12.Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Sach 12, 10 - 11; 13, 1

2.Lesung Gal 3, 26 - 29

Evangelium Lk 9, 18 - 24

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
18 als Jesus in der Einsamkeit betete und die Jünger bei ihm waren, fragte er sie: Für wen halten mich die Leute?
19 Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.
20 Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Messias Gottes.
21 Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen.
22 Und er fügte hinzu: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen.
23 Zu allen sagte er: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
24 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.


Wer ist Jesus?

Um einen Menschen kennenzulernen, fragen wir als erstes: Was macht er beruflich? Dann: Was hat er geleistet? Wie erfolgreich war seine Karriere? Wer einen akademischen Titel hat, wird nach dem beurteilt, was er veröffentlicht, welche Bücher er geschrieben hat.  Etwas heikler wird schon die Frage nach Partnerschaft und Familie. Kaum aber gilt das Interesse der religiösen Einstellung. Diese gilt als der ganz persönliche Bereich, der bei der Beurteilung keine Rolle spielt. Gerade hier kann auch die Neugierde geweckt werden. Um zu erfahren, wie jemand im Innersten denkt und fühlt, bringt es ein großes Stück weiter, zu wissen, ob jemand betet und wie er betet. Damit sind wir mitten im Evangelium des heutigen Sonntags. Es geht um die Frage: Wer ist Jesus?

Jesus stellt sie selbst, nachdem er mit seinen Jüngern in der Einsamkeit abseits vom geschäftigen Treiben und Gerede gebetet hat. Es ist die Frage nach seinem ganz Persönlichen, nach seinem Wesen, nach dem, was ihm das Kostbarste ist und wo er auch am verletzlichsten ist. Es ist auch der Schlüssel zu der Frage: „Woher hat er dies?“ (Mk 6,2). Es ist ein Thema, das zunächst nur den engsten Kreis berührt und vor der Öffentlichkeit  geschützt werden muss. Petrus bekennt, dass Jesus der Messias ist! Wie kommt er zu dieser Aussage? Wir dürfen annehmen, dass gerade die Art, wie Jesus betet, zu dieser Erkenntnis geführt hat. An einer anderen Stelle heißt es, dass sich während des Betens das Aussehen Jesu verändert, dass sein Gesicht wie die Sonne leuchtet (Mt 17,2) und dass es für die Umstehenden wunderbar ist, dabei zu sein. Es breitet sich eine Atmosphäre aus, die alle zutiefst berührt. Jesus ist im Gebet mit dem letzten Urgrund, dem „Vater“ verbunden, von dem die intensivste Kraft ausgeht und in Jesus aufleuchtet. Es ist das Heilige, das Petrus und die andern Apostel ergreift. Er spricht aus, was alle spüren. Das Bekenntnis, „Du bist der Messias Gottes“ (Lk 9,20) ist uns zunächst fremd. Messias heißt auf Deutsch „der Gesalbte, auf Griechisch christós. Daraus wurde Christus als Name.

In der Geschichte Israels wurden die Könige von einem Propheten oder vom Hohen Priester gesalbt und damit die Sendung und die Kraft Gottes übertragen. An den „Gesalbten“ knüpften sich die Hoffnung und das Schicksal des ganzen Volkes. Er war die Mitte der kleinen Welt Israels. Wenn das Wort „Messias“ in der damaligen Zeit fällt, werden damit berauschende Erwartungen geweckt: politischer Erfolg, Macht, Befreiung von Fremdherrschaft, überfließender Wohlstand und unerschöpflicher Reichtum. Diese Hoffnungen wird Jesus nie erfüllen. Seine Sendung liegt auf einer ganz anderen Ebene. Er  ist nicht König eines Landes, sondern er ist der König der Wahrheit (Joh 18,37), das heißt der letzten Wirklichkeit. Er will alle Menschen aus der Verlorenheit zu Gott heimzuführen.

Um dem Missverständnis zu wehren, lenkt Jesus sofort den Blick auf sein zukünftiges Schicksal: Er werde von der Führung des Volkes abgelehnt, sogar getötet. Aber gerade dies ist der Weg, um die große Verheißung allen Menschen zu öffnen. Das zu begreifen fällt den Jüngern von damals schwer, uns heutigen noch mehr! Jesus ist gerade im Gebet zuinnerst mit dem Vater verbunden. Da ist er an dem Punkt, aus dem er die Menschen voll und ganz annimmt und den Grund ihres Wesens berührt.  Allerdings bewegt er sich noch im eigenen Volk. Er spürt, dass er für alle Menschen gesandt ist und diese Aufgabe erst durch seinen Tod erfüllen kann. Erst dann ist er voll und ganz in der Mitte, wo er alle erreicht.                                                                                                                              

Wer ihm nahe sein will, muss denselben Weg zur Mitte von allem auf sich nehmen. Es ist nicht die schnell packende Begeisterung, welche den Kern der Nachfolge Jesu ausmacht, sondern die innere Wahrhaftigkeit, welche in die Mitte der Existenz führt und ein ähnliches Schicksal nach sich zieht.. So bekommt das Wort vom „Sich selbst verleugnen“, das man heute nicht so gerne hört, den Sinn der eigenen Echtheit. Es geht darum, kritisch und bejahend zugleich, auch mit den Augen der anderen sich selbst anzuschauen, sich von der Suche nach Vertiefung und Erfüllung des Lebens bewegen und umtreiben zu lassen. Weil Echtheit Vertrauen schafft, wird man sehr bald in der Mitte vieler stehen. So geht der Weg zur eigenen Mitte zugleich in die Richtung, wo die Mitte der Welt verborgen ist. Diese ist Christus, der Auferstandene. Er wirkt durch seinen Geist. Wie kaum ein anderer ist Paulus, der Apostel, Christus nahegekommen. Er durfte erleben, wie diese Mitte die Grenzen zwischen Höhergestellten und Untergebenen, zwischen Völkern und  Religionen aufhebt. „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus“ (Gal 3,28).

Der Apostel spricht die Erfahrung an, welche den ersten Christen gemeinsam ist. Im Glauben an Christus haben sie eine Kostbarkeit entdeckt, um derentwillen sie sich von ihren Freunden und Verwandten trennen, sogar ihren Besitz aufgeben und alle erdenklichen Mühen auf sich nehmen. Sie werden von einem gemeinsamen Punkt wie von der Mitte eines Kreises angezogen. Dies geschieht in voller Freiheit, ohne von der Gruppe  aufgesogen zu werden. Es ist ein neues Lebensgefühl, wo man für einander offen ist und Begegnungen gelingen. Sie sind neue Menschen geworden.