20. Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Jer 38, 4 - 6.8 - 10
   
2.Lesung Hebr 12, 1 - 4

Evangelium Lk 12,49 - 53



Religion ist Feuer

Religion scheint in unserem Land immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Ganz andere Interessen beschäftigen die Jungen und auch die Älteren. Da werden wir plötzlich von grauenhaften Ereignissen überrascht, deren Hintergrund religiös ist. Die Attentäter hatten vorher gebetet und nach vollbrachter Tat „Gott ist groß“ geschrien. Früher hätte man dazu gesagt: „Der Teufel ist groß“. Plötzlich wird uns zu unserem Schrecken bewusst gemacht: Religion ist keine Lappalie, die man gut vergessen kann. Es geht um Leben und Tod! Religion ist Feuer. Dies hat sich im ganz wörtlichen Sinn bewahrheitet.
Nun hören wir heute ein Wort Jesu, welches diese Aussage bestätigt aber in einem ganz anderen Sinn.
„Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49)

Dazu stellen wir uns den heiligen Franziskus in einer mittelalterlichen Stadt  Italiens vor. Er geht auf den Marktplatz, spricht herumstehende Personen an, verwickelt sie in ein Gespräch. Die Gesichter werden ernst, dann zeigt sich Freude, die Augen fangen an zu leuchten. Die Vorübergehenden werden aufmerksam auf den kleinen Kreis, neugierig treten sie hinzu, bleiben stehen und hören ebenfalls die Stimme des recht unscheinbaren Mannes. Sie sind zutiefst berührt, reißen Augen und Ohren auf, stehen sprachlos da. Es ist eine Dichte der Atmosphäre, die einfach gut tut, die immer mehr Leute anzieht. Sie gehen mit dem Mann in die nächste Kirche und singen „Großer Gott wir loben dich.“ Am nächsten Tag kommen sie wieder, versammeln sich zum Gebet und zum Gesang. Sie beschließen, beisammen zu bleiben, um diese ergreifende und  kostbare Atmosphäre weiter zu pflegen. Am Anfang sind es zwei oder drei Personen,  nach einigen Stunden sind 30 und 50 oder mehr. Am Schluss ist eine ganze Stadt auf den Beinen.
Die Zuhörer sind an einer Stelle ihres Herzens getroffen, die stärker ist als alle alltäglichen Überlegungen und Interessen. Einer davon berichtet später, er habe nach einem solchen Auftritt nicht mehr gewusst, was der Heilige im Einzelnen gesagt hat, er sei nur fasziniert von seiner Ausstrahlung gewesen.
Es sprang ein Funke über. Es  wurde auch ein Feuer angezündet, ein ganz anderes als das der Terroristen.
Sein Biograf Thomas von Celano beschreibt sein Auftreten so: „Er sprach in einfältiger Rede, aber sein Wort aus der Fülle des Herzens ergriff die Zuhörer. Es war wie brennendes Feuer, das in die Tiefe der Herzen drang und alle mit Bewunderung erfüllte.“ 
Es ist etwas von dem Feuer, von dem Jesus spricht: Das Feuer steht für die Energie, die menschliches Leben ermöglicht oder auch bedroht. Wo man bei Ausgrabungen neben den Skeletten auch eine Feuerstelle findet, weiß man, dass es Menschen waren. Auch heute sitzen junge Menschen wie ihre Vorfahren gerne um das Lagerfeuer oder vor dem offenen Kamin, um dem Lodern und Prasseln der Flammen, wie einer geheimnisvollen Macht zuzuschauen. Wenn in einem Haus Feuer gerufen wird, dann lässt man alles liegen und stehen und läuft zum Ausgang. Es geht um Leben und Tod! Hier zeigt sich die überwältigende Macht dieses Elements.
Somit ist es der beste Ausdruck dafür, was mit einem Menschen geschieht, der von Gott, der letzten Wirklichkeit ergriffen wird. Das erste Wort, das der französische Philosoph Blaise Pascal nach einem erschütterndem Gotteserlebnis hervorbrachte, war „Feuer!“ Ein religiöser Aufbruch dieser Art ist tatsächlich wie Feuer, das kein Zurück mehr zulässt.
Dann kann es sein, dass Menschen Dinge tun, die andern wie verrückt erscheinen.  
So war es bei dem Heiligen aus Assisi, als er, der Sohn aus einem wohlhabenden Haus, anfing, sein Essen zu betteln. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass er damit seinen Vater bis zur Weißglut reizte. Es führte schließlich zu jener Szene, in welcher er seinem Vater mit dem Geld und den Kleidern auch sein Sohn-sein hinwirft und damit  Ansehen, Achtung und Sicherheit aus der väterlichen Herkunft. In den Augen der Leute ist er ein Niemand, noch schlimmer: Franziskus, einmal der Stolz des Vaters, ist jetzt ein Bettler, dazu ein verrückter!
Weiter können sich wohl Vater und Sohn nicht entfernen, größer könnten der Konflikt und der Schmerz nicht sein.
In der so tragischen Geschichte kann man fast wörtlich die harten Worte Jesu erkennen: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.……..der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater!“ (Lk 12,51,53).
Wir dürfen annehmen, dass dieser Schritt nicht nur dem Vater Bernardone, sondern auch dem Sohn Franziskus arg zugesetzt hat. Er ist wohl wie durch das Feuer gegangen, zerrissen zwischen seinem bisherigen angenehmen Dasein, seinem  ehrgeizigem Vorhaben und dem inneren Anruf, der ihn zu den Aussätzigen führte.
Bei der üblichen Glorifizierung des Heiligen wird leicht übersehen, dass gerade dieser Durchgang notwendig und der Grund seiner Ausstrahlung ist. In der Zeit seines Rückzugs und seines Ringens erhält er die Dynamik und Energie, mit der er Menschen anzieht. Es ist die Kraft, die Jesus vom Gebet auf dem Berg mitbringt und in seinem Geist verborgen ist.