Christi Himmelfahrt

1.Lesung Apg 1.1 - 11

2.Lesung Eph 1.17 - 23

Evangelium Lk 24,46 - 53


46 Er sagte zu ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen,
47 und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden.
48 Ihr seid Zeugen dafür.
49 Und ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herab senden. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet.
50 Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie.
51 Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben;
52 sie aber fielen vor ihm nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück.
53 Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott.


Die Kraft, die uns emporhebt

Die zentrale Botschaft des heutigen Tages lautet: „Er wurde zum Himmel  emporgehoben“ (Lk 24, 51). Aber wir können nicht mehr an einen Himmel über den Wolken glauben. Für die Jünger von damals war die Himmelfahrt eine überzeugende Darstellung seiner Macht und Größe, seines Sieges über den Tod und feindliche Gewalten. Es wird die Kraft dargestellt, welche alle Erdenschwere aufhebt. Damit ist gemeint: Alles Schwere, das uns niederdrückt und belastet, das unseren Lebensraum einengt, das uns den Boden unter den Füßen wegzieht, hat seine bestimmende Macht verloren.
In seiner Abschiedsrede versucht Jesus den Jüngern klar zu machen, dass er weggeht, aber nur, damit er auf eine andere Weise näher, dichter, wirksamer bei ihnen sein kann. Dieses neue Bei ihnen Sein ist in dem enthalten, was „Kraft von oben“, „Beistand“, Heiliger Geist“ genannt wird.
Die letzte Frage der Jünger an Jesus lautet: „Wirst du das Reich Israel wieder herstellen?“ (Apg 1,6 ) Im Geheimen hatten sie doch erwartet, dass Jesus als der endgültige Sieger die Größe und Macht des Königs David sichtbar und überwältigend herbeiführt. Damit verband man ein Ereignis, wo nach überlieferter Vorstellung sich die Güte Gottes wie ein Regen über das Land ergießt, wo Dürre, Kargheit und Hunger verschwinden, wo den Armen ihr Recht zugesprochen wird, wo sich dauerhafter Friede und Sicherheit  ausbreiten. Stattdessen ist von einer Kraft die Rede, die ihnen noch unbekannt ist und genauso auch uns. Vielen wäre eine überzeugende Persönlichkeit an der Spitze einer Art Weltregierung, die mit Klugheit und Weitblick auf allen Ebenen durchgreift, lieber als eine imaginäre, nichtvorstellbare Kraft von oben. Hier müssen wir wie die Jünger von damals noch einiges erst verstehen lernen.

Die Herrschaft Jesu kann unter keinen Umständen als eine äußere, politische und militärische Macht verstanden werden, die anderen ihren Willen aufzwingt, die Angst verbreitet, welche die Anhänger belohnt und die Ungehorsamen bestraft. Die Absicht Jesu ist vielmehr, die Menschen vom Innersten her, in Freiheit zu wandeln. Dies tut er nicht durch Ermahnungen und Drohungen, sondern indem er ihnen seine volle Gegenwart und Güte zuwendet und so den Keim eines neuen Lebens weckt. Das hat zur Folge, dass eine nie geahnte und nie gespürte Freude in ihnen aufbricht und sie wie von selbst anders werden lässt. Dafür steht die Erzählung vom Zöllner Zachäus, der auf seinem Baum völlig überraschend von Jesus angesprochen wird, der ein Glück wie noch nie erlebt und ihn dann bereit sein lässt, die Hälfte seines Vermögens den Armen zu geben. Andere wurden so von der Ausstrahlung Jesu berührt, dass sie Haus und Hof verließen. Genau auf dieser Ebene sollten die Jünger Jesu sein Werk fortsetzen. Sie sollen den Funken Gottes in einem jedem zu einem großen Feuer entfachen und im eigenen Land  und sogar auf der ganzen Erde eine neue Zeit herbeizuführen. Dafür bekommen sie die Kraft von oben (Lk 24, 49). Noch einmal: es ist die Kraft, um Menschen aus Elend, Verachtung, Unterdrückung und Entwürdigung emporzuheben, um sie zu wandeln und um der Erde ein neues Aussehen zu geben. Im griechischen Urtext heißt Kraft dynamis. Davon kommt unser bekanntes Wort Dynamik. Damit in Zusammenhang steht noch das  griechische Wort energeia - Energie, das heute in der zweiten Lesung vorkommt. Es bezeichnet das Wirken des Heiligen Geistes, das sich wie in der Auferstehung Christi gegen alle Strömungen sogar gegen Untergang und Zerfall durchsetzt.

Hier dürfen wir noch einmal in das Erfahrungsfeld der Ostergeschichten eintauchen. Im Osterbericht des Matthäus heißt es, dass am Morgen des ersten Wochentages ein Engel vom Himmel stieg, dessen „Aussehen wie der Blitz war“ (Mt 28, 3). Ein Blitz hat eine Energie, die im ganz wörtlichen Sinn nicht zu fassen ist. Wir kennen auch blitzende Augen. Sie sind Zeichen von Lebendigkeit und Ausstrahlung eines Menschen. Wir dürfen an manche Geistbegabte denken, deren Augen wie Funken sprühen und denen zuzuhören eine Freude ist. Vom russischen Einsiedler Serafim von Sarow wird erzählt, dass ihn einmal ein Pilger aufsuchte und ihn nach der Gabe des Heiligen Geistes fragte. Nach einer kurzen Rede leuchtete das Gesicht des Starzen wie die Sonne und Blitze fuhren aus seinen Augen. Der Pilger, ein Gutsbesitzer und Landrichter mit kritischem Verstand, war zutiefst berührt und wusste die Antwort auf seine Frage.

Eines dürfte sicher sein: Personen, die Gott erfahren, ob die ersten Jünger, der heilige Serafim oder der heiliger Franziskus, sind Energie geladene, wenn nicht sogar „energische“ Menschen, die ein Energiefeld um sich verbreiten, das berührt, aufwühlt,  erschüttert und zugleich wohltuend und heilend wirkt. Es ist die Energie und Dynamik des auferstandenen Christus, welcher eine neue Welt aufbaut.