21.Sonntag im Jahreskreis C

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung Jes 66, 18 - 21

2.Lesung Hebr 12, 5-7.11 - 13

Evangelium Lk 13, 22 - 30

Der Ernst  der Gegenwart

Jesus geht auf Jerusalem zu und weiß: er wird so, wie er hingegangen ist, nicht mehr zurückkehren. In Jerusalem ist der Ort, wo der Tempel steht, wohin alle ziehen, um Gott anzubeten; wo König David regierte; es ist die Stadt, die schon einmal unter Blut und Tränen unterging und doch wieder zum Leben erweckt wurde. Jetzt herrscht dort die römische Besatzungsmacht. Im Untergrund brodelt es. Fanatische Landsleute warten nur auf ein Signal. Jesus fühlt sich zum ganzen Volk Israel gesandt, um ihnen die Nähe und Freude Gottes zu bringen und die große Wende herbeizuführen. Deshalb geht er in die Dörfer zu den armen Leuten und in die große Stadt. Er weiß, dass er wie einst die Propheten der Führung des Volkes gegenübertreten muss. Es sind die Hohenpriester und die Lehrer der Schrift, die beim Volk als die Vertreter Gottes gelten und auf die man hört. Es wird einen Zusammenstoß geben. Er wird  ihnen Aug in Aug gegenüberstehen und sagen, was ist. Die Stellen, in denen Jesus von seinem Ende in Jerusalem spricht, weisen deutlich darauf hin, dass sich Jesus der Tragweite und Gefährlichkeit der Situation wohl bewusst ist. Ein großes, ein überwältigendes Ereignis wird erwartet. Dafür steht Jerusalem. Es kann nur dort geschehen. Die Luft ist aufgeladen mit höchster Spannung. Es könnte die Wende sein von allem: Freiheit von Unterdrückung, Armut, Hunger und Krieg oder der Untergang. Es geht um die Zukunft, um Leben und Tod. Unter dem Hochdruck von Ängsten und Erwartungen geschieht es häufig, dass die Fundamente des Zusammenlebens und des Daseins in Frage gestellt werden. Die alten Regeln, welche das Leben eines jeden Menschen achten, werden außer Kraft gesetzt, nicht von allen, aber von Personen, welche dafür anfällig sind, gerade von solchen, welche höchste Ideale zu vertreten glauben. Von der Problematik der Zeit mit letzten Konsequenzen erfasst, verlieren sie klares Denken und kennen keinen anderen Ausweg als brutale Gewalt. Von dieser Art sind die Typen, die man heute Terroristen nennt, zur Zeit Jesu waren es wahrscheinlich die, welche als „Eiferer“ bezeichnet  wurden (Lk 6,15).
Auf dem Hintergrund dieser Spannungen wird verständlich, wenn einer fragt: „Sind es nur wenige, die gerettet werden?“ (Lk 13.23). Jesus gibt darüber keine Auskunft, aber er weist den Fragesteller auf sich selbst zurück. „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen!“ (Lk 13,24). Gemeint ist nicht, dass wir uns noch mehr anstrengen in dem, was wir bisher schon immer getan haben, dass wir noch mehr spenden oder noch länger beten. Unser Eifer soll nicht noch größer, vielmehr erleuchtet sein, sodass wir wissen, was wir tun. Gefordert ist die Mühe der Wachheit und Aufmerksamkeit für das, was sich im geistigen und politischen Raum ereignet, dass wir uns voll und ganz von dem, was jetzt geschieht, berühren belassen, aber dabei nicht wie die Extremisten den Verstand verlieren, vielmehr in uns selbst die Spannung austragen und nach Lösungswegen suchen. Es ist nicht damit getan, dass wir Papst Franziskus zitieren, dessen Reden die aktuellsten Ereignisse aufgreifen und andere Bischöfe aus Südamerika, welche sich für die Benachteiligten einsetzen.

Das ernste Wort Jesu, mit dem wir heute konfrontiert werden, ist an die gerichtet, die mit ihm beisammen waren, die mit ihm gegessen und getrunken, ihm auf der Straße zugejubelt, seine Erfolge genossen, ihn aber nicht verstanden haben. Hier sind alle, die sich von Beruf wegen oder aus Gewohnheit auf der Seite Jesu glauben, zu einer tiefergehenden Gewissenserforschung aufgerufen.
Im Hinblick auf die Erschütterungen unserer Zeit durch religiös motivierte Täter, auf die massenhaften Austritte aus der Kirche, auf das weltanschauliche Vakuum und auch auf leidenschaftliche Suchbewegungen ist die Frage berechtigt: Genügt es, dass wir nur alte Traditionen weiterführen und dabei den Abbau auf allen Ebenen, von Pfarrgemeinden und Klöstern wie Gott gegeben hinnehmen? Man sieht es schon als Erfolg, wenn sich die Zahl der Austritte nicht jedes Jahr erhöht. Dabei ist es immerhin eine Großstadt, welche sich in diesem Zeitraum von der Kirche verabschiedet. Das Forschen nach Zahlen und Prozenten entspricht der im Evangelium gestellten Frage: „Sind es viele, die gerettet werden?“ (Lk 13,23). Es hilft aber nicht weiter, vielmehr lenkt es ab, die Situation zu bewältigen. Man kann sich die Probleme schön vom Leib halten, indem man mit Zahlen jongliert und Statistiken und soziologische Zusammenhänge bemüht.

Eine Wahrheit sollte bei aller Rückbesinnung deutlich werden: Der Geist Jesu ist stärker als die Strömung der Zeit. So war es in den ersten Jahrhunderten, als das Christentum eine heidnische Welt überwand. Vorausgesetzt ist allerdings, dass sich Menschen von seinem Geist ergreifen lassen und er in ihnen wirken kann. Es soll daran erinnert werden, dass in der Sprache der Urkirche das Wirken des Geistes energeia und die Kraft, mit der Jesus auf die Menschen zuging, dynamis heißen. Das ist nichts anderes als Energie und Dynamik, von denen das frühe Christentum beseelt war. Würden sie in ihrer ursprünglichen Bedeutung in unserer Kirche wieder aufleben, bräuchten wir nicht zu befürchten, dass sich die Türen schließen und wir den Zeitpunkt der rettenden Wende versäumen.