Idol, Ideal, Vorbild - oder ich selbst!

In einem Dokumentarfilm über das Dritte Reich konnte man folgende Szene sehen: Der Führer hält in einer Rüstungsfabrik eine Rede. Tausende jubeln. Mit machtvoller Stimme spricht er vom                       "gigantischen Werk, das er vollbringen wird." Man sieht die leuchtenden Augen eines jungen Arbeiters, der von dem, was der Führer laut verkündet, voll und ganz hingerissen ist. Bald wird er in ein Maschinengewehr rennen, zerrissen, zerfetzt verbluten oder verhungern, erfrieren, im besten Fall nach verlorenen Jahren einen schweren Anfang versuchen. Er ist wie Tausende andere einem Idol zum Opfer gefallen. Als Idole bezeichnete der frühchristliche Theologe Tertullian die heidnischen Götterbilder, die ins Verderben locken. Sie sind gefährlich, weil sie blind mitreißen, eigenes Denken aufsaugen, und dem Unheil dienen.
Eine ähnliche Szene in einer anderen Zeit und unter anderen Vorzeichen dürfen wir uns vorstellen, als der heilige Franziskus auftrat. Von ihm wird berichtet: „Er sprach in einfältiger Rede, aber sein Wort aus der Fülle des Herzens ergriff die Zuschauer. Es war wie ein brennendes Feuer, das in die Tiefe der Herzen drang und alle mit Bewunderung erfüllte." Man kann sich auch leuchtende Augen vorstellen. Es war ein Feuer, das sich über die damalige Welt verbreitete, ein „gigantisches Werk", ein anderes, als welches der von finsteren Ideen Besessene hinausschrie. Allein die gewaltigen Kirchen in mittelalterlichen Städten, die den Namen des Heiligen tragen, lassen die Wucht der Bewegung ahnen, die damals ausgelöst wurde. Ganz zu schweigen von dem Edlem und Gutem, das sich über die Jahrhunderte mit dem Namen Franziskus verbindet, die Wohltaten an Armen und Kranken, die geistigen Schöpfungen, das Vertrauen in den Heiligen als Fürsprecher.
Was den Heiligen so sympathisch macht, ist mehr als seine Liebe zu den Vögeln. Es ist eigentlich seine Arglosigkeit. Er will und kann niemand böse sein. Er wettert nicht gegen Reiche und Herrscher, schon gar nicht gegen die Kirche. Er strahlt etwas aus, das Menschen anzieht. Oft kann man Personen antreffen, deren Gesicht beim Wort „Franziskus" zu leuchten beginnt. Er wird mit Recht als, „leuchtendes Vorbild" bezeichnet. In ihm sind Natur und Mensch versöhnt und sein Geist könnte die drohende Katastrophe abwenden.                                                                                                             Warum ist von diesem Geist aber so wenig zu spüren? Warum kann GretaThumberg Tausende begeistern, während die Orden, die sich auf Franziskus berufen, vom Aussterben bedroht sind?
Die junge Schwedin spricht vorhandene Ängste, Sehnsüchte und Erwartungen an und setzt das in Aktionen um, was viele fühlen und denken. Das Gesprochene erscheint als deren eigener Gedanke und das Getane als eigene Leistung. Ob es wirklich Ergebnis eigener überlegter Verantwortung ist? Aktivisten betrachten sich als von Sorge um die Zukunft beseelt und von der Wichtigkeit ihres Tuns überzeugt. Weil sie ja die Welt retten, dürfen sie, so ihre Meinung, herkömmliche Regeln übertreten, bringen aber keine Lösung.

Vorbild oder Inbild- Imitation oder Inspiration?
Was ist der Unterschied zu Franziskus? In ihm ist eine Dynamik erwacht, welche den Rahmen, in dem seine Umgebung denkt, auch durchbricht, aber die Ängste nicht steigert, vielmehr Alternativen zeigt. Es ist ein Antrieb aus dem geistigen Bereich, nicht aus der politischen Lage, der „Seelenfunke", „göttlicher Funke", von C.G. Jung „Archetyp Gottes" oder „Bild Gottes" genannt wird. Hier unterscheidet sich Jung von S.Freud, für den Gott „nichts als der erhöhte Vater" ist. Die Vorstellung vom Vater würde in das Gottesbild projiziert,  so seine Theorie. Bei Franziskus sehen wir gerade das Gegenteil, was sich     im Konflikt mit seinem Vater zeigt. Sein Gottesbild ist nicht vom Vater geprägt, sondern ist die  Instanz in ihm, die alles, was vom Vater kommt, verwirft. Es ist der göttliche Funke, der zum Feuer wurde und Feuer entfachte. Es  ist der Impuls Gottes als das Ureigenste, als die treibende Kraft, die ihn echt, originell, anziehend macht und spontan handeln lässt. Dieses Göttliche, ganz Eigene will in jedem von uns wirken, kann es aber nicht, solange wir uns selbst nicht spüren. Hier dürfen  wir die Nachfolge des Heiligen etwas kritischer betrachten. Man kann an  der großen Gestalt so   fixiert sein, dass man sich selbst überpringt und damit dem, was in einem selbst erwachen will, keine Chance gibt. Der Eifer mag in den Anfängen groß sein, aber es zeigt sich so häufig, dass er im Laufe der Jahre erlahmt.  Darin dürfte man das Problem der offiziellen Nachfolger des Heiligen sehen. Nicht das Vorbild vollbringt es, sondern das Inbild. Nicht die Imitation ist es, sondern die Inspiration, die Anregung, wie das Gottesbild erwachen  kann. Erst dann wird mein Leben so verlaufen, dass es dem Vorbild ähnlich wird. Als wichtigste Botschaft bleibt: Ich darf ganz ich selbst werden, wie Franziskus ganz er selbst war, der einmalige, der gerade deshalb für Ungezählte wichtig wurde.

 

 

 

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