23. SONNTAG C 04.09.2022 

ERÖFFNUNGSVERS Ps 119 (118), 137.124
Herr, du bist gerecht, und deine Entscheide sind richtig.
Handle an deinem Knecht nach deiner Huld.
Ehre sei Gott
TAGESGEBET
Gütiger Gott,
du hast uns durch deinen Sohn erlöst
und als deine geliebten Kinder angenommen.
Sieh voll Güte auf alle, die an Christus glauben,
und schenke ihnen die wahre Freiheit
und das ewige Erbe.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

 

ERSTE LESUNG Weish 9, 13-19

Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen?
Lesung aus dem Buch der Weisheit
13Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen, oder wer begreift, was der Herr will?
14Unsicher sind die Berechnungen der Sterblichen und hinfällig unsere Gedanken;
15denn der vergängliche Leib beschwert die Seele, und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Geist.
16Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit Mühe, was doch auf der Hand liegt; wer kann dann ergründen, was im Himmel ist?
17Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?
18So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht, und die Menschen lernten, was dir gefällt;
19durch die Weisheit wurden sie gerettet.
ANTWORTPSALM Ps 90 (89), 3-4.5-6.12-13.14 u. 17 (R: 1)
R Herr, du bist unsere Zuflucht (GL 711, 2)
von Geschlecht zu Geschlecht. - R
3 Du lässt die Menschen zurückkehren zum Staub I. Ton
und sprichst: „Kommt wieder, ihr Menschen!"
4 Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag,
der gestern vergangen ist,
wie eine Wache m der Nacht. - (R)
5 Von Jahr zu Jahr säst du die Menschen aus;
sie gleichen dem sprossenden Gras.
6 Am Morgen grünt es und blüht,
am Abend wird es geschnitten und welkt. - (R)
12 Unsere Tage zu zählen, lehre uns!
Dann gewinnen wir ein weises Herz.
13 Herr, wende dich uns doch endlich zu!
Hab Mitleid mit deinen Knechten! - (R)
14 Sättige uns am Morgen mit deiner Huld!
Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unsre Tage.
17 Es komme über uns die Güte des Herrn, unsres Gottes!
Lass das Werk unsrer Hände gedeihen,
ja, lass gedeihen das Werk unsrer Hände! - R
ZUR 2. LESUNG Der Brief des Apostels Paulus an Philemon ist ein sehr persönlicher Brief. Ein entlaufener Sklave des Philemon war zu Paulus ins Gefängnis gekommen. Paulus hat ihn getauft und lieb gewonnen. Nun schickt er ihn zu Philemon zurück. Er bittet nicht um die Freilassung des Onesimus; er rüttelt nicht am sozialen Gefüge seiner Zeit. Wenn die Menschen, die an Christus glauben, einander als Brüder annehmen, dann wird sich mit Notwendigkeit auch die rechte soziale Ordnung ergeben.


ZWEITER LESUNG Phlm 9b-10.12-17

Nimm ihn auf, nicht mehr als Sklaven, sondern als geliebten Bruder
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Philemon
Lieber Bruder!
9bIch, Paulus, ein alter Mann, der jetzt für Christus Jesus im Kerker liegt,
10ich bitte dich für mein Kind Onesimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin.
12Ich schicke ihn zu dir zurück, ihn, das bedeutet mein eigenes Herz.
13Ich würde ihn gern bei mir behalten, damit er mir an deiner Stelle dient, solange ich um des Evangeliums willen im Gefängnis bin.
14Aber ohne deine Zustimmung wollte ich nichts tun. Deine gute Tat soll nicht erzwungen, sondern freiwillig sein.
15Denn vielleicht wurde er nur deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst,
16nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder. Das ist er jedenfalls für mich, um wie viel mehr dann für dich, als Mensch und auch vor dem Herrn.
17Wenn du dich mir verbunden fühlst, dann nimm ihn also auf wie mich selbst!
RUF VOR DEM EVANGELIUM Vers: Ps 119 (118), 135
Halleluja. Halleluja.
Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht,
und lehre mich deine Gesetze.
Halleluja.

EVANGELIUM Lk 14, 25-33

Keiner von euch kann mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
25als viele Menschen Jesus begleiteten, wandte er sich an sie und sagte:
26Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.
27Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
28Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?
29Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertig stellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten
30und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.
31Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt?
32Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, so lange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.
33Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.

 

Die Nachfolge Jesu - das überhörte Wort

Manche Worte Jesu machen uns ratlos. Sollen wir von heut auf morgen unser ganzes Eigentum aufgeben, das wir uns mühsam erworben haben, das wir doch für unsere Familie brauchen? Kann das der Wille Gottes sein, es so zu machen wie Klaus von Flüe, der seinen Hof, Frau und Kinder verließ und seinen mystischen Erfahrungen nachging? Dazu hören wir einen Satz Jesu, der etwas abgemildert immer noch hart genug klingt: „26Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein"(Lk14,25) Erst wer alle, die ihm nahe stehen, beiseiteschiebt ,darf sich ein Jünger Jesu nennen. Dabei ist die Aussage durch die Übersetzung schon etwas abgemildert. Ursprünglich heißt es „wer nicht hasst..." Man hört schon: „Das kann es doch nicht sein! Mit den nächsten Angehörigen so umzugehen!" Und wurden uns nicht die Ehrfurcht vor den Eltern und die Liebe zu ihnen als viertes Gebot eingeschärft? Wer nicht gewohnheitsmäßig darüber hinweg liest, hat einiges an Unverständnis und Widerstand zu verarbeiten. Jesus scheint hier ein Maß anzulegen, das nur auf ganz wenige zugeschnitten ist. Vor allem wird der Eindruck erweckt, als ob die Nachfolge Jesu als erstes aus Verzicht, Höchstleistungen und Anstrengungen bestünde. Es kam in der Geschichte der Kirche sogar soweit, dass man die Strenge der Lebensweise als solche als Kennzeichen der Nachfolge sah. Es wird verständlich, dass man um dieses Wort einen großen Bogen macht. Hier gilt es, einige Missverständnisse auszuräumen. Am Beginn des heutigen Textes steht: „Viele Menschen begleiteten ihn."(Lk14,25).Das taten sie doch wohl, weil sie angezogen waren von seiner Ausstrahlung, weil sie seine Echtheit und Güte spürten, weil ihnen seine Gegenwart gut tat und weil in ihnen eine große Hoffnung geweckt war. Wir dürfen an ein Wort Jesus denken: „Kommt alle zu mir, die ihr voll Mühsal seid und unter Lasten stöhnt. Ich will euch ausruhen lassen"... „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht."(Mt 11,28; 30). Aus dem geht hervor: Die Menschen, die Jesus begegneten, verspürten ein großes Aufatmen, ein Ja zu ihrer Lebensgeschichte mit allen Verwicklungen, ein Verständnis für ihre Not und Ausweglosigkeit. Von einigen Personen wird berichtet, dass sie vor Freude und Glück weinten, dass sie erschüttert waren von dem, was geschehen war, dass ihr Leben sich total verändert hat. Wir dürfen an jene Frau denken, die als Sünderin galt und beim Gastmahl der Frommen aus Dankbarkeit Jesus die Füße salbte, ebenso an den Zöllner Zachäus, der wie von selbst zum Entschluss kam, seinen Reichtum aufzugeben. Herausgestellt werden in besonderer Weise die Krüppel, Kranken, Aussätzigen und Besessenen, denen Jesus ihr Leben zurückgab. Solche waren es, die Jesus begleiteten und - wir dürfen hinzufügen- noch viele andere, die sich anschlossen, „viel Volk"(Lk14, 25) heißt es in einer anderen Übersetzung. Sobald aber es viele werden, zieht die Masse auch solche an, die nicht die Tiefe und Einzigartigkeit einer Begegnung mit dem Meister erfahren haben, die sich von der Menge getragen wissen und sich in einem wohligen Gefühl gerne baden. Diesen Hintergrund müssen wir sehen, wenn wir die schroffen Worte Jesu verstehen wollen. Der Meister spricht eine Warnung aus: Wer mein Schüler sein will, das heißt wer dieser Spur der Nähe Gottes, die ich verfolge, ähnlich wie ich nachgehen will, ist bis in die letzte Faser seiner Existenz gefordert. Wer von Gott berührt wird, wird für die Menschen um ihn herum anders, weil Gott anders ist: er wird als unverständlich, als eigenwillig, als verrückt, sogar als gottlos gelten. Er passt nicht mehr in den herkömmlichen Rahmen, wie man denkt, wie man sich zu verhalten hat, wie man fromm und religiös ist, hinein. Er wird auch mit Konsequenzen konfrontiert, die sehr hart sein werden. Er muss sich auf Überraschungen gefasst machen. Er muss nicht seine Gefühle und Verbundenheit zu den Eltern, Freunden und eigenen Kinder ausreißen. Aber es kann dazu kommen, dass er von den engsten Vertrauten, mit denen er zusammenlebt, nicht mehr verstanden wird und dass er sich gegen deren Willen durchsetzen muss. In den Augen der guten Leute kann er zum großen Ärgernis werden, zum Fall X, der Schlagzeilen macht, über den man diskutiert oder nur abfällig redet. Es lassen Schicksale von Personen anführen, die wir heute glorifizieren, die aber im Augenblick, als sie auffällig wurden, der Skandal der Familie, des Dorfes oder der Stadt waren und alles andere als bewundert wurden. Es sind nicht nur Heilige aus fernen Zeiten. Zu nennen ist hier der österreichische Bauer Franz Jägerstätter, der das Verbrechen des Krieges der Nazi-Herrschaft klar erkannte, sich weigerte, als Soldat mitzumachen und deshalb hingerichtet wurde. Im letzten Sinn war dieser Kriegsdienst Beihilfe zum Mord. Seine Entscheidung war in den Augen seiner Landsleute keineswegs eine heroische Tat, sondern eher Feigheit, Drückebergerei, Versponnenheit. Seine Witwe bekam nicht die Unterstützung eines Kriegsopfers er selbst nur unter großen Widerständen die Ehrung eines Gefallenen. Letzter Grund, warum dieser aufrechte Mann wie viele andere bei ihren eigenen Verwandten und Bekannten kein Verständnis, sondern Ablehnung erfahren, ist die Kluft, die sich zwischen denen auftut, die von Gott unmittelbar ergriffen sind und denen, die eine solche Erfahrung nicht kennen. Hier ist der Ort für das so schwierige Wort vom Ablehnen sogar Hassen der engsten Vertrauten (Lk14,26). Es geht um die emotionale Trennlinie, die das neue Denken, Fühlen und Wahrnehmen nach sich zieht. Hier darf es keine Kompromisse geben, sonst wird das Ganze verwässert. Dies wollte Jesus in aller Schärfe zum Ausdruck bringen. Er selbst musste bei seinem Auftreten in seiner Heimat Nazareth erkennen, dass seine ehemaligen Freunde und Bekannten, sogar seine Familie ihm nicht folgten, weil er ein anderer geworden war. Der Weg Jesu gehört zu den Entscheidungen, die den vollen Einsatz verlangen. Dies gilt wie selbstverständlich von der Liebe zweier Menschen. Jedermann weiß, dass Halbheiten die nächste Krise mit sich bringen. So wollte es auch Jesus verstanden wissen, als er das Bild vom Turmbau und vom Kriegszug eines Königs verwendete. Es braucht den ganzen Menschen, ohne Vorbehalt, ohne Nebenabsichten, ohne Rückversicherung, damit einem das als Kostbarkeit aufgeht, was er mit „Jünger-sein" gemeint hat. Um noch einmal einen Zugang zu den hart klingenden Worten Jesu zu öffnen: Die „Nachfolge Jesu" beginnt nicht mit aszetischen Kraftproben, nicht damit, dass man Höchstforderungen zu erfüllen versucht. Sie beginnt damit, dass wir in die Atmosphäre Jesu eintauchen, dass wir entlastet werden, aufatmen dürfen und die Tiefe der Seele zulassen. Diese kann uns so treffen, dass alle bisherigen Vorstellungen von wichtig und unwichtig, sogar von richtig und falsch umgedreht werden. Die Absicht Jesu ist, dass wir uns dem Wirken Gottes öffnen, dass wir „glauben". Dann werden sich Dinge ereignen, die uns heute unmöglich scheinen.

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