherheit, der Hochstimmung im Angesicht des Todes. . Ein aufschlussreiches Dokument für die beschriebene Gestimmtheit ist das " geistliche Testament" des mutmaßlichen Attentäters Mohammed Atta, der das Flugzeug gegen das World Trade Center lenkte. "Diejenigen, die Totenwache halten, sollen Gottes gedenken und beten, dass ich bei den Engeln bin.... Diejenigen, die ich zurücklasse, sollen gottesfürchtig sein und sich nicht von den Dingen, die das Leben bietet, etwas vorgaukeln lassen- stattdessen sollen sie zu Gott beten und gute Gläubige sein...Dreimal soll Erde auf meinen Körper geworfen werden mit dem Spruch: "Du kommst aus Staub, bist Staub, und zum Staub kehrst du zurück. Und aus dem Staub wird ein neuer Mensch entstehen... Danach sollte jeder Gottes Namen anrufen und bezeugen, dass ich als Muslim starb im Glauben an Gottes Religion. Alle, die an meiner Beerdigung teilnehmen, sollen für mich um Vergebung bitten".

Die Spaltung in Freund und Feind ist Spiegel der inneren Spaltung. Die Rollen von Gut und Bös sind klar verteilt.

Es geht um die Vorstellung: Wir sind auf der Seite der Guten, der Erwählten. Wir kämpfen für Gott, wir sind deshalb von selbst die Guten und haben eine Selbstkritik nicht nötig. Die anderen sind auf der Seite des Bösen. Deshalb braucht man sich über die Mittel keine Rechenschaft abzulegen. Wer dem Feind schadet, erweist der Welt eine Wohltat. Man muss zugeben, dass auch die amerikanische Regierung von solchen Ideen inspiriert ist.    Das Böse, das man in sich trägt, wird gerne in den Feind projiziert. Konkret: der Hass, die Angriffswut, jede mögliche Schlechtigkeit Die Schuld, dass die gesteckten Ideale nicht erreicht werden, tragen die andern: alle, die anders denken, die anders glauben, die anders sind: alle Nicht-Moslems, die Christen, und Juden, die Frauen, Homophilen. Eine Vielfalt der Meinungen, der Religionen, der Lebensstile, Wertvorstellungen ist nicht möglich. Sie würde der Alleinheit widersprechen. In der Übersteigerung der eigenen Bedeutung liegt vermutlich eine Minderwertigkeit, eine Kränkung des Selbstwertgefühls, eine Bedrohung des eigenen Beziehungs- und Wertegefüges. Nach Samuel Huntington, der vom Kampf der Kulturen zwischen dem Westen und dem Islam spricht, ist das tiefere Problem des Islam als einer geistigen Struktur, deren Anhänger von der Überlegenheit ihrer Kultur überzeugt und von der Unterlegenheit ihrer äußeren Macht zutiefst verletzt sind.

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