Ostersonntag
Die liturgischen Texte zum Tag: www.erzabtei-beuron.de/schott/
1.Lesung Apg 10, 34a.37 - 43
2.Lesung Kol 3, 1 - 4
Evangelium Joh 20, 1 - 9
Er sah und glaubte
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
1 Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
2 Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.
3 Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab;
4 sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab.
5 Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein.
6 Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen
7 und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.
8 Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte.
9 Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.
Der große Sonnenaufgang
Heute ist der große Tag der Christen, der alle Tage des Jahres, sogar alle Zeiten überragt, an dem Vergangenheit und Gegenwart gemessen werden. Es fällt auf, dass die Osterberichte und die Liturgie dem Beginn dieses Tages besondere Aufmerksamkeit schenken. Johannes betont, dass Maria von Magdala zum Grabe kam, als es noch dunkel war, ebenso ist den anderen Evangelisten wichtig zu sagen, dass es früh am Morgen war, als die Frauen zum Grab eilten.
Der Übergang von der Nacht zum Tag, von der Dunkelheit zum Licht hat unmittelbar mit dem zu tun, was mit der Auferstehung Christi und unserer eigenen Auferweckung gemeint sein kann. Maria war die, aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte, in der es selbst einmal stockfinstere Nacht war. Es muss für sie wie das Aufgehen der Sonne gewesen sein, als Jesus in ihren Lebensraum eintrat und ihn hell machte. Wenn wir in unser eigenes Leben schauen: Ist es nicht so, dass jeder Mensch, der in unseren näheren Bereich tritt und ihn beglückend ausfüllt, wie eine aufgehende Sonne ist? Wenn zwei Menschen einander als liebenswert und liebenswürdig entdecken, ist doch alles anders geworden. Es ist doch wie wenn man aus einem Schlaf erwacht sei, in dem unser Wesen bisher dahin dämmerte. Dasselbe können Eltern sagen, denen zum ersten Mal ein Neugeborenes entgegen lächelt.
Auf diesem Hintergrund dürfen wir den Bericht von der Begegnung Marias mit dem Auferstandenen verstehen: für sie ist die Sonne aufgegangen, überwältigender und leuchtender, als es sich je zwischen Menschen ereignen kann. Das Entscheidende geschieht, als Maria mit ihrem Namen gerufen wird. Vorher waren ihre Augen blind, von Traurigkeit und Leid verschlossen. Dieser ganz persönliche Anruf ist es, der alles verändert. Als sie ihren Namen wie nie zuvor ausgesprochen hört, ist ihre Sehnsucht erfüllt. Sie weiß sich in einem Augenblick endgültig verstanden, endgültig angenommen. Es werden Innenräume in ihr wach, die sie noch nie gekannt hatte.
Wenn wir je etwas verstehen wollen von dem, was mit Auferstehung gemeint ist, dann das eine: wir werden wie Maria mit unserem Namen gerufen, bejahend und verstehend; mit all dem, was unsere Lebensgeschichte ausmacht, mit all dem Leid, den Umwegen und Irrwegen, mit den Enttäuschungen und mit den Hoffnungen. Es wird uns gesagt, dass wir für immer, ohne Einschränkung vom höchsten Wesen erkannt sind als Frau, als Mann mit der Gewissheit, dass wir die sein dürfen, die wir im Innersten sind, einmalig und doch in der Nähe aller.
Wenn sich so etwas in einem Leben ereignet - wenn die tiefste Sehnsucht erfüllt wird - dann ist es einfach Tag geworden im Leben eines Menschen. Deshalb wurde auch Christus die Sonne der Gerechtigkeit genannt.
Unsere Einwände kommen davon, weil wir immer noch mit Finsternis konfrontiert sind, sogar noch mitten darin stecken mit unserer Unsicherheit, Verlassenheit und Traurigkeit wie Maria von Magdala.
Verheißen ist uns, dass es endgültig, ganz und gar Tag wird. Die Auferstehung Jesu ist der Schlüssel für die letzte Frage des Menschen, die ihn immer wieder quält und umtreibt: Was ist nach dem Tod? Wird es ewig aus, ewig Nacht sein? Oder ist da noch etwas, das kommt? Das Undurchschaubare, das Endgültige, das Unumkehrbare ist es, das uns Angst macht.
Die Erfahrung der ersten Christen ist die: es gibt einen Übergang von der Finsternis zum Licht, von der Nacht zum Tag; jetzt schon. Dies ist so sicher, wie es Lebensprozesse gibt, die uns wandeln: vom Kind zum Jugendlichen, vom jungen Menschen zum Erwachsenen, vom Erwachsenen zum reifen, weisen, erfüllten Alter.
Die frühen Christen haben einen ähnlichen Übergang erlebt, als sie Christus begegneten. Ihre Überzeugung ist, dass der Tod nur mehr der letzte Schritt von vielen, schon getanen ist, von der Enge in die Freiheit, von der Verlassenheit in die Nähe und Geborgenheit, vom Schlaf zum Erwachen, von der Nacht in den Tag.
Das ist es, was Paulus mit den Worten sagen wollte: „Ihr seid mit Christus auferweckt” (Kol 3,1). Ihr seid schon wach geworden für die Wirklichkeit, die das Leben ausmacht, für die Dichte und Fülle, für die Kraft, die alles Äußere und Hinfällige überragt.
In Maria von Magdala ist die große Sehnsucht und die große Liebe und die große Erwartung dargestellt. Wenn wir etwas von ihr haben, heißt das: wir freuen uns auf den nächsten Tag, wir sind gespannt, was auf uns zukommen wird, wir lassen uns überraschen.