31.Sonntag C                 

Liturgische Texte: www.erzabtei-beuron.de/schott

1.Lesung  Weish 11, 22 - 12,2

2.Lesung 2 Thess  1,11 - 2,2 

Evangelium Lk 19,1 - 10

Begegnung, die wandelt

Die Zöllner gehören zu den Personen, die in den Evangelien eher als sympathisch dargestellt werden. In Wirklichkeit trieben sie ein ganz böses Spiel. Sie bezahlten der römischen Besatzung eine bestimmte Summe für einen Ort oder eine Gegend. Dann konnten sie nach eigenem Ermessen so viel herausschlagen, als ihnen gut schien. Zachäus war einer von ihnen. Dies war denn auch der Grund, warum er reich und von den Leuten verachtet wurde. Worin er sich von den Reichen, vor denen Jesus warnt, unterscheidet, ist der eine Satz: „Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus ist“ (Lk 19,3). Im innersten Kämmerlein seines Herzens ist da noch eine Stelle, die nicht hart und kalt ist, die frei geblieben ist von Habsucht und Raffgier. Da ist noch etwas Lebendiges, das ihn antreibt. Es ist wohl mehr als Neugier. Es dürfte etwas gewesen sein, das man als die Wunde seines Herzens bezeichnen kann, die zu brennen anfängt, seine Einsamkeit und seine Verlorenheit. Er war immer der Kleine, den man übergangen hat. So hatte er es nötig, sich auf andere Weise Geltung zu verschaffen. Deshalb ging er zu den Römern. Nun war er jemand, aber um welchen Preis! Wenn er durch die Stadt geht, trifft er auf keinen freundlichen Blick. Leute, die ihn sehen, drehen sich um und tuscheln hinter seinem Rücken. Die Kinder rufen ihm Spottverse nach. Tag für Tag nur Ablehnung zu erleben, vom ganz normalen Leben ausgeschlossen zu sein ist ein hartes Schicksal.

Sein neues Leben beginnt, als er den Namen Jesus hört. In ihm regt sich das Verlangen, einmal anders zu sein, einem Menschen zu begegnen, mit dem man reden kann ohne Hinterhalt, ohne Härte zu zeigen, ohne Verachtung zu spüren! So treibt es ihn, diesen Jesus zu sehen, von dem er schon einiges von seinen Kollegen vernommen hat. Seine Sehnsucht ist so groß, dass er, wahrscheinlich unter dem Gelächter der Umstehenden, auf einen Baum steigt. Dann beginnt die große Wende seines Lebens. Er, den niemand mag, gerade er wird von Jesus angesprochen. Es trifft ihn mitten ins Herz.
Was er sein ganzes Leben lang gesucht hat, erfüllt sich nun: Er wird ernst genommen! Er ist es sogar wert, den Mann, den alle bewundern, in seinem Haus aufzunehmen. Für ihn ist es, als ob er von einem bösen Traum erwacht wäre. Er spürt, es gibt noch etwas ganz anderes als Geld. Es ist etwas so Kostbares, sodass alles andere seinen Wert verliert. Der Reichtum, der ihm einmal alles bedeutet hat spielt keine Rolle mehr. Er kann auf die Hälfte verzichten und das gut machen, was er andern angetan hat. Er muss nicht mehr, von Habgier getrieben, seine Landsleute auspressen. Er tut Dinge, die er selbst nie für möglich gehalten hätte und darüber alle nur staunen.

Die Botschaft Jesu scheint heute fast nur noch auf Widerstände zu stoßen. Die Menschen interessieren sich für alles andere nur nicht für Religion. Die Begriffe wie Evangelium, Frohe Botschaft, Umkehr, Nachfolge sind leer geworden. Orientieren wir uns am Beispiel Jesu. Es gilt, sich den Menschen so zuzuwenden, wie er es getan hat. Es fiel kein Wort von Buße, vom Unheil des Reichtums, vom Unrecht, das der Zöllner beging, aber es kam das rüber, von dem es heißt: „Nahegekommen ist das Reich Gottes" (Mk 1,15).

Es sind nicht die ausgefeilten Worte, welche die Botschaft Jesu nahe bringen. Es ist das volle, bedingungslose Ja zu jedem einzelnen, zu seiner Geschichte, zu seiner Art da zu sein und zu lieben, zu dem, was einer riskiert und erarbeitet hat, zu dem, was ihm wichtig geworden ist. Es kann sein, dass wir dabei übernommene Vorstellungen von Richtig und Falsch überdenken oder sogar Vorschriften in Frage stellen. Das können wir nicht einfach so mit gutem Willen. Es geht nicht, ohne dass wir uns zuerst mit dem, was in uns selbst an Ungutem ist, versöhnen. Wir müssen dem ins Auge schauen, was uns Angst macht, uns peinlich ist und uns hinab zieht, worüber wir nicht gerne reden. In die Seite in uns, die wir lieber zudecken als öffnen, sollte Licht kommen. Wenn wir wie Zachäus die verborgene Wunde zulassen, geschieht Neues. Der Teil unseres Inneren, der nicht verhärtet ist, der zwar weh tut aber noch lebendig ist, kommt dann zum Zug.

Wir bereiten uns damit vor, dass Christus uns im tiefsten Grund unserer Seele begegnet. Es kann uns so ergehen, wie es dem Zöllner geschehen ist, dass sich die Welt umdreht, dass eine Freude einzieht, die alles andere hintanstellt. In uns wächst  dann auch die Fähigkeit, den Menschen gerecht zu werden, die anders sind als wir. Es fühlt sich an, als ob das Leben immer wertvoller würde. Jedenfalls werden wir überrascht sein.