3. Fastensonntag C 20.03.2022
1 Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb.
2 Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht.
3 Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?
4 Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
5 Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.
6 Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
7 Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid.
8 Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen,
13 Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen darauf sagen?
14 Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der «Ich-bin-da». Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der «Ich-bin-da» hat mich zu euch gesandt.
15 Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen Generationen.
2.Lesung1 Kor10, 1-6.10-12
1 Ihr sollt wissen, Brüder, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren, alle durch das Meer zogen 2 und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und im Meer.
3 Alle aßen auch die gleiche gottgeschenkte Speise
4 und alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem Leben spendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.
5 Gott aber hatte an den meisten von ihnen kein Gefallen; denn er ließ sie in der Wüste umkommen.
6 Das aber geschah als warnendes Beispiel für uns: damit wir uns nicht von der Gier nach dem Bösen beherrschen lassen, wie jene sich von der Gier beherrschen ließen. 10 Murrt auch nicht, wie einige von ihnen murrten; sie wurden vom Verderber umgebracht.
11 Das aber geschah an ihnen, damit es uns als Beispiel dient; uns zur Warnung wurde es aufgeschrieben, uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat.
12 Wer also zu stehen meint, der gebe Acht, dass er nicht fällt.
Evangelium Lk 13,1-9
1 Zu dieser Zeit kamen einige Leute zu Jesus und berichteten ihm von den Galiläern, die Pilatus beim Opfern umbringen ließ, sodass sich ihr Blut mit dem ihrer Opfertiere vermischte.
2 Da sagte er zu ihnen: Meint ihr, dass nur diese Galiläer Sünder waren, weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen Galiläer aber nicht?
3 Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.
4 Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden - meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen Einwohner von Jerusalem aber nicht?
5 Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.
6 Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine.
7 Da sagte er zu seinem Weingärtner: Jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
8 Der Weingärtner erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
9 Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen
Die (un) / nötige Umkehr
Der Aufruf zur Umkehr ist uns allzu sehr bekannt. Wir hören ihn jedes Jahr zur Fasten- und Adventszeit. Er ist zum Ritus geworden, der uns weiter nicht bewegt. Dabei hat Jesus heute ein sehr ernstes Wort gesprochen: „Ihr werdet alle umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt" (Lk 13,3). Dies ist eine sehr deutliche Warnung, die sich dann auch eine Generation später bestätigt hat, als der jüdische Aufstand von den Römern grausam niedergeschlagen wurde. Dann fügt er noch hinzu: „Meint ihr, ihr seid besser als die, welche von Pilatus ermordet wurden und die andern, die das Unglück getroffen hat? Es kann mit euch genauso geschehen". Nehmen wir Jesus einmal wörtlich, dann ist das nicht leicht anzunehmen. Auf unsere Verhältnisse übertragen würde es lauten: „Meint ihr, ihr seid besser als die Menschen in der Ukraine und in den anderen Ländern, die von Krieg und Terroranschlägen heimgesucht werden? Oder meint ihr, ihr seid besser, als die Menge am See Genezareth, die von Jesus fasziniert war, aber ihm doch nicht folgte." An uns Theologen gerichtet würde es heißen „ Meint ihr, ihr seid besser als die Schriftgelehrten, die alles wussten, aber Jesus doch nicht verstanden?"
Das würde bedeuten: auch über uns schwebt eine solche Drohung, ein Damoklesschwert. Nur wir wollen es nicht wahrhaben. Dies trifft genau die Nachrichten der letzten Wochen, in denen wir wie in einer anderen Welt aufgewacht sind. Ein Aufruf zur Umkehr ist einem Feueralarm vergleichbar. Wenn in einem Büreaugebäude unerwartet mitten am Tag die Sirene tönt, dann laufen alle aus den Räumen und suchen den Ausgang. Wenn diese aber jeden Tag um die dieselbe Zeit zu hören ist, wird sich niemand mehr darum kümmern. Was ist aber, wenn es um dieselbe Minute nun tatsächlich brennt? In der Situation sind wir. Wir haben uns an den Alarm des Evangeliums schon längst gewöhnt. Dazu bringt Joseph Ratzinger in seinem Buch „Einführung in das Christentum" eine Parabel: In einem Zirkus bietet ein Clown eine begeisternde Vorstellung. Alle sind von seinem Talent hingerissen. Plötzlich ist im Zelt ganz hinten Feuer ausgebrochen. Der Clown bemerkt es als erster und will mit Gesten und Rufen das Publikum warnen. Aber niemand bewegt sich vom Platz. Alle bewundern ihn, wie gut er seine Rolle spielt. Niemand nimmt die Situation ernst. Dies ist die Klage des zurückgetretenen Papstes über die Situation der Kirche in der Gesellschaft von heute. Mit anderen Worten: Die Verkünder bringen den Menschen eine Botschaft, bei der es um Leben und Tod geht, aber keiner hört auf sie, gerade deshalb, weil sie ihre Rolle so gut spielen. Man hat sich daran gewöhnt, dass sie zur Nächstenliebe aufrufen, dass sie vor dem Verfall von Ehe und Familie warnen, dass sie von einem Leben nach dem Tod reden. Gerade weil man eine bestimmte Aussage erwartet, ist sie nicht mehr aufregend. Sie mag Altes bestärken, aber an der vorherrschenden geistigen Strömung und an der Einstellung des einzelnen ändert sie nichts. Sie wird im besten Fall unter den Nachrichten registriert und abgespeichert. Eine Rede über Leben und Tod wird vielmehr dann glaubhaft, wenn man spürt: dieser Mann, diese Frau ist selbst dem Tod entronnen und da ist noch etwas von seiner Not, von seiner Angst und von seiner Erleichterung gegenwärtig. Dieser Mensch weiß, was es um Hölle und Himmel ist. So ist es bei denen, die das Grauen des KZ, s überlebt hatten. Bei ihren Auftritten haben sie volle Säle, weil noch etwas mitschwingt von dem, was sie durchgemacht hatten. Der Tod eines/er Überlebenden findet volle Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. „Holocaust-Überlebende Inge Deutschkron gestorben" kam in den Nachrichten. Ein anderes Beispiel aus einem anderen, bedrängendem Problem sei noch angeführt. Eine engagierte Frau, die für die Kinder von Suchtkranken eine Heimstätte errichtet hatte, wird zu einem Vortrag zum Thema Alkohol in die Schule gerufen. Die Schüler erwarten sich die übliche Belehrung und Warnung und sind entsprechend interessiert. Als sie aber sagt, dass sie selbst Alkoholikerin war, sind alle hellwach. Sie schildert, was es heißt, im Elend zu stecken und was es kostet, sich davon zu befreien. Ihr Bekenntnis hat mehr bewirkt als jede noch so gut gemeinte Ermahnung. Im Blickfeld steht nicht nur das Schicksal der mutigen Frau, noch mehr die Reaktion der Schüler. Es geht um die Betroffenheit, die bei ihnen ausgelöst wird und die sie mehr motiviert als die gewohnten Reden der Eltern und Lehrer. Sie werden nachdenklich und -so darf man annehmen- etwas vorsichtiger im Umgang mit Alkohol. Hier bekommt das Wort von der Umkehr seinen berechtigten Namen. Es wird ersichtlich, dass sie nicht bei der Suche nach den Verfehlungen beginnt, sondern mit dem, was uns im Tiefsten berührt. Unsere Aufgabe ist, so zur Ruhe zu kommen, dass mit uns etwas geschehen kann. Nur wenn wir im Innersten angesprochen, berührt sogar erschüttert sind, ändert sich auch die Richtung unserer Einstellungen, unserer Gefühle, unseres Denkens und unserer Handlungsweisen. Unser Innerstes richtet sich nach anderen Werten aus. Gemeint ist der Sinn für das, was uns weiterbringt, was unser Leben bedeutend und erfüllt macht, für das, was wesentlich ist und für das Leben Gewicht hat. Dies ist die Umkehr, die jedem, der sich statistisch gesehen im Bereich des Normalen bewegt, auferlegt ist. Denn was soll die Bekehrung, so fragen die gut Gesinnten, wo wir doch unser Möglichstes tun, unsere Pflicht im Beruf und in der Familie. Wir schaden niemand absichtlich, wir haben uns eigentlich nichts vorzuwerfen! Aber vor lauter Pflichterfüllung, Korrektheit und Religiosität kann man blind sein für das, was einem fehlt, dafür dass das Leben miteinander eintrocknet und verödet. Es kann sich ganz im Innern eine Stimmung breit machen, die sehr düster ist. Sie drückt sich darin aus, dass man schon längst sein Urteil über die andern gefällt hat, über die Kirche, über die Politiker, über die Medien und die Menschen unserer Zeit, ohne um die Not und um das ehrliche Bemühen zu wissen. Wer jedoch ein Gespür für das Echte hat, dem öffnet sich die Lebenswelt Andersdenkender und wird auch von ihnen ernst genommen. Damit hat man die Rolle des unverstandenen Clowns verlassen. Wo immer man von einem Ereignis- in diesen Tage ist es der schreckliche Krieg- gemeinsam betroffen ist, findet man einen Weg zueinander. Wer konsequent diese Spur weitergeht, wird etwas von Dem verstehen, Der von sich sagt: "Ich bin der "Ich bin da"( Ex 3, 14). Es ist der Name, der so wichtig ist, dass man wie Mose anhalten muss beim Gehen, beim Arbeiten, beim Denken. Wer sich von diesem Namen ergreifen lässt, ganz gleich wann und wo er ihn trifft, der darf auf das „schöne, weite Land hoffen, in dem Milch und Honig fließen"( Ex 3,8a).