17. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Gen 18, 20 - 32

2.Lesung Kol 2, 12 - 14

Evangelium Lk 11, 1 - 13



Das Wunder, das Menschen verwandelt

Beten- das ist ein Rufen zu jemand, den es nicht gibt, das ist die Zeitvergeudung, in der man einer Illusion huldigt. Vor allem aber: es ist überflüssig. Das ist die Meinung, die man so hören kann, mit der auch die meisten in unserem Land übereinstimmen. Nach einer Umfrage setzen die meisten Eltern die religiöse Erziehung ihrer Kinder an die letzte Stelle.  Wenn wir ganz ehrlich sind, selbst wir, die wir uns für glaubende Christen halten, haben Mühe mit dem Gebet und können den Worten Jesu nicht ohne weiteres folgen. Vor allem haben wir Schwierigkeiten mit der Aussage, dass jedes Gebet erhört wird. Die Erfahrung der meisten ist eine andere. Versuchen wir, die Begründung Jesu zu verstehen.

Jesus bringt keineswegs irgendeine Lehrmeinung vor, sondern geht vom menschlichen Leben aus. Er sagt zu den Leuten: „Ihr habt doch Kinder. Und wenn ihr an eure Kinder denkt, da wird es euch doch warm ums Herz”. Ich denke an eine Frau, die sehr unglücklich war. Als sie aber von ihrem zehnjährigen Sohn erzählte, da kam Freude in ihr Gesicht. Als Mutter oder Vater will man doch nur eines: dass es das Kind gut hat, dass es aufblüht und heranwächst und glücklich wird. Jesus spricht die beste Seite seiner Zuhörer an. „Schaut doch!” sagt er, „in euch selbst ist die Quelle des Guten trotz aller Schwierigkeiten, Nöte und Versagen”. So dürfen wir den so schwierigen Satz verstehen: „Ihr, die ihr böse seid, versagt doch euren Kindern nicht das, was sie zum Leben brauchen. Wer von euch könnte so hartherzig sein?”

Mit dem Verstehen des Gebets kommen wir dann weiter, wenn wir wie Jesus diese innere Quelle in den Blick nehmen, sie erschließen und von ihr aus die Dinge unseres Lebens betrachten. Das bedeutet: Das Beten um äußere Dinge, um Verhinderung eines Unglücks, um Gelingen eines Vorhabens, um Schutz und Geleit für einen geliebten Menschen hat mit unserem Innersten zu tun. Es geht nicht, ohne dass wir uns im Innersten engagieren, ohne dass wir selbst verändert werden. Deshalb ist es so wichtig zu schauen, was das Beten als solches mit einem macht.

Bei Jesus ist es so, dass ihn das Beten verwandelt. Es muss den Jüngern aufgefallen sein, dass mit ihm etwas geschehen ist, nachdem er vom Gebet zurückgekehrt war. Er ist aufgeladen mit Energie.
Einmal wird berichtet, dass sich während des Gebetes sein Aussehen verändert hat. Sein Gesicht  fing an  zu leuchten wie die Sonne. Seine Kleider wurden weiß wie Schnee (Vgl. Mt 17, 2). Jesus war unmittelbar an die innerste Quelle angeschlossen, die auf sichtbare Weise nach außen drang. Er nennt sie „Abba, Vater.”
An einer anderen Stelle heißt es: Nachdem er die ganze Nacht gebetet hatte, ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte (Vgl. Lk 6,19). Die Menschen strömten zu ihm, einfach deshalb, weil sie sich in seiner Nähe mit ihrem Leid aufgehoben fühlten.
An einer anderen Stelle sagt Jesus: „Kommt alle zu mir, die ihr unter Lasten stöhnt. Ich will euch ausruhen  lassen” (Mt  11,28). Man könnte auch übersetzen: Ich will euch aufatmen lassen. Man kann sich vorstellen, dass Jesus eine Atmosphäre verbreitet, die einfach gut ist und die vom Gebet ausgeht.
Auf diesem Hintergrund wird der Wunsch der Jünger verständlich: So wie Jesus möchten wir auch beten können!

Jesus beginnt mit dem Wort „Vater“. Damit ist alles angesprochen, was mit „Vater- und Mutter sein“ zu tun hat. Er will seinen Jüngern sagen: Versucht einmal den Anschluss zu finden an das, was euch am teuersten und heiligsten ist, zum Beispiel an das Gefühl, das ihr zu euren Kindern habt. Das ist zugleich die Mitte eures Herzens. Jesus meint hier nichts anderes, als wenn wir sagen: Wir sollten beim Gebet gesammelt sein, wir sollten uns selbst einmal spüren, wir sollten mit der Tiefe unserer Seele in Kontakt treten. Vor lauter Arbeit und Sorge haben viele ihre Seele verloren. Sie haben keinen Zugang zu jenem Bereich ihres Daseins, wo Gefühle ihr Recht bekommen, wo man die Stille genießen kann, ebenso die Nähe und die Freude aneinander. Gemeint ist jener Raum, wo die Seele leben darf.

Zum Leben gehört als erstes das Atmen. Der indische Religionsführer und Politiker Mahatma Ghandi sagte zum Thema Gebet: „Beten ist das Atmen der Seele.” Gerade er ist das Beispiel dafür, dass Beten nicht eine Flucht vor der Wirklichkeit, noch weniger eine Illusion ist. Er war der Freiheitskämpfer, der auf friedliche und gewaltfreie Mittel setzte und dabei sein Land mit seinen fünfhundert Millionen Einwohnern ohne Blutvergießen zur Freiheit von der Kolonialmacht führte. Er demonstriert am überzeugendsten, was geschehen kann, wenn das Innere auf das Äußere einwirkt. Dazu noch eine Episode, wie sie täglich vorkommt. In einer Ehe gab es eine große Spannung. Beide konnten nicht mehr miteinander reden. Die Gefühle waren auf beiden Seiten festgefahren. Da betete die Frau, die sehr gläubig war, fast die ganze Nacht. Am nächsten Morgen war alles verändert. Die Atmosphäre, die so bedrückend auf beiden lastete, war wie weggeblasen. Das Gespräch lief wieder, und die Harmonie stellte sich wieder ein. Als erstes hatte sich etwas in ihr selbst gelöst. Das brachte die Wende. Oft ist es so, dass wir an den äußeren Dingen im Augenblick nichts ändern können, aber niemand kann uns daran hindern, es mit uns selbst zu tun. Und das kann über Gebet und Meditation geschehen. Wir betreten damit einen Wandlungsweg, der uns von unserer negativen Sicht der Wirklichkeit löst, von Ängsten, von Zorn, Hass und Vorurteilen. Sobald wir von schädlichen Gefühlen befreit sind, ergibt sich eine Atmosphäre, die ein neues Verhalten aller ermöglicht. Man reagiert gelassener, wir setzen niemand unter Druck, es ergeben sich neue Perspektiven.

Eines dürften wir dem heutigen Evangelium entnehmen: Es wird zum großen Gewinn, wenn wir die Bedeutung des Gebets neu schätzen lernen. Gerade an den Wendepunkten unseres Lebens ist es die Entscheidung für unsere Zukunft. Der Raum und die Zeit, die wir dafür brauchen, sind nicht verloren.